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Schweißbad im Nahverkehr: Londons U-Bahnen sind ein einziger ICE
Unerträgliche Temperaturen in Zügen ohne oder mit defekten Klimaanlagen? Was in Deutschland für hitzigen Diskussionsstoff sorgt, ist in der britischen Hauptstadt Alltag - und zwar seit Jahren.Der Sommer ist in London angekommen, wenn wieder die alten Poster aus den Abstellkammern der U-Bahn-Stationsvorsteher geräumt werden: "Schlagt der Hitze ein Schnippchen", steht da. "Nehmt eine Flasche Wasser mit."
Seit Jahren ist dies die einzige wirkliche Hilfe für überhitzte Pendler in Londons U-Bahn-Zügen. So regelmäßig wie das Ausscheiden der englischen Nationalmannschaft aus großen Turnieren, beginnt mit jedem etwas heißeren Sommer das Elend in der Tube.
40 Grad sind in Zügen der Victoria Line, die ausschließlich unterirdisch fährt, normaler Sommerzustand. 50 Grad sollen auch schon gemessen worden sein. Dann gibt es neben den Postern Durchsagen vom Personal, man solle seine Wasserflasche nicht vergessen. Und lieber die Notbremse nicht ziehen - dann dauere es noch länger, bis man der Nahverkehrssauna entfliehen könne.
Stoische Fahrgäste in vollen Waggons
Die Londoner ertragen dies alles stoisch, vom unvermeidlichen Berühren schweißnasser Arme und Rücken in vollgedrängten Waggons bis zu den Hurrikan-artigen Windstößen, die aus dem Abgrund heraufwehen. Sie sind Teil des ursprünglichen Klimasystems der ältesten U-Bahn der Welt, die auf eine über 100-jährige Geschichte zurückblicken kann.
Damals haben die Ingenieure leider noch nicht vorhergesehen, dass einmal weit über 10 Millionen Fahrgäste täglich das Tunnelnetz benutzen würden. Der Windstoß - von der Durchfahrt der Züge produziert - sollte genug Belüftung erzeugen. Heute addiert dieses System eine weitere Qual für die Fahrgäste: Die Hitze steht nicht nur im Waggon, sie wird ihnen auch noch ins Gesicht geblasen.
Seit Jahren suchen Betreiber der U-Bahn nach Lösungen. Wettbewerbe wurden ausgerufen, Preise von 100.000 Pfund ausgeschrieben. Es gab keine Gewinner, weil weder schlaue Ingenieure noch findige Bastler einen Ausweg fanden. Weder Eisblöcke in den Waggons, die langsam abtauen sollten, noch Wasser, das per Pumpe Wärme aufnimmt und anschließend in Abwässerkanäle entsorgt wird, schafften wirkliche Abhilfe.
Die einzige Lösung: Umwege fahren
Das Problem: Die Tunnel sind zu klein, die Züge fahren vor allem auf den tiefsten Strecken mit nur wenigen Zentimetern Platz an den Tunnelwänden vorbei. Es ist weder Raum für Klimaanlagen in den Zügen noch für die Ableitung der Wärme in den Tunneln.
Und die schlechte Nachricht: Das Problem wird immer schlimmer. Die Hitze der gestauten Sommerwärme, von Passagierausdünstungen und Bremsvorgängen der Züge wärmt den gesamten Boden rund um das U-Bahn-Netzwerk, der vor allem aus Tonerde besteht. Innerhalb von 30 Jahren erhöht sich die Temperatur an einer neuen Bahnstrecke unter der Erde so um bis zu 15 Grad.
Für Londoner heißt es daher, in den Sommermonaten innovativ zu werden. Viele nehmen Umwege in Kauf, um U-Bahnwaggons zu nutzen, die teilweise oberirdisch fahren und so wenigstens auf einem Teil der Strecke gelüftet werden können. Übrigens gibt es eine Linie, auf der angenehmere Verhältnisse herrschen. Großzügige, neue U-Bahnhöfe und neue Waggons sorgen für eine schön eiskalte Atmosphäre, ein Luxus in London.
Es ist die Jubilee Line. Sie läuft direkt an Westminster vorbei - und dient daher vor allem Politikern, Beamten und Regierungsmitgliedern als Transportmittel.
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16.07.2010
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