Menschen in Not benötigen Hilfe. In besonderen Krisen und Katastrophen brauchen sie kurzfristige Unterstützung (Soforthilfe), die unmittelbar das Überleben sichert. Um Not und Konflikte nachhaltig überwinden und neuen Krisen vorbeugen zu können, benötigen die Betroffenen langfristige Unterstützung. Durch natürliche oder von Menschen verursachte Katastrophen werden jedoch langfristige Entwicklungsprojekte oft unmöglich gemacht. Auch die Partner von terre des hommes und ihre Zielgruppen sind davon immer wieder betroffen. terre des hommes hilft deshalb gemeinsam mit seinen Partnern, wenn Sturmfluten ganze Landstriche unter Wasser setzen, wenn Häuser und Schulen durch Erdbeben vernichtet werden oder wenn Bürgerkriege Millionen Menschen zur Flucht zwingen.
Vor diesem Hintergrund bedeutet humanitäre Hilfe die direkte Versorgung der Not leidenden Menschen mit den dringend benötigten Hilfsgütern. Die Hilfe muss aber auch den Wiederaufbau der sozialen Infrastruktur einschließen, damit die Menschen eine Zukunftsperspektive entwickeln können. Um nachhaltig Wirkung zu erzielen, sollte die humanitäre Hilfe immer in eine langfristige entwicklungspolitische Zusammenarbeit eingebettet sein.
Die humanitäre Hilfe muss
terre des hommes entwickelt seit 1999 verstärkt Aktivitäten im Bereich der Soforthilfe. Der Code of Conduct des Internationalen Roten Kreuzes, des Roten Halbmonds und einer großen Zahl von Nicht-Regierungsorganisationen wurde von terre des hommes unterzeichnet. Das Auswärtige Amt der Bundesrepublik Deutschland hat terre des hommes in den »Koordinierungsausschuss Humanitäre Hilfe« aufgenommen. terre des hommes arbeitet zudem in der »Arbeitsgruppe Humanitäre Hilfe« von VENRO (Verband Entwicklungspolitik Deutscher Nichtregierungsorganisationen) mit.
Die Geschichte von terre des hommes war von Anfang an eng mit humanitären Katastrophen verbunden. terre des hommes wurde 1967 in Deutschland gegründet, um Rettungsflüge und medizinische Behandlung für kriegsverletzte Kinder aus Vietnam zu organisieren. In den Folgejahren wurden enge Partnerbeziehungen zu Organisationen und Gruppen in Afrika, Asien und Lateinamerika aufgebaut und langfristige, entwicklungspolitische Projekte zum Schwerpunkt der Arbeit gemacht. Seit einigen Jahren erleben wir aber in vielen Teilen der Welt zunehmend Krisen und Konflikte, von denen auch die Menschen in unseren Partnerländern betroffen sind und die alle langfristigen Entwicklungserfolge bedrohen. Deshalb finanziert terre des hommes in zunehmendem Maße Aktivitäten der humanitären Soforthilfe. Zielgruppen unserer Unterstützung sind vor allem Frauen und Kinder.
Im Oktober 1999 wurde das östliche Bundesland Indiens, Orissa, von einem der verheerendsten Wirbelstürme der Geschichte heimgesucht. Meterhohe Wellen drangen bis zu 20 Kilometer ins Landesinnere ein und zogen eine Schneise der Zerstörung. Über 20.000 Menschen starben in den Wassermassen, 1,5 Millionen wurden obdachlos; etwa zehn Millionen verloren ihre gesamte Habe. Hunderttausende von Bäumen, die eine wichtige Einkommensgrundlage der Bevölkerung darstellen, wurden entwurzelt, die Böden für lange Zeit versalzen. Die riesige Katastrophe wurde von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen, weil zur gleichen Zeit ein Erdbeben in der Türkei in den Mittelpunkt des Medieninteresses gerückt war. terre des hommes half mit eigenen Mitteln und über Projektpartner kurzfristig den betroffenen Menschen. Doch es wurde sofort deutlich, dass vor allem mittelfristige Wiederaufbauhilfe notwendig sein würde. Mit finanzieller Unterstützung durch das »Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung« (BMZ) konnte ein großes Wiederaufbauprojekt begonnen werden. Die Maßnahmen umfassten: Betreuung von 5.000 Kindern, die durch die Zerstörung traumatisiert wurden, Unterstützung von Frauengruppen bei der Schaffung neuer Einkommensmöglichkeiten, Anschaffung neuer Boote und Netze für die Fischer, Kauf von Saatgut und landwirtschaftlichem Gerät für die Bauern, Förderung der Wiederaufforstung.
Im Januar 2001 wurde der indischen Bundesstaat Gujarat von einem schweren Erdbeben heimgesucht. Annähernd 30.000 Menschen starben, Zehntausende wurden verletzt, weitere 1,5 Millionen Menschen obdachlos. Schulen, Gesundheitszentren, Krankenhäuser, Brunnen sowie mehr als eine Millionen Häuser wurden ganz oder teilweise zerstört. Partner von terre des hommes waren unter den Ersten, die Hilfe leisteten und Nahrungsmittel, Decken sowie Material für Notunterkünfte verteilten. Kinderbetreuung wurde eingerichtet, ebenso wie ein Notruftelefon für Kinder, um die Zusammenführung von auseinander gerissenen Familien zu erleichtern. Über 2000 Freiwillige aus ganz Indien unterstützten diese Aktivitäten.
Schnell wurde aber klar, dass das riesige Ausmaß der Schäden nicht in wenigen Monaten beseitigt werden könnte. Deshalb entschloss sich terre des hommes, die eingegangenen Spenden über einen Zeitraum von drei Jahren für den Wiederaufbau der sozialen Infrastruktur (Schulen, Krankenstationen, mobile Gesundheitsdienste, Häuser) einzusetzen. Besonders wichtig bei der Umsetzung dieser Maßnahmen war die Einbeziehung der Betroffenen, die sich in Eltern-Lehrer-Gruppen, Dorfkomitees oder Kreditgruppen organisierten.
Jahrelang bekämpften sich Regierungstruppen und moslemische Widerstandsgruppen auf dem südphilippinischen Archipel. Ende der 90er Jahre flauten die Kämpfe zunächst ab. Im Frühjahr 2000 kam es in der Region Mindano aber erneut zu gewaltsamen Auseinandersetzungen. 50.000 Familien mussten aus ihren Heimatorten fliehen und fanden Unterkunft in notdürftig erstellten Flüchtlingslagern. Dort fehlte aber die notwendige Infrastruktur zur Versorgung der Flüchtlinge. Ein Projektpartner von terre des hommes, der sich bereits früher für das friedliche Zusammenleben der christlichen und moslemischen Bevölkerung engagierte, bat terre des hommes um sofortige Hilfe. Dringend gebraucht wurden Nahrungsmittel, Medizin und Material für den Bau provisorischer Unterkünfte. terre des hommes konnte das Auswärtige Amt für die Mitunterstützung der Hilfsmaßnahmen gewinnen.
Leider brachten die politischen Friedensbemühungen in der Region keinen Erfolg. Im Jahr 2002 kam es erneut zu militärischen Auseinandersetzungen. 400.000 Menschen wurden in Flüchtlingslager gezwungen und benötigten dringend Unterstützung bei der Nahrungs- und Gesundheitsversorgung. Auch hier konnte terre des hommes im Jahr 2003 mit Hilfe des Auswärtigen Amtes Hilfe leisten.
Afghanistan wurde über 20 Jahre von Gewalt, Unterdrückung, Krieg und Angst beherrscht. Eine ganze Generation war in Flüchtlingslagern und zerstörten Dörfern aufgewachsen, 1,5 Millionen Menschen in dieser Zeit umgekommen. Auch mehr als zwei Jahre nach dem Sturz der Taliban bleibt die zukünftige Entwicklung Afghanistans ungewiss. Die Sicherheitslage im Land ist unübersichtlich; Überfälle auf Soldaten der ISAF-Truppe sowie der USA und ihrer Verbündeten nehmen zu. Auch Zivilisten und Mitarbeiter von Hilfsorganisationen sind von den Übergriffen betroffen. Die Spaltung der afghanischen Gesellschaft zwischen den verschiedenen Volksgruppen und Ethnien konnte nicht vermindert werden.
Seit 1995 hilft das Kinderhilfswerk terre des hommes in Afghanistan. Etwa 500.000 Menschen profitieren jährlich davon. Hebammen und Ärztinnen versorgen Schwangere und Kinder in Kabul; Straßenkinder finden Zuflucht in Schutzzentren in Kabul und Peschawar. In Rustaq, Nordafghanistan, unterhält terre des hommes mehrere Schulen und Krankenhäuser. Zusätzlich wurden seit 2001 große Soforthilfeprogramme durchgeführt, um Nahrungsmittel zu verteilen und Straßenkinder gesundheitlich zu betreuen. Mehr als 70 Prozent der Hilfsempfänger waren Kinder und Frauen. Damit wurde die immer noch sehr schwierige Ernährungssituation der betroffenen Menschen verbessert. Einige dieser Projekte konnten mit finanzieller Unterstützung des Auswärtigen Amtes durchgeführt werden.
Seit drei Jahren ist das südliche Afrika von einer anhaltenden Hungersnot betroffen. Auf den ersten Blick ist diese Hungersnot die Folge ausbleibender Regenfälle - also eine Naturkatastrophe. Doch alle Beobachter sind sich einig, dass das südliche Afrika Schauplatz einer vielschichtigen Krise ist. Verschiedene Faktoren sind dafür verantwortlich:
Die Region leidet unter einer schweren Dürre. In vielen Gebieten hat es seit Jahren nicht mehr oder kaum geregnet, sodass die Aussaat nicht aufgehen konnte. Besonders Zimbabwe leidet unter der längsten Dürreperiode seit 20 Jahren. Das häufige Auftreten von Dürren und Überschwemmungen in der Region wird von verschiedenen Klimaforschern mit der globalen Erderwärmung (Treibhauseffekt) in Verbindung gebracht.
In allen betroffenen Ländern der Region hat die Armut in den letzten Jahren zugenommen. Heute leben nach Angaben der Vereinten Nationen deutlich mehr Menschen unter der Armutsgrenze als noch vor fünf Jahren. Der jetzigen Hungerkrise ging ein Jahrzehnt der Struktur- und Agrarreformen unter Anleitung des Internationalen Währungsfonds (IWF) voraus. Soziale Dienstleistungen wie Bildung und Gesundheitsversorgung mussten deutlich zurückgefahren, Subventionen für die einheimische Landwirtschaft abgebaut werden. Massive Preissteigerungen - besonders auf Grundnahrungsmittel wie Mais oder Sorghum - waren die Folge. Immer mehr Menschen fielen dadurch unter die Armutsgrenze. Hinzu kommt - besonders in Zimbabwe - eine schwere Wirtschaftskrise. Durch die Enteignungen in der Landwirtschaft haben hunderttausende von Landarbeitern ihren Arbeitsplatz verloren oder sind von Arbeitslosigkeit bedroht. Viele Betroffene ziehen deshalb mit ihren Familien in die Elendsquartiere der Städte, wo sich die Notsituation für sie weiter verschärft.
Zu den Hintergründen der Hungerkatastrophe gehören auch Verfehlungen und Korruption bei den politisch Verantwortlichen. Ein Beispiel ist die Politik von Präsident Robert Mugabe in Zimbabwe. Ihm werden Wahlmanipulation und politische Gewalt gegen Oppositionelle vorgeworfen. Von den Enteignungen der weißen Farmer profitieren in erster Linie Mugabes Unterstützern zugute. Die Enteignungen führen zudem zu gravierenden Produktionseinbrüchen in der Landwirtschaft. Niemand bezweifelt die dringende Notwendigkeit einer Landreform, doch Mugabe hat diese Frage zum eigenen Machterhalt instrumentalisiert und ein Klima aus Willkür und Gewalt geschaffen.
Nach Angaben des AIDS-Programms der Vereinten Nationen (UNAIDS) liegt die durchschnittliche HIV-Infektionsrate in sechs Ländern des südlichen Afrika (Lesotho, Malawi, Mozambique, Swaziland, Sambia, Zimbabwe) bei fast 25 Prozent. Durch die Krankheit wird die Arbeitskraft und Erwerbsfähigkeit vieler Familien dramatisch eingeschränkt. Eine Folge dieses Problems: Auf dem Lande fehlen die Kräfte zur Bearbeitung der Felder und zur Produktion von Nahrungsmitteln.
terre des hommes hat in den Jahren 2002-2004 mit Unterstützung des Auswärtigen Amtes zwei große Hungerhilfeprojekte in Zimbabwe für fast 40.000 Kinder gefördert. Doch bei derart vielschichtigen Ursachen kann sich der Kampf gegen den Hunger im südlichen Afrika nicht auf reine Nahrungsmittelhilfe beschränken. Ebenso wichtig ist die Forderung nach gerechten Wirtschafts- und Handelsbedingungen für Afrika, aber auch nach Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in den Ländern selbst. Notwendig sind außerdem Programme, die den Menschen nachhaltig helfen. terre des hommes unterstützt Familien im ländlichen Zimbabwe mit Kleinkrediten beim Aufbau einer Existenz; Aidswaisen in Sambia erhalten Ausbildung und werden betreut; Kleinbauern in Mosambik werden bei der Einführung von dürreresistentem Saatgut beraten. So leistet terre des hommes gemeinsam mit seinen Partnern einen Beitrag zur Überwindung des Hungers.