Ostschweiz: 19. April 2010, 01:04

Mehr über Graf Talto

Freigelegte Überreste des römischen Kastells in Arbon. Bild: Max Eichenberger

Der Rorschacher Historiker Max Schär hält Graf Talto mit guten Gründen für den Mann im St. Galler Sarkophag. Im Folgenden führt er aus, was man über diesen Mann wissen kann – beziehungsweise, was sich aus den Quellen über ihn schliessen lässt.

MAX SCHÄR

ST. GALLEN. Graf Talto gehörte ohne Zweifel zur führenden Adelsschicht Alemanniens. Wie sein Verwandter Willibert und seine zum Teil namentlich bekannten Nachkommen war er Grundbesitzer. Begütert war er offensichtlich südlich des Bodensees und möglicherweise auch nördlich davon. Auf seinem Grund und Boden hat Gallus gesiedelt. Den Siedlungsplatz hat er Gallus später geschenkt. St. Gallen ist also auf Boden entstanden, der früher Talto und seiner Familie gehörte.

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Vom Schatzmeister…

Der Mönch Ratpert spricht davon, dass Talto Kämmerer (camararius) des Königs Dagobert gewesen sei. Er war also offenbar Schatzmeister (thesaurarius). Der Schatz, den es zu verwalten galt, kam nicht etwa durch Steuern zustande, sondern speiste sich aus Kriegsbeute und königlichen Münzstätten. Er war für den König besonders wichtig. Denn damit wurden die Anhänger und Gefolgsleute entlöhnt.

Nicht ganz auszuschliessen ist, dass Talto (auch) Kämmerer im ursprünglichen Sinne des Wortes war (cubicularius). Das heisst eine Art Kammerdiener, der dem Prinzen oder dem König persönliche Dienste zu leisten hatte. Sicher ist, dass Talto auf jeden Fall ein Vertrauensmann Dagoberts gewesen sein muss.

…zum Grafen

Nachdem sich Talto als Kämmerer bewährt hatte, muss ihn Dagobert zum Grafen (comes) gemacht haben, wahrscheinlich zu einem der ersten merowingischen Grafen überhaupt. Denn höchstwahrscheinlich hat Dagobert das Grafenamt erst eigentlich eingeführt. Als Graf war Talto Funktionsträger. Worin seine Funktion genau bestand, ist heute unbekannt. Wahrscheinlich wird er in dem ihm anvertrauten Amtsbezirk das Königsgut verwaltet haben. Auch Richter wird er gewesen sein.

Wie gross Taltos Amtsbezirk gewesen ist, lässt sich nicht sagen. Sicher gehörte der Arbongau dazu, in dem der Siedlungsort des Gallus und seiner Mitmönche lag. Es gibt aber gute Gründe für die Annahme, dass der Amtsbereich Taltos noch viel grösser war. Vielleicht gehörte der ganze Thurgau samt Zürichgau dazu, also das gesamte Gebiet zwischen Bodensee und Zürichsee.

Kastellkommandant von Arbon

In den Gallusviten ist erstaunlicherweise von Talto nicht die Rede, hingegen von einem namentlich nicht genannten Arboner Tribun beziehungsweise Präfekten. In diesem darf man unbedenklich den Kastellkommandanten (praefectus castrorum) der einst römischen, dann merowingischen Befestigungsanlage sehen. Talto und den Kastellkommandanten hat man bisher fast allgemein als zwei verschiedene Personen betrachtet. Aufgrund sprachlicher Beobachtungen bin ich aber zur Überzeugung gelangt, dass der namenlose Arboner Präfekt mit Talto identisch sein muss.

Das heisst, Talto war nicht nur Graf, sondern befehligte auch – direkt oder vertreten durch einen Beauftragten (vicarius) – die Arboner Garnison. Diese mag aus ein paar Dutzend einheimischen Soldaten bestanden haben, die in und um Arbon den Wachdienst zu leisten hatten. Dass die Mannschaft kaum grösser war, geht aus der Tatsache hervor, dass sie den wahrscheinlich alemannischen Plünderungszug um 680 nicht zu verhindern vermochte.

Siedlung mit Soldaten gebaut

Aus einem sprachlichen Zusatz des Gallusbiographen Walahfrid kann geschlossen werden, dass es anscheinend die Arboner Soldaten waren, die Gallus halfen, seine Siedlung zu errichten. Sie bestand aus einer Kirche, einer ganzen Anzahl von Wohnhütten und verschiedenen Wirtschaftsgebäuden. Wie die jüngsten Grabungen in der Marktgasse ergaben, dehnte sich die Siedlung offensichtlich weiter aus, als man bisher angenommen hat.

Die Anweisung zum Bau und zum Ausbau der Eremitenanlage hat Talto gegeben. Er war also nicht nur ein mächtiger, er war auch ein hilfreicher Mann. Ohne ihn ist die Entstehung St. Gallens kaum denkbar. Insofern mag man ihm die Bestattung in einem Sarkophag wohl gönnen. Seine sterblichen Überreste und auch der Sarkophag bergen indes noch viele Geheimnisse . Auf den Fortgang der Forschung darf man gespannt sein.

Informationen in: Max Schär, Graf Talto und der Arboner Präfekt – Machtträger im Umfeld des heiligen Gallus (Schweizerische Zeitschrift für Religions- und Kulturgeschichte 2009).


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