13.04.2010, 10:31
Agenda: Hochfrequenzhandel - schnell und unberechenbar
Neue elektronische Handelssysteme revolutionieren den Finanzmarkt: Extrem aggressiv, äußerst erfolgreich - und für Außenstehende kaum nachzuvollziehen. Die Aufsichtsbehörden sind alarmiert und suchen nach Wegen, die Händler zu regulieren.
von Sebastian Bräuer, Red Bank
und Titus Kroder, London
Der Handelstag ist schlecht, aber Manoj Narang erwähnt das eher beiläufig; kein Zetern, keine Hektik, denn ändern kann er ja doch nichts. "Manchmal funktioniert die Strategie, manchmal funktioniert sie nicht", sagt der Chef von Tradeworx. "In der Regel findest du dann keinen Ausweg." Nur ein bisschen vergrätzt klingt er. Wer verliert schon gern Millionen?
Gewinnen, verlieren - das läuft in Narangs Brokerfirma auch ohne ihn reibungslos. Tradeworx verdient Geld mit Hochfrequenzhandel; mit vollautomatischen Handelsprogrammen, die über komplexe Algorithmen Handelsschwankungen aufspüren - und in Sekundenbruchteilen mit Aktientransfers reagieren. Gier? Angst? Emotionen als Handelsmotiv spielen keine Rolle mehr, menschliches Eingreifen ist beinahe überflüssig.
Tradeworx-Chef Manoj Narang: "Du könntest das System laufen lassen und an den Strand gehen"
"Du könntest das System laufen lassen und an den Strand gehen", sagt Narang. Er sitzt in Jeans und Sweatshirt in einem unterkühlten Besprechungsraum, im Großraumbüro um die Ecke beobachten seine Händler die Geldströme an riesigen Bildschirmen, hier und da passen sie etwas an. Es geht ruhig zu.
Menschen wie Narang und seine Mitarbeiter haben die US-Börsenaufsicht SEC in Alarmbereitschaft versetzt. Ihre Computer jagen Milliarden um den Globus - in unfassbarer Geschwindigkeit. Die modernsten Server werden bald Orders in Picosekunden absetzen können, das ist der billionste Teil einer Sekunde, nicht einmal ein Wimpernschlag. Ein Börsenhändler aus Fleisch und Blut schafft fünf Orders pro Minute. Wenn er schnell ist.
Hochfrequenzhandel ist längst keine Nische mehr. 43 Prozent des Umsatzes mit US-Aktien werden so bestritten, in Europa wechseln etwa 30 Prozent der Aktien ihre Besitzer über Hochgeschwindigkeitsnetze. Doch mit dem Volumen wächst auch die Verunsicherung. Vor einer Blase, einer erneuten Erschütterung der Finanzmärkte. Regulierungsbehörden suchen eifrig nach Methoden, mit denen sie das Turbohandelssystem zähmen können.
Von der wilden Wall-Street-Welt ist Tradeworx weit weg - zumindest räumlich. Der Broker residiert im Bundesstaat New Jersey. Red Bank heißt das Örtchen am Meer mit knapp 12.000 Einwohnern. Unten, an einem Altbau mitten in einer Einkaufsstraße ein schlichtes Klingelschild, ein Stockwerk höher helle, ordentliche Büros.
Teil 2: 35 Mitarbeiter - alles junge, frische Gesichter
-
13.04.2010
© 2010 Financial Times Deutschland