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Karlsruher Arbeitszimmer-Urteil: Millionenschwere Ohrfeige für schlampige Geldbeschaffer
Kommentar Mal wieder verwirft das Bundesverfassungsgericht eine steuerliche Regelung als grundgesetzwidrig. Die Karlsruher Richter machen klar: Nur weil der Staat Geld braucht, darf die Politik nicht schludrig ausgearbeitete Bestimmungen verabschieden, die gegen die Verfassung verstoßen.Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum häuslichen Arbeitszimmer ist ein Triumph für die Bürger und den Rechtsstaat. Das ist die gute Nachricht.
Es gibt aber auch eine Schattenseite. Denn die Tatsache, dass es erst wieder eines Steuerzahlers bedurfte, der mit seiner erfolgreichen Klage der Politik vor Augen führt, ein verfassungswidriges Gesetz beschlossen zu haben, diese Tatsache zeigt einmal mehr, wie es seit Jahrzehnten um das deutsche Steuerrecht steht: Es wird viel zu viel herumgemurkst. Die großen, dringend nötigen Reformen bleiben aus. Völlig egal, ob die Koalitionsfarben Rot-Grün, Rot-Schwarz oder Schwarz-Gelb lauten.
Deutlichere Worte, als sie das Bundesverfassungsgericht mittels Pressemitteilung verbreiten lässt, kann man der Politik kaum ins Stammbuch schreiben. Zu der von der Großen Koalition beschlossenen Kürzung der Absetzbarkeit von Arbeitszimmern - sie galt seit 2007 - stellen die Richter fest: "Die im Gesetzgebungsverfahren angeführten fiskalischen Gründe sind nicht geeignet, die Neuregelung vor dem allgemeinen Gleichheitssatz zu rechtfertigen."
Zu Deutsch: Nur weil der Staat mehr Geld braucht, kann er nicht einfach schludrige Gesetze einführen, die maßgebliche Werte des Grundgesetzes missachten. Und die höchsten Richter schicken noch eine rhetorische Spitze hinterher: "Denn dem Ziel der Einnahmenvermehrung dient jede, auch eine willkürliche steuerliche Mehrbelastung."
Willkürlich - so kam vielen, vielen Steuerzahlern vor Jahren auch die Regelung vor, als die Pendlerpauschale plötzlich erst ab 20 Kilometern Entfernung zum Arbeitsplatz galt. Wieso eigentlich 20 Kilometer? Und nicht 15 oder 35 Kilometer? In der Tat waren die 20 willkürlich festgelegt - und wurden prompt vom Bundesverfassungsgericht gekippt. Und nun also das häusliche Arbeitszimmer.
Damit kein Missverständnis aufkommt: Die höchsten Richter sehen es nicht per se als verfassungswidrig an, das Abzugsverbot der Kosten für ein Arbeitszimmer weiter auszudehnen. Aber wenn so ein Verbot von der Politik schon erarbeitet werde, dann bedürfe es einer "hinreichend realitätsgerechten" Regelung, fordern die Richter.
Und sie geben sogar ein Beispiel, wie einfach - und oh Wunder, sogar für jeden Bürger verständlich - eine solche Realitätsnähe zu erreichen wäre: "Der Mangel eines alternativen Arbeitsplatzes, der sich durch die Vorlage einer Bescheinigung des Arbeitgebers ohne weiteres nachweisen lässt", schreiben sie, liefere "eine leicht nachprüfbare Tatsachenbasis". Die von Union und SPD verabschiedete - und nun gekippte - Neuregelung sei hingegen "offenkundig aufwendig und streitanfällig" gewesen und werde eben dem Grundsatz der Realitätsnähe "nicht gerecht". Gut, dass dies wieder einmal so deutlich in Karlsruhe formuliert worden ist.
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29.07.2010
© 2010 Financial Times Deutschland
Kommentare
- 29.07.2010 19:47:41 Uhr conforma: Arbeitszimmer / BVG
- 29.07.2010 17:48:22 Uhr Klaus: zu: in eigener Sache
- 29.07.2010 15:46:37 Uhr patgarrett: In eigener Sache
- 29.07.2010 14:28:56 Uhr Friebe: Arbeitszimmer
- 29.07.2010 13:59:45 Uhr Franz Brandwein: Steuerfaschismus im IT-Zeitalter
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