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Artikel aus dem EXTRA LexikonPrint this

Die Ilha de Moçambique – eine verblassende afrikanische Schönheit

Hauptstadt im Ruhestand

Ein Blick in die historische Steinstadt, die von der portugiesischen Kolonialregierung erbaut worden ist.

Ein Blick in die historische Steinstadt, die von der portugiesischen Kolonialregierung erbaut worden ist.

Die Ilha de Moçambique ist ein schmaler, dicht besiedelter Inselstreifen vor der Küste Mosambiks.

Die Ilha de Moçambique ist ein schmaler, dicht besiedelter Inselstreifen vor der Küste Mosambiks.

Von Brigitte Pilz (Text und Fotos)

Die erste Hauptstadt der früheren portugiesischen Kolonie Mosambik ist eine winzige Insel im Indischen Ozean: die Ilha de Moçambique. Dem Besucher präsentiert sie sich als verschlafener Ort, in dem die verblassende historische Prachtentfaltung mit Verfall und bitterer Armut Hand in Hand geht.

In früheren Zeiten kamen die Entdecker über das offene Meer. Lange bevor europäische Schiffe dort segelten, bot der Indische Ozean den Arabern Handelsrouten mit Stützpunkten auch an der ostafrikanischen Küste. Die Ilha de Moçambique war bereits im 8. Jahrhundert eine besonders gern genutzte Anlaufstelle, weil sie windgeschützte Buchten hat und nahe dem Festland gelegen ist.

Viel später wurde die Insel zur ersten Hauptstadt der portugiesischen Kolonie Mosambik. Von einem Handelsstützpunkt entwickelte sie sich zu einem blühenden Gouverneurssitz, luxuriös für jene, die an den Schalthebeln der Macht saßen. Man wollte der Elite im Mutterland Portugal hinsichtlich Bauwerken und Lebensart nicht nachstehen. Sklaven und Scharen von Bediensteten hatten für Bequemlichkeit zu sorgen.

Die Bauten aus jener Zeit – also im Grund die ganze Stadt, denn kein Neubau stört das historische Ensemble – sind heute halb verfallen und verwittert, nur einige wurden bis ins Detail sorgfältig restauriert. Die Atmosphäre ist beschaulich, ja verschlafen. Touristisch ist die Insel bisher kaum erschlossen worden.

Heute kommen die Entdecker auf dem Landweg in die Stadt. Es sind nicht sehr viele. Einige benutzen Privat- oder sehr teure Mietautos. Der Rest quetscht sich in Nampula, der Hauptstadt der gleichnamigen Provinz im Norden Mosambiks, zwischen die Einheimischen in einen Minibus und lässt das dreistündige Geholper gelassen über sich ergehen. Eine 3,5 km lange Brücke, 1969 erbaut, ermöglicht die Busfahrt auf die Insel.

Lehmstadt und Steinstadt

Die Insel zieht sich wie eine schmale Zunge von Süden nach Norden und ist mit 2,5 km Länge und maximal 600 m Breite bequem zu Fuß zu erobern. Die gesamte Fläche ist von der Stadt bedeckt, die aus zwei völlig verschiedenen Teilen besteht: im südlichen Teil ist die Lehmstadt der armen Bevölkerung, die früher afrikanischen Sklaven und Dienstboten beherbergte, und im nördlichen Teil liegt die Steinstadt, Relikt der arabischen, indischen und europäischen Vergangenheit. Das Zusammenspiel, die Vermischung unterschiedlicher Kulturen hat hier einen speziellen Menschentyp hervorgebracht und eine einzigartige Form städtischer Siedlung geschaffen.

1498 landete Vasco da Gama auf seiner Suche nach dem Seeweg nach Indien erstmals auf dem Eiland. Zu dieser Zeit hatte dort schon fast 1000 Jahre lang eine arabische Handelsniederlassung bestanden. Die Araber nahmen sich die Töchter lokaler afrikanischer Chiefs vom Festland als Frauen. Regiert wurde die Insel damals von Sultan Moussa Ben Mbiki. Er war der Namensgeber für die spätere portugiesische Kolonie Mosambik.

1502 kam Vasco da Gama wieder. Wie schon die Araber, waren auch die Portugiesen vor allem auf der Suche nach Gold, um damit in Asien wertvolle Gewürze einzukaufen. Den Kampf um die Insel gewannen vorerst die Eroberer aus Europa, deren militärische Übermacht die Araber vertrieb. In der Folge erlangten die Portugiesen mit Handelsstationen auf dem Festland die Vorherrschaft über die Ostküste des südlichen Afrika.

Von einem Zwischenlager für Handelsgüter entwickelte sich die Niederlassung auf der Insel zu einer der wichtigsten Versorgungsstationen für die portugiesischen Seefahrer. Die Portugiesen konnten sich allerdings niemals in Sicherheit wiegen. Auch andere Eroberer warfen begehrliche Blicke auf die Ilha de Moçambique: die Araber, die Inder, die Holländer, später die Engländer und die Franzosen. Die Insel war also ein viel umkämpftes Terrain.

Hat man auf seinem Spaziergang über die Insel die nördlichste Landspitze erreicht, stößt man auf das riesige Fort aus dem 16. Jahrhundert. Wiederholte Male hat es Angreifer abgewehrt. Die Holländer plünderten 1607 die Insel und zerstörten die Lehmstadt. Aber am Fort scheiterten sie. Auch ein späterer Versuch, die Portugiesen zu vertreiben, schlug fehl. Ähnlich erging es den Engländern und Franzosen. Tatsächlich wurde das Fort nie bezwungen.

Bröckelnde Mauern

Was Kanonenkugeln und anstürmende Soldaten nicht vermochten, gelang dem Zahn der Zeit. Heute bröckeln die Mauern, die Wohntrakte, Kasernen, Treppenaufgänge und der Offizierspalast verfallen, Dächer sind eingestürzt. Doch noch immer bietet die Festungsanlage einen imposanten Anblick.

An der äußersten Spitze des Forts steht die kleine Capela de Nossa Senhora de Baluarte. Von dieser wird behauptet, sie sei das älteste europäische Gebäude auf der gesamten südlichen Hemisphäre.

Erst in der Mitte des 18. Jahrhunderts hat sich Lissabon entschlossen, Portugiesisch-Ostafrika zu einer eigenständigen Kolonie zu machen. Vorher unterstand es Goa auf dem indischen Subkontinent. Der für Mosambik ernannte Gouverneur begann, auf der Ilha de Moçambique Pracht zu entfalten. Ermöglicht wurde dies durch die äußerst lukrativen Geschäfte der Portugiesen mit Sklaven, Gold und Elfenbein.

Erst im 19. Jahrhundert wurde der afrikanischen Bevölkerung erlaubt, sich auf der Insel niederzulassen. Die meisten Sklaven und Bediensteten hatten vorher auf dem nahen Festland ihre Bleibe, nur ganz wenige wohnten in Anbauten der Herrschaftshäuser. Bald schnellte die Einwohnerzahl von wenigen Hunderten auf 13.000 hoch.

Im makellos restaurierten Palácio de São Paulo, dem früheren Gouverneurspalast, ist das luxuriöse Leben von einst noch zu erahnen: feinstes Porzellan, Sänften für die Herrschaften, chinesische Möbel und kostbare Teppiche sind hier zu sehen. Ein raffiniertes Leitungssystem sammelte Regenwasser, das in eine Zisterne und einen Keller geleitet wurde und für die gesamte Trockenperiode reichte. Das System funktioniert heute noch.

Einige Paläste, Stadthäuser und Kirchen haben nicht nur einen frischen Anstrich bekommen, sondern wurden von Grund auf erneuert. Finanzielle Hilfe leistet die UNESCO, nachdem die Steinstadt der Insel 1992 in das kulturelle Welterbe aufgenommen worden ist. Man wandert als Besucher durch die Straßen und Gässchen, findet Spuren arabischer Ornamentik an manchen Gebäuden. Viele Bauwerke haben ihre alte Schönheit wiederbekommen. Doch es ist, als wäre das Leben aus der Steinstadt gewichen. Sie wirkt wie ein Museum.

Besucht man die Moschee der lebendigen islamischen Glaubensgemeinschaft und überblickt die Insel vom Minarett aus, wird deutlich, wie scharf die Grenze zur Lehmstadt verläuft. Sie ist das Wohnviertel der ärmeren Bevölkerungsteile. Hütte reiht sich dicht an Hütte – eine unvorstellbare Enge, kaum Grün, kaum Platz für einen Durchgang. Die Hüttenzeilen liegen unterhalb des Straßenniveaus.

In der Lehmstadt herrscht reges Treiben. Da ist eine Gruppe von Frauen unterwegs zur Moschee, dort bauen Händler ihre Marktstände an der Hauptstraße auf, am frühen Morgen, wenn die Fischerboote mit frischem Fang heimkehren, geht man zum Hafen hinunter. Am Abend sitzt man vor den Hütten, gekocht wird im Freien, das offene Feuer spendet etwas Licht.

Heute leben auf der Insel 7000 Menschen, einige vom Fischfang, andere vom Handel oder vom Tourismus, der aber nicht so recht anlaufen will. Die meisten Bewohner, besonders jene in der Lehmstadt, kommen nur schwer über die Runden.

Der Niedergang

Der Niedergang der Ilha de Moçambique kam sukzessive. Mit dem Aufblühen der Kapprovinz verlagerte sich das wirtschaftliche Geschehen der Region weiter in den Süden. Portugal reagierte und verlegte die Hauptstadt der Kolonie 1897 in die Stadt Lourenço Marques, heute Maputo genannt. In den 1930er Jahren verlor die Insel auch den Status einer Provinzhauptstadt an das aufstrebende Nampula. Und schließlich wurde auf dem Festland der Tiefseehafen Nacala ausgebaut, was der Ilha de Moçambique enormen wirtschaftlichen Schaden zufügte, von dem sie sich nicht mehr erholen konnte. Damit war die Zeit von Prachtentfaltung und Machtfülle für die kleine Insel im Indischen Ozean endgültig vergangen.

Brigitte Pilz lebt und arbeitet als freiberufliche Journalistin in Wien. Sie beschäftigt sich vor allem mit Themen der Entwicklungspolitik.

Freitag, 16. Dezember 2005 16:50:57

Lexikon



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