Schweiz: 09. April 2010, 01:02

Mit Dalai Lama, ohne Calmy-Rey

Der Dalai Lama anlässlich seines Besuchs im klösterlichen Tibetinstitut in Rikon im Tösstal. Bild: ky/Steffen Schmidt
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Vor rund 50 Jahren kam Lobsang Dalu in die Schweiz, zusammen mit 1000 anderen Tibeter-Kindern. Zur gestrigen Gedenkfeier erschien zwar der Dalai Lama, aber kein Bundesrat. Ein Zeichen von Schwäche, findet Dalu.

Florian RIESEN

zürich. Ein herzhaftes, fröhliches Lachen war das erste, das der Dalai Lama beim Betreten des Saals von sich gab. Seine Heiligkeit war gestern nach Zürich gekommen, um am Festakt «50 Jahre Tibeter in der Schweiz – Merci Schwiiz» teilzunehmen. Die Schweiz hatte im Jahr 1960 als erstes Land der Welt beschlossen, Flüchtlinge aus Tibet aufzunehmen, die vor der Verfolgung durch die Chinesen nach dem Volksaufstand aus ihrer Heimat nach Indien geflohen waren.

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Zunächst kamen 1000 Kinder; unterdessen leben rund 4000 Tibeter hier. Der Dalai Lama schilderte in seiner Ansprache die misslichen Bedingungen, unter denen die Kinder in Indien – ohne Eltern, schuftend und ohne medizinische Versorgung – zu leben hatten. «Das Wichtigste war damals, das Überleben dieser Kinder zu sichern.»

Schnee fast wie in Tibet

Lobsang Dalu ist eines der 1000 tibetischen Kinder, die damals in die Schweiz kamen. Für den heute 57-Jährigen hatte die Feier im Swissôtel in Oerlikon darum eine ganz besondere Bedeutung. Lobsang erinnert sich noch ganz genau, wie er damals als 13-Jähriger mit einer Gruppe von Kindern am 24. Januar 1964 in der Schweiz landete. «Es war eine schöne Ankunft, denn es lag Schnee. Das erinnerte mich an meine Heimat in Tibet.» Im indischen Exil in Dharamsala hingegen habe es nie Schnee gegeben.

Lobsang lebte darauf einige Jahre im Pestalozzi-Kinderdorf in Trogen, wo er auch eine Erziehung in tibetischer Kultur geniessen durfte. Das sei sehr wichtig für die Entwicklung seiner Identität gewesen, erklärt er. «Ich fühle mich heute nach wie vor als Tibeter. Die Schweiz ist jedoch zu meiner zweiten Heimat geworden.» Und schmunzelnd fügt er an: «Ich habe einen Schweizer Pass und bin ein Appenzeller.» Lobsang ist mit einer tibetischen Frau verheiratet, wohnt in der Stadt Zürich im Kreis 3 und arbeitet in einem Altersheim als Krankenpfleger.

Wiedersehen mit der Mutter

Einmal ist Lobsang seit seiner Flucht nach Tibet zurückgekehrt. Es sind gemischte Gefühle, die ihn an diesen Besuch erinnern. Einerseits traf er dort nach einer 30jährigen Trennung zum ersten Mal seine Mutter. Andererseits war es für ihn deprimierend, die Unterdrückung und die Zerstörung seiner Kultur durch die Chinesen aus nächster Nähe zu erfahren. «Ich habe viele Klöster gesehen, die im Namen des Kommunismus zerstört worden sind. Zudem erzählte man mir, dass mein Onkel umgebracht worden ist. » Für das Überleben der tibetischen Kultur hat sich Lobsang in der Schweiz stets eingesetzt. So hat er sich beispielsweise mehrere Jahre in einer tibetischen Kindergruppe im Pestalozzi-Kinderdorf engagiert oder war bei der Gründung des tibetischen Jugendvereins dabei. In guter Erinnerung ist ihm ausserdem die Demonstration tibetischer Aktivisten auf dem Bundesplatz im Jahr 1999 beim Besuch des chinesischen Präsidenten Jiang Zemin, an der er selbst teilgenommen hat. Nachdem Bundespräsidentin Ruth Dreifuss damals zudem die Lage in Tibet öffentlich thematisierte, kam es zum Eclat: «Die Schweiz hat einen Freund verloren», sagte der chinesische Präsident wutentbrannt.

Von Seiten der Behörden nahmen an dem Festakt gestern die Zürcher Stadtpräsidentin Corinne Mauch und zahlreiche Nationalräte aus der Parlamentariergruppe Tibet–Schweiz teil.

Enttäuscht vom Bundesrat

Aus dem Bundesrat war niemand anwesend. Man habe dafür keine Zeit, hatte sich Aussenministerin Micheline Calmy-Rey bereits vor einigen Wochen entschuldigen lassen.

Lobsang hat dafür absolut kein Verständnis: Die Demokratie habe in der Schweiz eine lange Tradition. Freiheit und Menschenrechte seien hier wichtig, erklärt er. «Dass sich der Bundesrat nun von China diktieren lässt, wen sie treffen darf und wen nicht, schadet dem Ansehen der Schweiz in der ganzen Welt.»



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1 Kommentare Beitrag kommentieren
von bluesharper
08.04.2010 23:50 Uhr

Kein Bundesrat

Ist ja klar. Lieber kuschen, weil's den chinesischen Imperatoren nicht gefällt, und es jedem Halunken recht machen wollen, damit die Kohle stimmt. Wo bleibt unser Format?


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