Appenzell: 13. April 2010, 16:35

Gleitschirmflieger am Seil: «Ich hatte keine Panik»

Christoph Huber, Obmann der Rettungskolonne Appenzell Innerrhoden, rettete den Aargauer, der sich am Samstag mit seinem Gleitschirm in einem Seil der Schäfler-Transportbahn verfangen hatte. Bild: Rega

WEISSBAD. Einige Tage nachdem sich ein 32-Jähriger mit seinem Gleitschirm im Tragseil der Transportbahn auf den Schäfler verfangen hat, spricht er über die Stunden am Seil. Bereits am Tag darauf traute sich der Aargauer wieder in die Luft.

DIANA BULA

Samstag, 15 Uhr. Ein Aargauer fliegt mit seinem Gleitschirm von der Ebenalp talwärts. Er geniesst die Aussicht, bewundert die Felsen. «Die sind in dieser Gegend wirklich imposant», sagt der Aargauer. Doch dann erblickt der Sportler plötzlich das Seil der Schäfler-Transportbahn vor sich. Mit einer scharfen Kurve versucht er, daran vorbeizukommen. Vergeblich: Der Schirm wickelt sich um das Seil, der 32-Jährige bleibt hundert Meter über Boden hängen.

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Vor eineinhalb Jahren hatte der Informatikingenieur begonnen, sich für den Gleitschirmsport zu interessieren. Seit sechs Monaten besitzt er das Brevet. Im Vorfeld des Flugs von der Ebenalp studierte der Sportler wie üblich die Karte der Region. Dabei fiel ihm auch das Seil der Transportbahn auf. «Ich habe während des Flugs danach Ausschau gehalten, es letztlich aber doch zu spät bemerkt», sagt er. Es habe sich zu wenig stark vom Hintergrund abgehoben.

Mobiltelefon und Notschirm
Der in Notlage geratene Aargauer zückte sein Mobiltelefon und alarmierte die Rega. «Danach lehnte ich stark nach links, stark nach rechts, erprobte, wie gut der Gleitschirm hält. Der Stoff gab nicht nach. Ich fühlte mich deshalb relativ sicher», erzählt der Sportler und fügt hinzu: «Den Griff des Notschirms liess ich aber nicht los.»

Auch bei Benjamin Huber, Obmann der Rettungskolonne Appenzell Innerrhoden, ging ein Anruf ein. «Mein Stellvertreter befand sich auf Skitour und entdeckte den feststeckenden Gleitschirmflieger», sagt er. Die aufgebotene Rettungsflugwacht transportierte Stahlseilwinde und Kabelrettungsgerät auf den Schäfler. An letzterem befestigt, näherte sich Huber dem Aargauer Sportler. Über Telefon teilten die Einsatzkräfte dem Gleitschirmpilot mit, wie die Rettungsaktion fortschreitet.

Eine Rettung per Helikopter war laut Huber nicht möglich. «Der Windstrom, den die Rotorblätter verursachen, hätte den Schirm wieder mit Luft füllen und ihn abstürzen lassen können», sagt er.

Nach 3,5 Stunden gerettet
Der Gleitschirmsportler vertraute den Einsatzkräften. «Ich behielt trotz misslicher Lage einen kühlen Kopf und geriet nicht in Panik», so der Aargauer. Er sei davon ausgegangen, dass der Notschirm ihn im Notfall sicher zu Boden gleiten lasse. «Im Nachhinein bin ich nicht mehr überzeugt, dass er sich auf die kurze Distanz von 100 Metern geöffnet hätte», sagt der 32-Jährige und meint: «Da wirkte wohl eine Art psychischer Schutzmechanismus.»

Mit seinem Leben hatte der Sportler zu keiner Zeit abgeschlossen. «Ich habe mir lediglich überlegt, ob ich die Kurve wohl besser auf die andere Seite genommen hätte», so der Aargauer. Schliesslich nahte die Rettung: Benjamin Huber seilte den Gleitschirmpilot ab. Nach rund 3,5 Stunden hatte dieser wieder festen Boden unter den Füssen. Bis das Rettungsteam zurück im Depot war, vergingen weitere 2,5 Stunden: Huber hangelte am Seil die 550 Meter lange Strecke zurück, das Material musste verräumt werden.

Benjamin Huber spricht von einem «anspruchsvollen Einsatz». «Ich habe mir meinen Samstag nicht so lebhaft vorgestellt», meint er schmunzelnd. Hat er dem Sportler nach der Rettung eine Standpauke gehalten? Huber: «Nein, das ist nicht meine Aufgabe. Ich habe die Leute nur in Sicherheit zu bringen.»

Unverletzt, aber kalte Füsse
Verletzungen trug der abenteuerlustige Aargauer keine davon. «Der Sitzgurt eines Gleitschirms ist bequem. Ich hatte darum auch keine Druckstellen, obwohl ich schräg in der Vorrichtung hing», sagt er. Lediglich etwas gefroren habe er mit der Zeit – besonders an den Füssen. Bereits am nächsten Tag aber wagte sich der Aargauer mit seinen Kollegen am Kronberg wieder in die Luft. Diesmal verlief der Flug glimpflich. «In Zukunft werde ich mir alle Seile gut einprägen», sagt er.

Trotz Coolness in luftiger Höhe: Seine Freundin informierte der Sportler erst am Sonntagabend über den Vorfall von Samstag. Sie reagierte aus Sorge um ihren Partner emotional auf die Nachricht. Der Gleitschirmpilot: «Das wäre dann doch etwas zu viel für mich gewesen.»





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1 Kommentare Beitrag kommentieren
von till
13.04.2010 18:33 Uhr

Kompliment und Tipp an Herrn Huber

Gratuliere, Herr Huber, für Ihren gelungenen Einsatz. Aber lassen Sie doch das nächste mal solche Dummköpfe noch eine Nacht hängen, soll gut für die Gehirndurchblutung sein. Möglich, dass diese dadurch zwar nicht klüger aber vielleicht nachdenklicher werden.


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