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  Aufschwung im Vergleich FTD-Serie: Das Erholungsrennen

Das Schlimmste scheint überstanden, in den meisten Industrieländern ist die Wirtschaft wieder auf Wachstumskurs. Doch die Erholung verläuft nicht überall gleich. FTD.de beleuchtet die unterschiedlichen Wege aus der Krise.

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  03.08.2010, 06:00    

Aufschwung: Warum die US-Wirtschaft Europa abhängen dürfte

Mögen europäische – besonders deutsche – Konzerne gerade exorbitante Gewinnzuwächse aufweisen, und mag Amerika noch so gravierende Probleme haben. Analysten sind sich einig: Auf mittlere Sicht dürfte die US-Konjunktur schneller wachsen als die der EU-Staaten. Eine Analyse. von Tobias Bayer  Frankfurt und Christine Mai 
"Double-Dip" heißt das Wort der Stunde. Nach einer Serie enttäuschender Konjunkturdaten wächst die Angst der Investoren vor einem Rückfall der US-Wirtschaft in die Rezession. Yale-Ökonom Robert Shiller bezeichnet die Wahrscheinlichkeit eines solchen Szenarios auf über 50 Prozent.
Die Euro-Zone schlägt sich aus Sicht der Investoren dagegen wacker. Das Verbrauchervertrauen in der Region, das von der EU-Kommission ermittelt wird, erreichte im Juli den höchsten Stand seit März 2008. Besonders für die deutsche Wirtschaft geht es bergauf.
Für die Mehrheit der Volkswirte ist der Eindruck, dass die Euro-Zone sich stabiler als die US-Wirtschaft erweist, dennoch nur eine Momentaufnahme. Sie sehen die USA im Vorteil. FTD.de untersucht die Situation in den USA und Europa und nennt die Argumente, warum die US-Wirtschaft sich auf mittlere Sicht schneller erholen dürfte als die europäische.
Die US-Wirtschaft erholt sich schneller als die Euro-Zone. Das dürfte sich in der nahen Zukunft so fortsetzen. Im zweiten Quartal wuchs das amerikanische Bruttoinlandsprodukt (BIP) mit 2,4 Prozent zwar langsamer als die 3,7 Prozent in den ersten drei Monaten des Jahres. Für die Euro-Zone erwarten die Volkswirte aber im zweiten Quartal nur ein Plus von 1,3 Prozent.
Auf das Gesamtjahr gesehen liegt die Konsensprognose für das US-BIP-Wachstum bei rund 3,0 Prozent, für die Euro-Zone bei rund 1,1 Prozent. "2010 wird die US-Wirtschaft besser abschneiden als die Euro-Zone", schreiben die Volkswirte von Morgan Stanley. Das deckt sich mit der Einschätzung des Internationalen Währungsfonds (IWF). Für 2010 und 2011 sieht er das Wirtschaftswachstum der USA bei 3,3 und 2,9 Prozent. Für die Euro-Zone prognostiziert er einen Zuwachs von 1,0 und 1,3 Prozent.
Die Hauspreise in den USA dürften sich stabilisiert haben   Die Hauspreise in den USA dürften sich stabilisiert haben
Die Volkswirte der Commerzbank sehen die USA klar vorne. "Die Wirtschaft hat einen größeren Teil des vorhergehenden Absturzes wieder wettgemacht, die Korrektur des Immobilienbooms ist abgeschlossen, und der Arbeitsmarkt hat gedreht", schreiben sie.
Zu den Lichtblicken zählen viele Volkswirte die boomenden privaten Investitionen. US-Unternehmen erwirtschaften wieder hohe Gewinne, sind liquide - und daher ausgabefreudig. Die Ausrüstungsinvestitionen stiegen im zweiten Quartal um 21,9 Prozent und damit das dritte Vierteljahr in Folge mit einer zweistelligen Rate. "Typischerweise stellen die Unternehmen dann früher oder später mehr Personal ein", schätzen Volkswirte der Commerzbank.
Bislang verläuft der Aufbau von Jobs eher schleppend. Dennoch, so argumentieren die Commerzbank-Ökonomen, legte die Beschäftigung seit Ende 2009 auch ohne die Einstellung des Staates wegen der Volkszählung leicht zu, die Arbeitslosenquote sank. Bislang konzentrierten sich die amerikanischen Unternehmen darauf, die Produktivität zu steigern, sie nahm 2009 um 3,75 Prozent zu, "ein in Anbetracht der schweren Krise enormer Anstieg".
Hauspreise stabilisieren sich Stellen Unternehmen wieder mehr Mitarbeiter ein, dürfte der private Konsum wieder anziehen, dessen Wachstum zuletzt unter dem langfristigen Durchschnitt lag. Die Sparquote kletterte im zweiten Quartal auf 6,2 Prozent.
Experten halten die schwache Tendenz bei den Ausgaben damit für abgeschlossen. "Die für amerikanische Verhältnisse sehr hohe Sparquote könnte sich bedingt durch das sehr niedrige Zinsumfeld in den kommenden Monaten abschwächen", schreibt Rudolf Besch von der Dekabank. "Dieser Effekt könnte sogar eine noch länger andauernde Schwäche am Arbeitsmarkt überbrücken helfen."
Im Immobilienmarkt haben sich die Preise nach Einschätzung vieler Experten stabilisiert. Seit dem zweiten Quartal 2009 stagnieren die Wohnungsbauinvestition zudem im Großen und Ganzen, wenn auch auf sehr niedrigem Niveau. "Sobald der noch bestehende massive Überhang an unverkauftem Wohnraum abgebaut ist, werden die Investitionen wieder anziehen", argumentieren die Commerzbank-Volkswirte.
Skeptiker erwarten nicht, dass die Unternehmen weiter so stark in Ausrüstungen investieren werden. "Der große Angstieg der Anlageinvestitionen wird sich in den kommenden Quartalen vermutlich nicht fortsetzen können", schreibt Dekabank-Volkswirt Besch. "Der aufgrund der Lehman-Krise entstandene Nachholbedarf der Unternehmen dürfte langsam nachlassen."
Außerdem ist der Lagerzyklus vorüber, die Firmen haben ihre Bestände wieder aufgefüllt. Im zweiten Quartal halfen Lagerinvestitionen noch, das Wachstum zu treiben. Mit rund 76 Mrd. Dollar hätten sie aber ein Niveau erreicht, das auf die Dauer nicht zu halten sein werde, warnt Besch. "In den kommenden Quartalen sind negative Wachstumsbeiträge von den Lagerinvestitionen zu erwarten."
Auch die Wohnungsbauinvestitionen drohen zurückzugehen. Im abgelaufenen Vierteljahr legten sie noch um fast 28 Prozent zum Vorquartal zu. Da damals noch geltende Steuerhilfen für Käufer mittlerweile ausgelaufen sind, werden jedoch Rückschläge erwartet.
Ein Lehrling bei der IFA Maschinenbau GmbH in Haldensleben   Ein Lehrling bei der IFA Maschinenbau GmbH in Haldensleben
Die verarbeitende Industrie in Europa verzeichnet einen Anstieg der Aufträge und der Produktion. Das schlägt sich beispielsweise in den Einkaufsmanagerindizes nieder. Der Index für die Euro-Zone kletterte im Juli um 0,2 auf 56,7 Zähler. Werte über 50 signalisieren eine Expansion. Gerade Deutschland sticht mit einem Wert von 61,2 heraus.
Ein ähnliches Bild bietet sich in Großbritannien und der Schweiz. Der Einkaufsmanager der Eidgenossen erreichte im Juli das Rekordhoch von 66,9 Zähler. "Zusammengesehen bietet sich das Bild einer soliden Aufschwungs im verarbeitenden Gewerbe. Nicht alle Länder haben daran aber einen gleich großen Anteil", sagte James Nixon, Volkswirt bei Société Générale. Schwächesignale gebe es in Spanien. Dort lag der Wert nur bei 46,6 Zähler.
Einige Experten halten die Banken für unterkapitalisiert   Einige Experten halten die Banken für unterkapitalisiert
Auch wenn der private Konsum in den USA langsam zulegt – schneller als in Europa wächst er trotzdem. In der Europäischen Währungsunion stagniert der Konsum seit Mitte 2009. Experten erwarten, dass dieser Trend anhält, die die Sparanstrengungen vieler EU-Staaten vor allem die Verbraucher belasten.
In vielen Euro-Ländern sinken die Immobilienpreise weiter. Außerdem ist im Euro-Raum der Anteil der Wohnungsbauinvestitionen am BIP laut den Commerzbank-Experten deutlich zurückgegangen – Deutschland herausgerechnet von 6,7 Prozent Anfang 2007 auf 5,1 Prozent Anfang 2010. Damit liege der Anteil in etwa auf dem Niveau von vor dem Boom. Normalerweise komme es nach dem Platzen von Blasen aber zu einem Überschießen – in den USA etwa seit der Anteil auf 2,4 Prozent geschrumpft, während der Nachkriegsdurchschnitt 4,7 Prozent betrage. Die Korrektur am Immobilienmarkt sei in den USA deutlich weiter, schlussfolgern die Commerzbank-Ökonomen.
Kreditklemme könnte Aufschwung gefährden
Um den Kapitalmarkt zu besänftigen, schlugen mehrere europäische Länder einen strikten Sparkurs ein. Spanien, Portugal und Griechenland würden ihre Ausgaben von 2009 bis 2011 um durchschnittlich 4,3 Prozent des BIPs senken, schätzt Gilles Moec, Volkswirt bei der Deutschen Bank. Das wiederum könnte die Erholung gefährden, sagt Mansoor Mohi-Uddin, Leiter Währungsstrategie bei UBS: "Wir hinterfragen weiterhin die Kraft der Erholung und der Euro-Stärke. Schließlich schränken sich die Regierungen enorm ein." Die UBS nahm die Wachstumsprognose für die Euro-Zone von 2,0 auf 1,5 Prozent zurück.
Trotz der Stresstests halten Experten das europäische Bankensystem für unterkapitalisiert. Das wiederum könnte dazu führen, dass die Geldhäuser weniger Kredite vergeben. Alarmierend für die Skeptiker ist die jüngste Kreditumfrage der Europäischen Zentralbank (EZB). Bei der Umfrage gab es ein Überhang von elf Prozent der Banken, die eine Straffung der Kreditvergabe sehen.
Die Banken gehen davon aus, dass sie im dritten Quartal die Bedingungen der Darlehensvergabe weiter verschärfen werden. "Wir rechnen in unserem Basisszenario mit einem schwachen Aufschwung in der Euro-Zone, der mit einer geringen Kreditvergabe einhergeht", sagt Elga Bartsch, Volkswirtin bei Morgan Stanley. "Möglich ist aber weiterhin eine richtige Kreditklemme. Das würde zu einem Einbruch der Investitionsausgaben führen."
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Der Euro wertete in der jüngsten Vergangenheit gegenüber dem Dollar stark auf. Auf Monatssicht legte er um 4,2 Prozent zum Greenback zu. Seit Anfang Mai kletterte die Gemeinschaftswährung sogar um 9,6 Prozent. Momentan wird sie bei 1,3117 Dollar gehandelt. Währungsanalysten sind aber skeptisch, ob sich die Euro-Rally fortsetzt.
"Der Dollar wird moderat zulegen", schreiben die Devisenanalysten von Barclays Capital. In sechs Monaten sehen sie den Euro-Dollar-Wechselkurs bei 1,20 Dollar. In den darauf folgenden sechs Monaten rechnen sie dann mit einem stabilen Wechselkurs. "Die Situation der Euro-Zone mag vielleicht nicht ganz so schlimm sein wie befürchtet. Es ist aber schwer vorstellbar, dass sich die Euro-Zone gut schlägt, wenn die USA schwächeln", sagt Raghav Subbarao, Währungsanalyst bei Barclays Capital.
Ähnlich skeptisch gestimmt sind die Experten von FX Concept. Der weltgrößte auf Währungen spezialisierte Hedge-Fonds sagte die Erholung des Euro voraus - und empfiehlt jetzt, die Kaufpositionen wieder zu reduzieren. "Unter einem pessimistischen Szenario stehen die europäischen Währungen insgesamt vor großen Problemen", sagte Jonathan Clark, Vice-Chairman von FX Concept, gegenüber der Nachrichtenagentur Bloomberg.
  • 03.08.2010
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