Thurgau: 16. April 2010, 01:04

Eine Zeitung für den Thurgau

Die Thurgauer Zeitung wechselt ihren Besitzer – auch das Hauptgebäude wurde verkauft. Bild: Reto Martin

Die Nachricht von der Übernahme der Thurgauer Zeitung durch die NZZ-Mediengruppe hat im Kanton Thurgau unterschiedliche Reaktionen ausgelöst. Neben Bedauern über Schwund der Meinungsvielfalt gibt es auch optimistische Stimmen.

Stefan Borkert/Kaspar Enz

Arbon. Die Nachricht, dass es ab Januar 2011 nur noch eine Tageszeitung für den ganzen Kanton Thurgau geben wird, hat im Kanton überrascht. So äussert sich spontan Walter Marty (Parteipräsident, SVP): Es ist erstaunlich, dass nach so kurzer Zeit wiederum ein Besitzerwechsel stattfindet. Die Tamedia hatte ja den Zuschlag vor Jahren erhalten und nicht die NZZ. Was die wirklichen Gründe für diesen Schritt sind, kann noch nicht gesagt werden. Es ist zu hoffen, dass der Kanton in der neuen Zeitung entsprechend berücksichtigt wird.

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Es ist aber bekannt, dass das Tagblatt im Thurgau schwer Fuss fassen konnte, und es muss fast davon ausgegangen werden, dass nach Einführung einer Einheitszeitung weitere Leser verlorengehen.

Toni Schönenberger (Chef, UBS-Management-Zentrum Wolfsberg): Die Fusion ist ein logischer Schritt in der aktuellen Situation, die nicht nur eine konjunkturelle, sondern auch eine grundsätzliche Herausforderung für die Printmedien darstellt.

Bruno Lüscher (Präsident FDP Thurgau): Es ist zu früh für eine Spekulation. Ich befürchte allerdings, dass die Berichterstattung im Thurgau für den Thurgau und insbesondere seine wichtigen Regionen eher zu den Verlierern gehören wird. Insbesondere die Regionen und die Gemeinden werden noch mehr an Gewicht in der Zeitung verlieren.

Heinz Herzog (Präsident Thurgauer Gewerkschaftsbund): Durch die Fusion werden Stellen verschwinden, und es gibt eine Gewinnoptimierung auf dem Buckel der Angestellten. Journalistisch verschwinden verschiedene Meinungen, und der mediale Einheitsbrei in der Ostschweiz wird noch grösser. Die grossen Versprechungen, die die Herren aus Zürich machten bei der seinerzeitigen Übernahme der Thurgauer Zeitung, entpuppen sich heute als leere Worthülsen.

Martin Aebersold (Vizepräsident EVP Thurgau): Völlig überraschend erfuhr ich heute morgen vom Printmedientausch. Die Printmedienkonzentration im Kanton Thurgau ist für mich eine Vielfaltverarmung. Regionen leben von ihrer Identität. Ich erhoffe mir weiterhin eine regional verankerte Berichterstattung. Ein Stellenabbau scheint unvermeidlich, was ich ebenfalls zutiefst bedaure. Der Kanton verliert viel.

Daniel Wittwer (Präsident EDU Thurgau): Ich habe Verständnis dafür, dass auch die Medien im hartumkämpften Markt nach effizienteren Lösungen suchen. Leider muss man bei diesem Tauschgeschäft davon ausgehen, dass es sich bei beiden Partnern nur noch um die Gewinnmaximierung handelt. Dass in der Ostschweiz nur noch ein grosses Medienunternehmen für die Tageszeitung verantwortlich ist, muss als grosser Verlust gewertet werden. Es bleibt zu hoffen, dass der Thurgau bald wieder zu einer eigenen Zeitung, zur echten Thurgauer Zeitung, kommt.

Carmen Haag (Fraktionspräsidentin CVP Thurgau): Die Konzentration der Medien lässt sich nicht aufhalten. Ich hoffe, dass der Stellenabbau so gering wie möglich bleibt. Ich freue mich auch auf die neue Zeitung im Thurgau. Ein Tagblatt für den ganzen Kanton finde ich nicht schlecht.

Klemenz Somm (Fraktionspräsident Grüne Thurgau): Daran kann eigentlich niemand Freude haben. Die Fusion bedeutet eine Verarmung der Medienlandschaft. Man ist auf Gedeih und Verderb auf ein Medium angewiesen. Es ist aber auch eine grosse Verantwortung für die Zeitung, neutral und umfassend zu berichten.

Andreas Binswanger (Präsident Verband Thurgauer Landwirtschaft): Ich bin überrascht und nicht erfreut. Ich sehe aber auch einen Hoffnungsschimmer, dass man dann im Mittelthurgau auch etwas vom Oberthurgau erfährt und der ganze Thurgau abgebildet wird. Ich hoffe, dass auch die ländlichen Stimmen gehört werden.

Andreas Netzle (Stadtammann Kreuzlingen): Mit dem Verkauf an die NZZ und das Tagblatt entsteht jetzt immerhin wieder eine Zeitung aus einem Guss. Erfolg wird die neue Zeitung für den Thurgau aber nur dann haben, wenn sie klar auf die regionale Berichterstattung setzt. Diesen Sinn für das Regionale hatte die Tamedia nie. Für sie war die TZ eine Handelsware, ein blosses Tauschobjekt – was sich jetzt bestätigt hat.

Peter Schütz (Präsident Gewerbeverband, FDP): Was die Tamedia versprochen hat, als sie die Thurgauer Zeitung übernahm – die Weiterführung einer eigenständigen Zeitung, der Druckerei und der Buchhandlung –, ist nicht eingetroffen. Anscheinend standen für die Tamedia die Zürcher Landzeitungen im Vordergrund, die Thurgauer Zeitung war reine Manipuliermasse. Was ich bedaure, ist, bei jedem solchen Konzentrationsschritt gehen Arbeitsplätze verloren.

Carlo Parolari (Stadtammann Frauenfeld, FDP): Ich hätte erwartet, dass die Zusammenarbeit mit dem Landboten vertieft wird. So bin ich überrascht über die Kehrtwende. Ich hoffe, dass es ein eigenständiges Blatt bleibt. Für die Hauptstadt ist wichtig, dass der Standort Frauenfeld erhalten bleibt.

Peter Gubser (Präsident SP Thurgau): Es ist bedauerlich, denn ich fand es gut, dass es im Thurgau noch zwei Zeitungen gab, die in einem Wettstreit stehen. Ich erwarte von den neuen Besitzern, dass die Entlassungen, zu denen es kommen wird, sozial abgefedert werden.

Martin Klöti (Stadtammann Arbon): Zumindest im Lokalen ist die Medienvielfalt schon lange untergegangen. Deshalb bin ich als Tagblatt-Leser froh, dass es so herum gekommen ist und nicht das Tagblatt geschluckt wurde.





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2 Kommentare Beitrag kommentieren
von jmeier
16.04.2010 18:58 Uhr

Der wertvolle Umgang mit Mitarbeitern

Und wie erfährt der Angstellte von der Fusion?

a) durch die Medien?
b) vor der Pressekonferenz durch die Tagblatt-Gruppe?
c) durch ein persönliches Gespräch des Chefredaktors vor Veröffentlichung?

Genau, Antwort a) ist richtig.

Willkommen in der Wertschätzung des Mitarbeiters im Jahre 2010!

Aber Hauptsache die Boni stimmen Ende Jahr wieder.

PS: der Chefredaktor kommt zu einem persönlichen Gespräch 1 Woche später vorbei ...

von mercator
17.04.2010 17:04 Uhr

...man könnte es vielleicht besser machen.....

@jmeier...Sie haben recht, wenn Sie die Kommunikation über eine derart wichtige Entscheidung kritisieren. Aber eigentlich kann man es machen wie man will. Es ist immer etwas 'falsch'. Immerhin ist die NZZ nicht die schlechteste Arbeitgeberin. Es hätte schlimmer kommen können.


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