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»Nachhaltigkeit ist Kerngedanke unserer Projektpolitik«

Interview mit dem terre des hommes-Mitarbeiter Albert Recknagel
Albert Recknagel
terre des hommes-Mitarbeiter Albert Recknagel
Foto: terre des hommes

Das Thema Nachhaltigkeit ist zum zentralen Begriff globaler Politik geworden. Ist der Gedanke aber auch in der entwicklungspolitischen Praxis von Bedeutung? Über diese Frage sprachen wir mit Albert Recknagel, Themenreferent von terre des hommes.

Ist Nachhaltigkeit ein Thema in der terre des hommes-Projektpolitik?

Der Kerngedanke der Nachhaltigkeit, nämlich heute nicht auf Kosten unserer Kinder und Enkel zu leben, ist für terre des hommes von zentraler Bedeutung. Wir achten in unserer Projektarbeit darauf, dass gewachsene Strukturen nicht zerstört werden. Kinder und Familien werden in alle sie betreffenden Projektmaßnahmen einbezogen, denn nur dann ist auch sichergestellt, dass sie sich mit der Arbeit identifizieren. Wir legen dabei den Akzent auf kulturelle und soziale Nachhaltigkeit, ohne die ökologischen und ökonomischen Aspekte zu vergessen.

Können Sie das an einem Beispiel erläutern?

In Peru fördern wir ein Schulprojekt für mehrere Gemeinden. Beteiligt sind daran 37 Dorfschulen mit insgesamt 1.050 indianischen Kindern. Im Mittelpunkt des Projektes steht die interkulturelle Erziehung. Der Unterricht orientiert sich sehr stark am Lebens- und Erfahrungshintergrund der Kinder. Üblicherweise wachsen Kinder auf dem Lande in Dorfgemeinschaften und Familien auf. Ihre Muttersprache ist Ketschua. Schon früh lernen sie, ihren Eltern bei der Haus- und Feldarbeit zu helfen. Ich habe selbst mit siebenjährigen Kindern gesprochen, die genau wussten, was zu welcher Jahreszeit gesät wird. Sie können das Wetter beobachten und kennen die Heilwirkung der wichtigsten Kräuter. Zum Problem wird diese Erfahrung dann aber bei der Einschulung.

Warum wird die Schule für die Kinder zum Problem?

In den staatlichen Schulen dürfen sie nur noch Spanisch sprechen. Auf das bisher erworbene Wissen der Kinder, auf ihre Muttersprache Ketschua wird keine Rücksicht genommen. Der Erfahrungshintergrund wird systematisch missachtet und sogar unterdrückt. Es zählt nur noch das vom Westen geprägte Vorbild. In den Schulbüchern wird mit keinem Wort oder Bild auf die Lebenswirklichkeit der indianischen Mehrheit eingegangen. Das Ergebnis dieser Entfremdung ist dann, dass sich die Kinder ihrer Herkunft schämen. Viele von ihnen wandern später ab in die Elendsviertel der Städte. Und das ist alles andere als nachhaltig.

Was macht terre des hommes in dem Projekt anders?

Unser Projekt knüpft am Können und Wissen der Kinder an und baut es aus. Die Schule findet im Klassenraum, auf dem Feld, dem Markt oder in der Gemeinschaft statt, also dort, wo sich die Kinder aufhalten. Der Unterricht ist zweisprachig. Diese Form von Schule hat die Lernmotivation der Kinder ungemein gesteigert. Sie fühlen sich ernst genommen und beteiligen sich viel stärker am Unterricht. Die Lerninhalte zielen darauf ab, das Selbstvertrauen zu stärken. Am Ende ihrer Schulzeit sollen sie als Jugendliche fähig sein, sich selbstbewusst – und im Bewusstsein über ihre kulturellen Wurzeln – eine eigene Existenz aufzubauen.

Welche Konsequenzen ergeben sich aus diesem Ansatz für die Projektpolitik insgesamt?

Nachhaltigkeit heißt für uns, die sozialen und kulturellen Aspekte von Entwicklungsprojekten stärker zu berücksichtigen. Es macht keinen Sinn, isolierte Einzelmaßnahmen zu fördern. Das genannte Schulprojekt in Peru ist auch kein Einzelprojekt. Parallel dazu fördern wir in den beteiligten Gemeinden auch den ökologischen Landbau und Maßnahmen zur Gesundheitsversorgung. Was ich am Beispiel von Peru erläutert habe, gilt selbstverständlich auch für die Projektarbeit in anderen Ländern. Auch dort geht es um Nachhaltigkeit in dem Sinne, dass wir auf der kulturellen Identität von Kindern, Jugendlichen und Familien aufbauen. Nicht um abzugrenzen, sondern um die Vielfalt der Kulturen zu fördern. Und diese Vielfalt ist wichtig, um die besten Lösungsansätze zu finden.


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