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100. Todestag von Karl Lueger: Reformer, Populist und Antisemit, bewundert und angefeindet

Umstrittener Modernisierer

Denkmal oder Mahnmal? Eine Initiative will die Lueger-Statue beim Wiener Stubentor zum "Mahnmal gegen Antisemitismus und Rassismus" umwandeln. Foto: Urban

Denkmal oder Mahnmal? Eine Initiative will die Lueger-Statue beim Wiener Stubentor zum "Mahnmal gegen Antisemitismus und Rassismus" umwandeln. Foto: Urban

Von Walter Hämmerle

Aufzählung Porträt des Wiener Bürgermeisters der Jahrhundertwende.
Aufzählung Legte den ersten Grundstein für das moderne Wien.

Wien. "Wir wollen der Stadt Wien eine Hilfestellung beim sensibleren Umgang mit dem Thema gaben", erklärt Martin Krenn, Projektleiter einer Initiative zur Umgestaltung des Karl-Lueger-Denkmals beim Wiener Stubentor. Zu diesem Zweck hat die Universität für angewandte Kunst einen Wettbewerb ausgeschrieben, der noch bis Ende März läuft. Das Denkmal soll zu einem "Mahnmal gegen Antisemitismus und Rassismus in Österreich" umgestaltet werden, verkünden die Initiatoren.

Aufzählung Interview mit US-Historiker John W. Boyer
Aufzählung Gastkommentar: Der merkwürdige Karl Lueger

Man muss kein Prophet sein, um die Chancen auf eine Umsetzung der Pläne skeptisch zu beurteilen. Alle Jahre wieder fordern Initiativen die Stadtpolitik auf, die Erinnerung an den ebenso legendären wie umstrittenen Bürgermeister aus dem offiziellen Antlitz Wiens zu tilgen. Neben dem Denkmal geht es dabei stets vor allem um den Dr.-Karl-Lueger-Ring, an dem das Hauptgebäude der Universität Wien liegt. Die Wiener SPÖ erteilte diesen Ansinnen bisher eine Abfuhr. Begründet wird dies mit dem organisatorischen und finanziellen Aufwand, der einer Umbenennung folgen würde. Mindestens so wahrscheinlich ist jedoch, dass damit auch eine sehr viel breitere Debatte über Straßen- und Platzbezeichnungen einhergehen würde.

Die Debatte zeigt jedoch exemplarisch, wie polarisierend der 1844 in Wien-Wieden als Sohn eines Saaldieners geborene Lueger auch heute noch, hundert Jahre nach seinem Tod, betrachtet wird. Seinen Anhängern gilt er als legendärer Bürgermeister, der mit seiner Politik der Kommunalisierung zentraler städtischer Dienstleistungen den Grundstein für den Aufstieg Wiens zu einer modernen Metropole legte. Seine Gegner betrachten Lueger dagegen als Politiker, der nicht davor zurückschreckte, mit antisemitischen Parolen auf Stimmenfang zu gehen.

Steiler Aufstieg

Seinen Aufstieg erarbeitete sich Lueger dabei mit eiserner Disziplin und großem strategischen Geschick. Dank seines Talents wurde ihm gestattet, die Theresianische Ritterakademie zu besuchen, nach deren Abschluss er Jus studierte. Ab 1874 war er als Rechtsanwalt mit eigener Kanzlei tätig, wobei er sich als Anwalt der kleinen Leute zu profilieren versuchte.

Politisch engagierte sich Lueger, der auch Mitglied im katholischen ÖCV war, zuerst bei den Liberalen. Erstmals in den Wiener Gemeinderat zog er 1875 ein, später wurde er auch in den Reichsrat sowie in den niederösterreichischen Landtag ein.

Ab Ende der 1880er Jahre arbeitete Lueger auf die Bildung eines neuen christlichen Parteienbündnisses hin, das er zum Sammelbecken für den vielzitierten "kleinen Mann" ausbauen wollte. Entsprechend standen soziale Fragen im Mittelpunkt einer Politik, deren institutionelles Rückgrat die katholische Kirche und deren ideologischer Kit in weiten Teilen ein gezielt eingesetzter Antisemitismus war. 1893 schließlich gründete Lueger die Christlichsoziale Partei, die er zu einer modernen Massenpartei ausbaute.

Erst nach mehreren vergeblichen Anläufen wurde Lueger 1897 zum Wiener Bürgermeister von Kaiser Franz Joseph I. ernannt. Angeblich bedurfte es zuvor der Intervention von Papst Leo XIII., um den Kaiser umzustimmen.

Luegers Ziel als Bürgermeister war es, die Hauptstadt des Kaiserreichs von Grund auf zu reformieren. Ein effizient geölter Machtapparat aus Gefolgsleuten, der wesentlich auf dem Prinzip der Ämterpatronage beruhte, ging ihm dabei zur Hand. An Großprojekten initiierte Lueger die II. Wiener Hochquellenwasserleitung, die Kommunalisierung der Gas- und Elektrizitätsversorgung sowie der Straßenbahnen, den Bau von großen Sozialeinrichtungen wie des Versorgungsheims Lainz und des Psychiatrischen Krankenhauses am Steinhof.

Lueger starb am 10. März 1910 als Folge seiner Zuckerkrankheit. Hunderttausende nahmen an den Trauerfeierlichkeiten teil, darunter auch Adolf Hitler. Begraben ist Lueger in der Dr.-Karl-Lueger-Gedächtniskirche auf dem Wiener Zentralfriedhof.

Ausstellung im Internet

Ab heute bis 31. Mai ist eine virtuelle Ausstellung der Wienbibliothek zu Lueger online, die Einblicke in seinen Nachlass bietet.

http://www.wienbibliothek-digital.at

Zitate

"Es handelt sich uns darum, in Österreich vor allem um die Befreiung des christlichen Volkes aus der Vorherrschaft des Judentums."
Karl Lueger 1899

*

"Ja, wissen’S, der Antisemitismus is a sehr gutes
Agitationsmittel, um in der Politik hinaufzukommen; wenn man aber einmal oben is, kann man ihn nimmer brauchen, denn des is a Pöbelsport!"
Karl Lueger 1908

*

"Jedenfalls lernte ich den Mann und die Bewegung kennen, die damals Wiens Schicksal bestimmten: Dr. Karl Lueger und die christlich-soziale Partei. Als ich nach Wien kam, stand ich beiden feindselig gegenüber. (.. .) Heute sehe ich in dem Manne mehr noch als früher den gewaltigsten deutschen Bürgermeister aller Zeiten."
Aus Adolf Hitlers "Mein Kampf"

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"Diese disparaten Schichten, die bedrängten Handwerker und Kleinkaufleute, die kleinen Beamten, die Handlungsgehilfen schmolz er zusammen zu einer Partei (.. .) er machte aus dem von den liberalen Protzen hochmütig verachteten ‚kleinen Mann‘ den Herrn dieser Stadt."
Aus der "Arbeiterzeitung" zu Luegers Tod am 11. März 1910

*

"Nun muß man wissen, daß es in Österreich (...) jüdische Familiennamen gibt, die mit den Namen fürstlicher Häuser identisch sind. (.. .) Man erzählt sich, daß der Bürgermeister Lueger, dem einmal mitten in einem wichtigen Aktenstudium der Besuch des Fürsten Löwenstein-Wertheim-Freudenberg gemeldet wurde, seinen Sekretär ein wenig zerstreut mit den Worten hinausgeschickt hätte: ‚Sagen’S den drei Juden, sie sollen warten.‘"
Aus Friedrich Torbergs "Die Erben der Tante Jolesch"

Printausgabe vom Mittwoch, 10. März 2010
Online seit: Dienstag, 09. März 2010 16:32:00

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