Martina Streibel ist seit sieben Jahren arbeitslos und auf Hartz IV angewiesen. Nach hunderten erfolglosen Bewerbungen fasst sie einen Entschluss. Ihr Traum, ohne Stütze zu leben, scheint greifbar.
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Martina Streibel will endlich raus aus Hartz IV: Etliche Praktika, Arbeitsagentur-Maßnahmen und hunderte erfolglose Bewerbungen liegen hinter ihr, doch nichts hat etwas gebracht. Dann fasst die gelernte Tontechnikerin einen Entschluss: Die leidenschaftliche Köchin schreibt ein Kochbuch. In "Hartz-Haft, aber lecker" stellt sie Rezepte für den kleinen Geldbeutel vor. Und das Projekt wird tatsächlich ein Erfolg: Seit November 2009 hat sie 5000 Bücher verkauft - mehr, als sie sich jemals erträumt hat.
Weil der Buchverkauf läuft, meldet sich Martina Streibel schließlich im November bei der Arbeitsagentur von Hartz IV ab und wagt den Schritt in die Selbstständigkeit. Kurz darauf meldet sich ein Sachbearbeiter bei ihr: Sie könne sich nicht einfach so abmelden, heißt es, schließlich ende ihr Hartz-IV-Bewilligungszeitraum erst zum 31. Dezember. Erst dann sei eine Abmeldung möglich. Martina Streibel beschließt, trotzdem an ihrem Kochbuchprojekt weiterzuarbeiten.
Im Februar bekommt die Kochbuch-Autorin dann aber Post von der Arbeitsagentur: Sie soll knapp 4000 Euro bezahlen, weil sie angeblich unrechtmäßig Leistungen bezogen hat. Der Grund: Die Arbeitsagentur geht von einem halbjährigen Bewilligungszeitraum für Hartz IV aus. Deshalb werden die Erträge von Martina Streibels Nebenverdienst aus dem Buchverkauf über diesen Zeitraum addiert. Und weil die Kochbuch-Autorin im November und Dezember - als sie sich ja eigentlich von der Stütze abmelden wollte - besonders viele Bücher verkauft hat, geht die Arbeitsagentur von einem durchschnittlichen monatlichen Verdienst von etwa 1300 Euro während des gesamten Bewilligungszeitraums aus.
Anwalt Steffen Bundrück sagt: Hätte Martina Streibel Anfang November einen festen Job angenommen – und nicht eine selbstständige Tätigkeit als Autorin angemeldet - wäre von der Arbeitsagentur keine Aufforderung zur Rückzahlung der Hartz-IV-Leistungen verschickt worden. Der Grund dafür liegt in der Logik des Gesetzes: Mit den festgeschriebenen Bewilligungszeiträumen für die Stütze soll verhindert werden, dass jemand nur zwei Monate im Jahr arbeitet und - zum Beispiel im November und Dezember mit dem Verkauf von Weihnachtsbäumen - viel Geld verdient, aber den Rest des Jahres von staatlichen Zahlungen lebt.
Anwalt Bundrück geht davon aus, dass die Mitarbeiter der Arbeitsagentur in Martina Streibels Fall nicht richtig reagiert haben: "Man merkt, dass die Mitarbeiter hier nicht auf den Einzelfall schauen, sondern im Grunde genommen versuchen, einfach das Gesetz anzuwenden", sagt er.
Martina Streibel hat inzwischen Widerspruch gegen die Zahlungsaufforderung eingelegt. Steffen Bundrück sieht ihre Chancen, zu gewinnen, bei 70 bis 80 Prozent. "Im Gesetz steht, dass man sich jederzeit von den Arbeitslosengeld-II-Forderungen abmelden kann und meines Erachtens nach in diesem Fall nicht von sechs Monaten Bewilligungszeitraum auszugehen ist, sondern lediglich von vier Monaten", sagt der Anwalt. Bis entschieden wird, ob Martina Streibel zahlen muss oder nicht, wird allerdings noch viel Zeit vergehen: Der Experte schätzt, dass der Rechtsstreit zwei bis drei Jahre dauern könnte.
Kostpoben In ihrem Hartz-IV-Kochbuch hat Martina Streibel 70 Rezepte zusammengestellt. "Alles ist einfach nachzukochen", verspricht Martina Streibel. Und: Keines der Gerichte kostet pro Person mehr als drei Euro.
Eine kleine Auswahl der Rezepte finden Sie hier.
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