19.03.2010, 09:25
Renditehit: Wie man mit Asche Asche macht
Bei einer morbiden Spekulation heuern in den USA Investoren todkranke Menschen an, damit diese Unternehmensanleihen mit einer Todesklausel kaufen. Denn bei Tod winkt die sofortige Rückzahlung.
von Sebastian Ertinger
Ein ganz und gar barmherziges Anliegen haben die Schwestern der Nächstenliebe gehegt. Die Nonnen gründeten 1879 eines der ersten Pflegeheime für Sterbende, das "Our Lady's Hospice for the Care of the Dying" im irischen Dublin. In dem Hospiz gaben sie sterbenden Menschen Zuspruch, linderten die Schmerzen von Todkranken und verhalfen ihnen zu einem Ableben in Würde.
"Survivors Option:" Todkranke kaufen für US-Investoren Anleihen
Auch in den USA treibt es immer mehr Menschen in die Nähe Todgeweihter. Allerdings nicht aus selbstlosen Motiven: Eine Handvoll ausgefuchster Zocker rekrutiert todkranke Menschen, die für sie Anleihen kaufen. Erliegen die siechenden Käufer dann ihrem Leiden, erben die Investoren den Bond und reichen ihn vor dem eigentlichen Fälligkeitstermin an den Emittenten zurück - und kassieren den Nennwert des Bonds. Lag der Ankaufpreis darunter, schaltet der Tod des Halters den Rendite-Turbo zu - die Differenz sackt der Erbe ein.
Eine Klausel in den Wertpapierprospekten einiger Anleihen von US-Unternehmen ermöglicht dieses makabere Spiel, das die Praxis des Ankaufs von Lebensversicherungen auf den Anleihemarkt überträgt: Die sogenannte "Survivors Option" zielt eigentlich auf ältere Ehepaare. Sie soll ihnen den Kauf einer Anleihe schmackhaft machen.
Denn stirbt ein Partner, bevor der Bond ausläuft, kann der andere das Papier versilbern und ist finanziell versorgt. Denn der "Überlebende" kassiert den vollen Rückzahlungswert des Bonds ein. Liegt der Nennwert eines Bonds mit Todesklausel bei 100 $ und der Marktpreis kurz vor dem Tod des Halters bei 80 $, bringt das Ableben so eine Sofortrendite von 25 Prozent - für diese Rendite müsste ein Investor mit klassischen Anleihen beim derzeitigen Zinsniveau sechs Jahre anlegen.
Die Klausel für den Fall des Ablebens - die auch makaber "Death put" genannt wird - bauen jedoch mitnichten windige Firmen in ihre Regularien ein. Großkonzerne wie die American International Group (
AIG ), die
Bank of America ,
Caterpillar oder
General Electric sprechen mit dieser Option auch gezielt Privatanleger an.
Vom "Wall Street Journal" befragte US-Anwälte sehen keine Handhabe gegen die gezielte Spekulation mit den in Deutschland unbekannten Papieren. "Da steht nichts in den üblichen Prospekten, was solche Geschäfte verbieten würde", sagt etwa der auf Bondemissionen spezialisierte Rechtsanwalt Edward Best von der Kanzlei Mayer Brown in Chicago dem Blatt.
Teil 2: Makaberes Spiel durch Finanzkrise befeuert
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Aus der FTD vom 19.03.2010
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