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  05.08.2010, 07:26    

Riskante Manöver: Der weltweite Kampf gegen Devisenspekulanten

Der Yen schießt regelrecht durch die Decke. Der Kapitalmarkt spekuliert auf Interventionen der Japaner. FTD.de erklärt am Beispiel von Brasilien, China, der Schweiz und Südkorea die Erfahrungen mit solchen Deviseneingriffen. von Christine Mai  Frankfurt und Tobias Bayer  Frankfurt
Intervenieren die Japaner oder nicht? Auf dem Devisenmarkt ist das momentan das Hauptthema. Der Yen notiert gegenüber dem Dollar nahe dem höchsten Stand seit 15 Jahren und setzt den japanischen Unternehmen kräftig zu. Die erstaunliche Rally könnte sogar noch anhalten. Grund für die rasante Aufwärtsbewegung ist die Schwäche der US-Wirtschaft, die Investoren in andere Währungen wie beispielsweise den Yen oder den Schweizer Franken flüchten lassen.
Die Japaner dürften indes gewarnt sein: Eingriffe auf dem Währungsmarkt sind nicht immer erfolgreich. Brasilien, China, die Schweiz und Südkorea schwächen ihre Währungen bereits, mit höchst unterschiedlichem Ergebnis und zu höchst unterschiedlichen Kosten. FTD.de analysiert die Erfahrungen der einzelnen Länder.
Der Yen notiert gegenüber dem Dollar nahe dem höchsten Stand seit 15 Jahren. Am Mittwoch wurde der Dollar bei 85,33 Yen gehandelt. Die japanische Währung ist momentan eine der gefragtesten überhaupt. Das lässt sich am Bloomberg-Index Correlation-Weighted Currency ablesen. Seit Jahresbeginn legte die japanische Valuta um elf Prozent zu. Der Euro verlor über denselben Zeitraum 7,7 Prozent, der Dollar kletterte um 0,9 Prozent.
Für die japanische Wirtschaft ist die Yen-Stärke eine schlechte Nachricht. Das Land kämpft mit sinkenden Preisen und einer hohen Arbeitslosigkeit. Deshalb mehren sich die Spekulationen, dass das Finanzministerium erstmals seit dem Frühjahr 2004 auf dem Währungsmarkt intervenieren könnte. Tomoko Fuji, Währungsstratege bei Bank of America Merrill Lynch, hält ein Einschreiten für wahrscheinlich, sobald der Yen das 15-Jahreshoch von 84,82 Yen je Dollar erreicht und dann das Rekordhoch von 79,75 Yen je Dollar anpeilt. "Dann wird das Finanzministerium wohl etwas unternehmen."
Nicht alle teilen diese Einschätzung. Raghav Subbarao, Währungsstratege bei Barclays Capital, sieht keinen internationalen Konsens. "Ein unilaterales Vorgehen wäre nicht sonderlich effektiv. Die Japaner müssten auch die Federal Reserve und die Europäische Zentralbank für so einen Schritt gewinnen", schreibt er. Zudem sprächen auch die aktuellen Börsenkurse gegen ein rasches Einschreiten. Der Nikkei steht momentan bei 9489 Zählern. "Wenn der Nikkei unter 9000 Zähler fällt, wäre das ein Grund, auf dem Devisenmarkt einzugreifen", sagt Subbarao. Als erstes würden dann aber Regierung und Notenbank den Kapitalmarkt warnen, also "verbal" intervenieren.
In Europa richten sich die Augen auf die Schweizer Nationalbank (SNB). Sie intervenierte bis Mitte Juni auf dem Währungsmarkt, um den Franken zu schwächen und so die Wirtschaft vor einer Deflation zu bewahren. Im ersten Halbjahr kaufte sie für 132 Mrd. Franken an ausländischen Devisen, der größte Teil davon entfiel auf Euro-Anlagen. Weil der Franken dennoch an Wert gewann, verbuchte sie Wechselkursverluste in Höhe von 14 Mrd. Franken. Derzeit notiert der Euro bei 1,3757 Franken, nachdem er am 1. Juli noch auf das Rekordtief von 1,3070 Franken gefallen war.
Experten streiten, ob sich das Abenteuer für die SNB gelohnt hat oder nicht. "Die Schweizer Nationalbank kaufte für noch nie dagewesene Summen Fremdwährungen auf. Ihr gelang es damit aber nur, wenn man großzügig ist, das Tempo der Aufwertung zu verringern", sagt Derek Halpenny, Leiter Währungsresearch bei Bank of Tokyo-Mitsubishi UFJ.
Hilfe für Spekulanten?
Ähnlich kritisch sieht das Simon Derrick, Leiter Währungsresearch bei Bank of New York Mellon: "Die Intervention der Schweizer Nationalbank war keine gute Erfahrung." Investoren hätten den Franken als sicheren Hafen gesucht. "Die SNB gab ihnen die Möglichkeit, sich zu künstlich tiefen Preisen einzudecken", sagt Derrick.
Für David Kohl, stellvertretender Chefvolkswirt bei Julius Baer, war die Intervention dennoch ein Erfolg. "Es war ein Risiko, diese Währungsbestände zu erwerben. Am Ende spielt es aber keine Rolle, ob die SNB einen Verlust erleidet." Entscheidend sei, dass sie die Franken-Rally gestoppt habe. Die eidgenössische Wirtschaft kann einen stärkeren Franken verkraften. Die SNB erwartet dieses Jahr ein Wachstum von zwei Prozent. Das ist doppelt so viel wie die Euro-Zone.
Die brasilianische Zentralbank stemmt sich seit geraumer Zeit gegen die Aufwertung des Real. Das Land ist für ausländische Investoren attraktiv. Die Wirtschaft entwickelt sich gut, unter anderem aufgrund der großen Nachfrage nach Rohstoffen. Außerdem können Anleger den großen Zinsunterschied zwischen Brasilien und großen westlichen Ländern nutzen: In Brasilien liegt der Leitzins bei 10,75 Prozent - in den USA etwa hingegen bei nahe null.
Das treibt den Real. Allein seit Anfang Juli hat die Währung mehr als 2,5 Prozent gewonnen. Die Aufwertung trifft die Exporteure des Landes, die Zentralbank bemüht sich deshalb, sie in Grenzen zu halten. In den vergangenen zwölf Monaten kaufte sie für fast 35 Mrd. Dollar ausländische Devisen. Die Reserven schwollen auf 275 Mrd. Dollar an. Ihr Volumen hat sich damit in den vergangenen vier Jahren fast verfünffacht.
Spekulationen um weitere Schritte
Immer wieder durchbricht der Real allerdings die kritische Marke von 1,75 je Dollar. Experten und Investoren erwarten daher, dass die Zentralbank ihre Bemühungen ausweiten dürfte. Eine Möglichkeit wären Swap-Geschäfte, bei denen die Notenbank vereinbart, zu einem späteren Zeitpunkt Dollar zu kaufen. Letztlich wäre die Einführung weiterer Kapitalkontrollen möglich. Das Land erhebt bereits eine Steuer auf Kapitalflüsse.
Für einen solchen Schritt würde auch sprechen, dass die Intervention über Devisenkäufe kostspielig ist. "Die Anhäufung internationaler Reserven schützt gegen externe Schocks und hat sich in den jüngsten globalen Turbulenzen tatsächlich als wertvolles Werkzeug herausgestellt. Aber sie sind angesichts der wachsenden Abstände zwischen heimischen und externen Zinsraten eine zunehmend teure Alternative", schreibt Alejandro Cuadrado von Société Générale.
Auch Südkorea zieht viel ausländisches Kapital an. Aussichten auf überdurchschnittliches Wachstum ziehen Investoren an. Der Internationale Währungsfonds (IWF) erwartet, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) sich entwickelnde Länder in Asien 2010 um 9,2 Prozent wächst. Zum Vergleich: Für die Industrienationen geht der IWF nur von einem Plus von 2,6 Prozent aus.
Allein im vergangenen Monat hat der südkoreanische Won rund fünf Prozent zum Dollar gewonnen und hat damit mehr zugelegt als jede andere asiatische Währung. Am Markt wird von Dollarkäufen der südkoreanischen Zentralbank berichtet. Dafür spricht auch das Anschwellen der Devisenreserven. Mit 285,96 Mrd. Dollar erreichten sie Ende Juli ein Rekordhoch. Im Vergleich zum Vormonat stiegen sie damit um 11,74 Mrd. Dollar - der größte Zuwachs seit Mai 2009 und der drittgrößte aller Zeiten.
Falls der Won weiter steigt, könnten andere Werkzeuge zum Einsatz kommen. Die Regierung kündigte vergangenen Monat an, Begrenzungen für Limits bei Währungsderivaten verschärfen zu wollen. Das soll Kapitalflüsse drosseln. Vize-Finanzminister Yim Yong sagte, "Glättungsoperationen" seien möglich.
Die Volksrepublik hielt den Renminbi lange an einer kurzen Leine. Seit Sommer 2008 koppelte China die eigene Währung an den Dollar, was dem Land heftige Kritik einbrachte. Peking halte den Renminbi so künstlich niedrig und verschaffe der heimischen Exportindustrie so unfaire Vorteile, so der Vorwurf.
Mitte Juni kündigte die chinesische Zentralbank eine Flexibilisierung an. Sie setzt jeden Tag einen fixen Wert, von dem die Währung in beide Richtungen um 0,5 Prozent abweichen darf. Viel bewegt hat sich der Renminbi jedoch nicht - lediglich ein Plus von 0,8 Prozent hat er seit Mitte Juni vorzuweisen.
China sei es gelungen, "Erwartungen einer Aufwertung des Renminbi zu stoppen und damit spekulative Kapitalflüsse nach China einzudämmen", sagt Fiona Lake von Goldman Sachs. Viele Investoren scheinen abzuwarten. Die Volumen von Terminkontrakten, mit denen sie auf Bewegungen spekulieren, seien in den vergangenen vier Wochen drastisch zurückgegangen, sagte Gerhard Katz, Chef des Währungshandels bei Standard Chartered in Hongkong. Anleger seien aus dem neuen Währungsregime noch nicht schlau geworden.
Abhängigkeit vom US-Dollar
Ein Hindernis, das einer stärkeren Aufwertung im Wege steht, sind die gewaltigen Bestände an US-Staatsanleihen, die China hält. Wertet der Dollar stark ab, verlieren die Treasuries an Wert. In den vergangenen Monaten wurde immer wieder spekuliert, China könne sein Engagement hier zurückfahren. Die Vermutungen flammten wieder auf, als öffentlich wurde, dass die Bestände an Treasuries im Mai um 3,6 Prozent oder 32,5 Mrd. Dollar zurückgegangen waren.
Währungsstrategen von Bank of America Merrill Lynch halten es für möglich, dass China seine Abhängigkeit vom Dollar senkt. "Schließlich wird es zugelassen, dass der Dollar weiter schrittweise zum Renminbi verliert, was die Attraktivität von Staatsanleihen reduziert", schrieben sie jüngst. "Tatsächlich könnte eine Verringerung der Bestände an Treasuries schließlich für die Zentralbank den Weg frei machen, langfristig eine schnellere Aufwertung des Renminbi zuzulassen."
  • 05.08.2010
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