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Ess-Störung: Durch dick und dünn

Immer mehr Heranwachsende haben Probleme mit dem Essen. Jetzt gibt es jugendliche Ernährungs-Coaches, die ihre Mitschüler beraten.

Ernährungscoaches Die Peer- Ernährungscoaches Ulrich, Barbara und Divya aus Wien DruckenSendenLeserbrief
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Essen als Lebensinhalt: Für die Dicken, indem sie sich ständig etwas in den Mund schieben, ob sie Hunger haben oder nicht. Für die Magersüchtigen, indem sie sich alles versagen und Hungern zur Leidenschaft machen.

Ess-Störungen nehmen rasant zu. Betroffen sind vor allem junge Menschen. "Die Jüngsten, die zu uns kommen, sind erst zehn. Manche hören einfach auf zu essen, weil sie sich zu dick fühlen", erklärt Katrin Draxl, Psychologin bei sowhat, dem Beratungs- und Informationszentrum für Essstörungen in Wien 15. Um an Kinder und Jugendliche besser heranzukommen und Aufklärungs- sowie Präventionsarbeit zu leisten, hat sowhat ein Schulprojekt entwickelt. Schüler und Schülerinnen ab 14 können sich zu Peer-Ernährungs-Coaches (PEC) ausbilden lassen und direkt in ihren Klassen aktiv werden. Inzwischen gibt es 21 Absolventen (16 Mädchen, fünf Burschen) des Lehrgangs, drei davon stellt der KURIER hier vor.

"Wir wissen jetzt, welche Symptome auf Störungen hinweisen und wie wir Mitschüler ansprechen sollen", erklärt der 15-jährige Ulrich, Besucher der Hertha-Firnberg-Schule für wirtschaftliche Berufe. "Ich versuche, einer Mitschülerin Mut zu machen. Sie ist magersüchtig und schon seit Monaten im Spital", erzählt Barbara, 17, die ebenfalls in die Firnberg-Schule geht. Auch die 14-jährige Divya vom Gymnasium Klostergasse in Wien 18., wendet das neuerworbene Wissen bereits praktisch an. "Bei Magersüchtigen, aber auch bei Übergewichtigen darf man nur eines nicht: Sie auf das Essen ansprechen. Das hören sie ohnehin ständig von Erwachsenen. Man muss sie auf andere Gedanken bringen", so Divya.

Der Auftrag der PECler lautet, sensibel auf Mitschüler zuzugehen, wenn diese Hilfe brauchen. "Die Coaches sollen in den eigenen Schulen in ihrer Funktion wahrgenommen und darauf angesprochen werden. Jugendliche können mit einem kompetenten Mitschüler ihrer Altersgruppe reden", sagt Draxl.

Schönheitsnorm

Eine tolle Initiative", sagt KURIER-Family-Coach Martina Leibovici-Mühlberger. "Denn besonders als Teenager hört man lieber auf Gleichaltrige als auf besorgte Erwachsene." Es sei wichtig, in puncto Ernährung ein entsprechendes Bewusstsein zu entwickeln. "Unsere Gesellschaft unterwirft sich einem fragwürdigen und utopischen Körperschema-Diktat", meint der Family-Coach. "Dadurch haben wir einen Anstieg bei den extrem Dünnen und bei den extrem Dicken. Der Effekt dieser strengen Schönheitsnorm sind Randgruppen."
Für die Auslösung von Essstörungen gibt es viele Faktoren. Es können Ängste, Konflikte, Einsamkeit, mangelndes Selbstbewusstsein oder Veranlagung sein.

Bei den krankhaft Dicken fehlt der Bezug zur Menge. Gegessen werden Fertigmenüs, Fast Food, Fett. Rund um die Uhr. "Es fehlt meist an familiärer Esskultur, wodurch diesen Kindern keine Selbstregulation und kein Selbstmanagement vermittelt wurde." Bei den krankhaft Dünnen können es neben den oben erwähnten Problemen auch die Mütter sein, die das falsche Körperschema weitergeben, "weil sie selber den Schlankheitswahn leben", sagt Leibovici-Mühlberger.


Folgeschäden

Essstörungen können schwere Folgeerkrankungen nach sich ziehen. Extremes Übergewicht führt früh zu Altersleiden wie Bluthochdruck, Diabetes, Herzinfarkt, Schlaganfall oder Gelenksschäden. Extremes Untergewicht lässt ebenfalls vorzeitig altern. Zusätzlich kommt es zu Zahn- und Haarausfall sowie Unfruchtbarkeit. Und die Gehirnmasse nimmt ab. Daraus resultieren Konzentrationsschwäche und Persönlichkeitsveränderungen.

Die jungen Coaches seien keine Ernährungswissenschaftler, aber sie können Fakten vermitteln. Etwa, dass man am Tag nicht fünf Äpfel essen müsse, sondern dass es getrost auch Schokolade sein dürfe. Auf die Menge komme es eben an. Katrin Draxl: "Damit können sie die Körper- und Selbstwahrnehmung ihrer Mitschüler fördern, die dann das Gespür bekommen, was sie brauchen und was nicht - und ein entsprechendes Essverhalten entwickeln können."

Family-Coach-Telefonsprechstunde: Montag, 13 - 15 Uhr, 01/526 57 60.

Artikel vom 24.01.2010 11:46 | KURIER | Ingrid Edelbacher


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