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JUGEND UND SCHULE

Die besseren Inspektoren sind wir

Gözde Pesman

Was wir heute lernen, entscheidet zu großen Teilen darüber, wer wir morgen sind. Lehrer tragen demnach eine große Mitverantwortung für die Zukunft ihrer Schüler. Es ist erfreulich, dass der Senat uns nicht mit der Macht einzelner Lehrer oder Schulen allein lässt, sondern kontrolliert, ob die Bildungseinrichtungen ihren Auftrag gut erfüllen. Seit März des vergangenen Jahres ziehen Inspektoren durch die Berliner Schulen und beurteilen diese nach ihrer Qualität. Nun liegen erste Ergebnisse vor.

Die Einschätzung der Prüfer: zu viel Frontalunterricht, zu wenig selbstständiges Lernen, kaum Förderung der individuellen Fähigkeiten der Schüler. Diese Beurteilung ist nachvollziehbar und richtig. Doch um dies herauszufinden, wären keine aufwändigen Streifzüge von Inspektorenteams nötig gewesen. Das Bildungsministerium hätte es sich auch einfacher machen können: indem es uns Schüler gefragt hätte.

Die Schulinspektoren besuchten die Schulen jeweils zwei Tage lang und überprüften mindestens 70 Prozent der Lehrer. Abgesehen davon, dass die Lehrer über die bevorstehenden Kontrollen informiert waren und sich so in den betreffenden Klassen besondere Mühe geben konnten, reicht eine derart kurze Zeit nicht aus, um den guten Ansatz der Qualitätssicherung verwirklichen zu können.

Wir könnten es besser. Wir verbringen Jahre an den Schulen, kennen die Methoden unserer Lehrer genau und wissen, an welchen Stellen sie nicht ausreichen, um Wissen zu vermitteln. Wenn wir stundenlang still zuhören müssen, gelingt es selten eine Vorstellung vom Stoff zu gewinnen, die über die Fähigkeit des bloßen Nachplapperns hinausgeht. Wir hätten dem Ministerium auf Nachfrage davon berichten können, dass Lernen manchmal leichter fällt, wenn man selbst recherchieren muss, weil man sich den Stoff so den eigenen Denkstrukturen folgend aneignen kann, statt denen des Lehrers. Und schließlich hätten wir auch sagen können, dass kaum ein Lehrer Zeit hat einzelne Schüler kennen zu lernen und zu fördern.

Wir sollten die Inspektoren sein. Und dies nicht nur als einmaliges Zeichen des Aktionismus wider den Pisaschock, sondern nach jedem Schuljahr. Es sollte Einschätzungsbögen geben, in denen wir für jedes Fach eintragen können, wie uns der Unterricht gefallen hat und ob wir etwas gelernt haben. Außerdem sollte es möglich sein Verbesserungsvorschläge zu geben. Nicht weil wir auf altkluge Weise den Lehrer fertig machen wollen, sondern weil Zusammenarbeit stark macht.

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Foto: Gözde Pesman: "Schüler sollten Lehrer regelmäßig beurteilen."