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Artikel aus dem EXTRA LexikonPrint this

„Traumstadt Wien" zeigt Pläne von Architekturstudenten

Brave Lehrlinge der Rebellen

Von Robert Schediwy

Bei der Aktion „Traumstadt Wien" wurde ab Herbst 1997 etwa 600 Wiener Architekturstudenten an drei Ausbildungsstätten (TU, Akademie der bildenden und der angewandten Kunst) Gelegenheit
gegeben, ihre „jungen Ideen" im Rahmen der vom Planungsstadtrat geförderten Aktion einzubringen. Die entsprechende Ausstellung im Museumsquartier (bis 20. Oktober 1998) und das dazu gestaltete
Katalogbuch illustrieren die Ergebnisse dieser verdienstvollen Initiative.

Als reale Orte, welche die konstruktiven Gedankenflüge anregen sollten, waren das Zentrum, der Karlsplatz, eine „Kulturmeile" (beispielsweise entlang des Wienflusses, ausgehend von der Urania), das
Umfeld Schönbrunns, der nördliche Donaukanal, der Handelskai, Praterstern und Nordbahnhofareal, Messegelände, die Rinderhalle St. Marx, das Umfeld der Gasometer, Schloß Neugebäude und das
Aspangbahnhofgelände sowie die Achse Wien·Bratislava vorgegeben. Auch zu den Residualkategorien „Archscape" und „Sites of Desire" gab es Arbeiten.

Durchaus spannend ist es bereits, die Planungsvorgaben der entsprechenden Institutsleitungen zu lesen. So stellt Rüdiger Lainer das Programm „vom Restfeld zum dichten Ort" und fordert für den
Wienfluß „entgegen zur Zeit kursierenden Vorschlägen von kleingärtnerischem Maßstab und Gedankengut eine großstädtische Lösung à la Canal St. Martin" (mit stufenweiser Aufstauung). Wolf Prix
schwärmt von Transistoren als „Stadtverstärkern", William Alsop gibt vor, ein „großer unbekannter Vogel nistet sich unbemerkt im Stephansdom ein. Sein Kot ist besonders aggressiv und greift
die Substanz extrem an, 500 m² sind fast unrettbar verschissen".

Der durch die Entfernung entstandene Raum werde verwendet, um die Rettungsaktion zu finanzieren.

Helmut Richter beklagt die „selbstgefällige Distanz zu dem, was außerhalb des Landes passiert", bezweifelt die „Höhe des behaupteten kulturellen Niveaus" und fordert: „Es geht nicht um
kostspielige Spielereien, wie Gesimse, Giebel, Sockel, Mode usw., damit ein Gebäude für die Geschmackstyrannen besser verkauft werden kann, sondern um Losungen für die Umwelt."

Die Studenten (unter ihnen etliche Träger „bekannter Namen", bemühen sich brav, das vorgegebene Programm zu erfüllen, auch was die „Pflicht zur Provokation" betrifft. Natürlich werden da Techno-
Hochhäuser im Herzen Wiens konzipiert, eine Fotomontage schockiert mit einem verglasten Steg durch den Prunksaal von Schloß Schönbrunn, der Nordturm des Stephansdoms wird mit einer Stahl-Glas-
Schlange „erweitert" und die Seitenfront des Domes durch einen ähnlichen „Zubau" ergänzt. (Motto: „Das Monument wird neu und im Detail lesbar", an die Stelle eines „entfremdenden
herkömmlichen Museums" komme ein „unübersehbares, Neugier weckendes Besuchsgerüst.")

Jägerleinenträger mögen mit Abscheu den Kopf schütteln, aber in Wahrheit ist hier ja keine kraftvolle Rebellion der Jungen zu konstatieren, sondern eine durchaus brave Sozialisation im Insidermilieu,
wobei als Motiv von außen hinzukommt:

„Um seine Unverwechselbarkeit zu bewahren, aber auch, um sie noch zu verstärken, braucht Wien aufregende Architektur." (Stadtrat Görg in seiner Einleitung.)

Die würde sicher nicht die „heiligsten Orte des Tourismus" angreifen, aber mag gelegentlich im Umfeld ansetzen, und dafür kann man schon ein paar „junge Ideen" brauchen.

Auch wenn es bei vielen der Entwürfe kräftig „holzbauert", „prixelt" oder „richtert", etliches ist recht interessant geraten. Auch die wolkige Architektenpoesie beherrschen die Adepten (trotz mancher
Fehler, vor allem im Englischen) recht gut: („Der Verkehrsknoten ist nicht mehr nur der Weg, sondern wird selbst zum Ziel, Infrastruktur wird als Ereignis erlebt", „entwurfselemente: weite, sich
treiben lassen, unbegrenzte möglicheiten" usw.)

Wie üblich, kommen aber dabei die Bedürfnisse der Benützer von Architektur völlig zu kurz. Es gibt unter den Projekten etwa etliche enorm lange erhöhte Fußgängerstege (man könnte aber etwa aus den
Erfahrungen von Krischanitzs provisorischer Kunsthalle wissen, daß derlei vom Publikum nicht angenommen wird und daher völlig unfunktional ist). Ein Entwurf polemisiert gegen den Stadtpark. („In
diesem Fall entspricht die Stadt dem Leben und der Park dem Tod.") Als Alternative werden „vertikale Parks" mit Bäumen auf Hochhausterrassen angeboten. Da würden sich aber die Mütter mit
Kinderwagen und die tauberl- und ratzerlfütternden Pensionisten nicht sehr freuen . . .

Auch einer der ganz wenigen „konventionellen" Entwürfe (von Luciano Motta, einem Erasmus-Stipendiaten aus Venedig) zeigt sich wenig benützerfreundlich, indem er den bisherigen umstrittenen, aber
intensiv genützten Resselpark durch einen öden „Plattensee" in der Art der Aufmarschplätze totalitärer Regimes ersetzt.

Fazit: Hier liefern brave „Rebellenlehrlinge" ihre Prüfungsarbeiten ab. Ob sie auf diese Weise auf die harte Realität des wirklichen Baugeschäfts vorbereitet werden, steht allerdings in Frage . . .

Freitag, 16. Oktober 1998 00:00:00
Update: Dienstag, 01. März 2005 16:53:00

Lexikon



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