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"Schlicht und bummlig die Wahrheit sagen"

Die Figuren seiner Bildergeschichten, wie hier Max und Moritz, hielt Busch für „Konturwesen“ in einem „Papiertheater“.  Fotos: Archiv

Die Figuren seiner Bildergeschichten, wie hier Max und Moritz, hielt Busch für „Konturwesen“ in einem „Papiertheater“. Fotos: Archiv

Von Gudrun Schury

Aufzählung Als Verfasser von Bildergeschichten ist Wilhelm Busch, der am 15. April 175 Jahre alt geworden wäre, berühmt geworden. Als Maler und Dichter ist er bis heute nahezu unbekannt geblieben.

Mit Gedenktagen ist das so eine Sache. Sind 5 Jahre Möbelhaus oder 35 Jahre Verein Sowieso oder 65 Jahre Kriegsende ein hineichender Anlass zum Feiern? Die einen machen aus jedem Datum einen Jubelgrund, die anderen beschränken sich auf die wirklich großen runden Zahlen: die Bistumsgründung vor einem Jahrtausend, die 500-Jahr-Feier einer Gemeinde, den 100. Geburtstag eines Komponisten. Im Fall Wilhelm Busch macht man es beiden Parteien Recht. Mit dem 15. April 2007 kann man seinen 175. Geburtstag begehen, am 9. Jänner 2008 folgt sein 100. Todestag. Die Stadt Hannover ergriff die Gelegenheit und erklärte gleich den ganzen Zeitraum von Anfang 2007 bis zum 9. Jänner 2008 zum "Busch-Jahr". Die Uraufführung der Kammeroper "Die Fromme Helene" gehört ebenso zum Festprogramm wie Lesungen, eine Revue und zwei große Ausstellungen im Wilhelm-Busch-Museum.

Merkwürdiger Onkel

Noch immer geistern viele Vor- und Fehlurteile über den zu Ehrenden durchs Land. "Max und Moritz" werden sogleich zu seinem Namen assoziiert, nebst "Hans Huckebein" und seinem Antisemitismus. Dass bei Busch so grausam gestorben werde und er wohl selbst ein bisschen sadistisch gewesen sei, bekommt man ebenso zu hören wie das (Vor-)Urteil, dass bei ihm alles so lustig sei. Wer war dieser merkwürdige Onkel, der aus seinem Pfarrhaushalt kaum herauskam?

Schon zu seinen Lebzeiten wusste man nur wenig über ihn. Was Wilhelm Busch in seinem Geburtsort, dem niedersächsischen Dorf Wiedensahl, schrieb und zeichnete, sah man erst, wenn es in den Buchläden auflag. Den Künstler selbst bekam man selten zu Gesicht. Eigensinnig beharrte er auf seinen Themen und seiner Manier, ließ sich weder von zeitgenössischer Dichtung noch Malerei beeinflussen. Wie wenig man ihn kannte, beweist der Nachruf in der Berliner "Woche" vom 18. Jänner 1908, neun Tage nach Buschs Tod. Zwar attestierte man ihm dort, ein Klassiker zu sein, aber weder in der Schriftstellerei noch in der bildenden Kunst. Als Dichter habe er "zwar recht Hübsches, aber durchaus Unerhebliches geleistet, und von malerischen und zeichnerischen Versuchen" wisse man rein gar nichts. Diese "malerischen und zeichnerischen Versuche" bestehen aus rund 1000 Gemälden und rund 2000 Zeichnungen.

Wie Goethe schwankte Busch lange zwischen verschiedenen Tätigkeitsbereichen; wie Gottfried Keller konnte er sich lange nicht vom Imago des klassischen Malers verabschieden. Dass der dreifache Akademie-Abbrecher Busch zeitlebens nur ein einziges Bild ausstellte, zeigt seine Selbsteinschätzung. Dabei können sich seine kleinformatigen Ölgemälde durchaus neben denen eines Max Liebermann oder Lovis Corinth behaupten, ja sogar neben denen des gleichaltrigen Edouard Manet. In seiner Spätzeit stieß er zu einem Expressionismus der Farben vor, der unvergleichlich ist. Mit den sogenannten Rotjacken, ländlichen Figuren, die der einsamen Landschaft einen irritierend befremdlichen Farbfleck hinzufügen, gelang ihm ein unverwechselbares Sujet.

Den malenden Busch entdeckte man aber erst postum, den dichtenden im Grunde nie. Vorsichtig hatte er 1874 begonnen, ein Mischwesen aus Bildergeschichten, Karikaturen und Gedichten unter dem Titel "Dideldum!" zu veröffentlichen. Noch im selben Jahr erschien sein erster gänzlich grafikfreier Lyrikband: "Kritik des Herzens". Darin versuchte Busch, "möglichst schlicht und bummlig die Wahrheit zu sagen" über den menschlichen Charakter.

Ähnlich wie Heinrich Heine beleuchtet Wilhelm Busch den Übergang von romantischer zu desillusionierter Stimmung, von Ideal zu Wirklichkeit, von Leidenschaft zu Butterbrot, von Liebesseufzer zu Tagesgerede. Das Herz mit all seinen Sehnsüchten und Irrtümern wird gehörig aufgespießt – "das rote Ding in meiner Brust" heißt es bei ihm.

Die Leser interessierte der Dichter Busch wenig. Ja, manche waren so sehr schockiert von dem neuen Werk, dass sie es am liebsten auf dem Index gesehen hätten. Das Publikum wollte nicht Lyrik lesen, sondern über Missgeschicke lachen. Also blieb einer der populärsten Künstler seiner Zeit im Grunde weithin unbekannt. Er wollte es auch gar nicht anders. Er verbarg sein Leben vor denen, die es nichts anging. Einer seiner Freunde schrieb über den 46-Jährigen: "Er ist schon mehrfach totgesagt worden, und man hat an seinen Tod geglaubt, weil man von seinem Leben so wenig weiß (. . .) von den deutschen Berühmtheiten gibt es wohl keine einzige, die mit ihrer Person so wenig an die Oberfläche getreten wäre wie der Verfasser von ‚Max und Moritz‘." Sämtliche an ihn gerichtete Briefe verbrannte er, desgleichen viele Bilder und die Skizzen zu seinen Bildergeschichten.

Die Reserviertheit des Wilhelm Busch ist kein unsympathischer Zug in einer Zeit, in der man häufig Nichtigkeitsberichten von Leuten ausgesetzt ist, deren einziger Beruf es ist, "prominent" zu sein. So muss man sich wohl doch an das Werk halten, will man etwas über den Bewunderer Darwins, Schopenhauers und Bismarcks erfahren. Aber auch das Werk, jedenfalls das humoristische, enthüllt nicht viel von seinem Schöpfer. Die Figuren der Bildergeschichten bewegen sich in einem Ungefähr. Sie sind "Konturwesen" in einem "Papiertheater" , wie Busch das nannte.

In ihre Umrisse schrieb der Zeichner alles ein, was ihm an spöttischer Kritik am Allzumenschlichen einfiel. Jede Zeichnung ist Ausdruck des einzigen Glaubensbekenntnisses, das Busch je ablegte: Er war davon überzeugt, dass "wir nicht viel taugen von Jugend auf" . Vielleicht sind seine Geschichten deshalb so komisch, weil sie schonungslos darstellen, wie Alkohol, die Tücke des Objekts oder die eigene Überzeugung den Bürger lächerlich machen können; weil sie Dinge verlebendigen, Tiere vermenschlichen und Menschen "vertieren"; weil sie hunderterlei Quälmethoden und Todesarten ersinnen, nur um in der nächsten Bildergeschichte das Böse munter wiederauferstehen zu lassen.

Über Buschs Privatleben erfährt man in diesen Abenteuern nichts, in denen so fröhlich gesündigt, gehauen und gestorben wird. Er hätte sich schön bedankt, wäre ihm auch nur ein einziger Streich gespielt worden. Er fühlte sich am wohlsten, wenn sein Leben im geregelten Gleichmaß ablief. Er war seinen Neffen ein verständnisvoller Onkel, seinen Freunden ein guter Unterhalter, seinem Garten ein kompetenter Pfleger. Nur zwei Mal überschritt er die Alpen. Doch weder Rom noch Venedig konnten ihn beeindrucken, umso mehr aber hatten es ihm Amsterdam und Antwerpen angetan mit ihren großen Meistern der altniederländischen Malerei.

Früh in Pension

Wenn er etwas Persönliches zu sagen hatte, so griff zum Gänsekiel, schrieb Briefe, Gedichte oder Prosa. Nur in seinen beiden Erzählungen, "Eduards Traum" und "Der Schmetterling", enthüllt er ein wenig von seinem Innersten, das so sarkastisch und zugleich so sensibel war.

Da Wilhelm Busch mit seinen Büchern ein reicher Mann geworden war, konnte er es sich leisten, früh in Pension zu gehen. Mit 52 Jahren gab er das Bildergeschichten-Fabrizieren auf, mit 66 auch das Malen. Welche Bilanz konnte er ziehen? Manches war er nicht geworden: Berufsmaler, Ehemann, Vater. Etwas war zufällig aus ihm geworden: der berühmteste Humorist. Und zu etwas hatte er sich durch lange Übung qualifiziert: zum scharfen Beobachter. Er, der sich nicht zum Draufgänger, Springinsfeld oder Hansdampf eignete, zog sich ins Reich der Ideen zurück. Dort pflegte er das, was er am besten konnte: zusehen und kommentieren.

Wilhelm Busch

15. 4. 1832 Geburt von Heinrich Christian Wilhelm Busch in Wiedensahl;

1847 Beginn des Studiums an der Polytechnischen Schule Hannover;

1851 Kunstakademie Düsseldorf;

1852 Königliche Akademie der schönen Künste Antwerpen;

1854 Königliche Akademie der Künste München;

1859 Erste Tätigkeit für die "Fliegenden Blätter" und den "Münchner Bilderbogen";

1865 "Max und Moritz";

1867 "Hans Huckebein, der Unglücksrabe";

1868 Übersiedlung nach Frankfurt;

1870 "Der heilige Antonius von Padua";

1872 "Die Fromme Helene"; Umzug nach Wiedensahl ins Pfarrhaus zu Schwester Fanny;

1875 – 1877 "Knopp"-Trilogie;

1877 – 1881 Atelier in München;

1879 "Fipps, der Affe";

1884 "Maler Klecksel";

1898 Umzug nach Mechtshausen am Harz zu seinem Neffen, Pastor Nöldeke;

1904 Lyriksammlung "Zu guter Letzt";

9. 1. 1908 Tod in Mechtshausen.

Gudrun Schury, lebt als Autorin, Literaturwissenschafterin und Dozentin in Bamberg. Im Herbst erscheinen von ihr die Bücher "Ich wollt, ich wär ein Eskimo. Das Leben des Wilhelm Busch" und "Wilhelm Busch: 100 Gedichte".

Printausgabe vom Samstag, 14. April 2007
Online seit: Freitag, 13. April 2007 17:19:11

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