FTD-Serie: Ines Zöttl - Die Kolumne
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Kolumne: Ines Zöttl - Unser Mann in Athen
Griechenland hat, was Deutschland fehlt: einen mutigen Sanierer an der Spitze der Regierung. Er verwandelt das marode Mittelmeerland in ein Boot-Camp für Sparer.Giorgos Papandreou liebt Stillleben. Mit bald 8000 Fotos hat der griechische Ministerpräsident das Internetportal Flickr bestückt, alle paar Tage kommen welche dazu: Ein silberner Kochtopf steht auf dem Gartenmäuerchen, als sei dies sein angestammter Platz, eine Kehrschaufel lehnt an einem Tischchen, ein paar Holzscheite lassen an Wald denken. Es sind Bilder des Friedens und der Beschaulichkeit. Menschen sind auf Papandreous Fotos selten zu sehen.
Der Gegensatz zu den Bildern, die die Welt aus Griechenland erreichen, könnte nicht krasser sein: Darauf sind meistens Menschen zu sehen, und zwar in Action. Demonstranten randalieren in Athen, Autos stauen sich vor bestreikten Tankstellen, Fähren sind blockiert. Es ist der Sommer der Unzufriedenheit - und ausgerechnet der Mann, der Stille offensichtlich so schätzt, hat die Turbulenzen verursacht.
Papandreou löst das Wort ein, das er der Euro-Gruppe gegeben hat, als sie Griechenland vor der Pleite rettete. Man kann es, in seiner Bildsprache, schlicht beschreiben: Die Regierung spart. Oder man misst es an der politischen und gesellschaftlichen Wirklichkeit Griechenlands und der EU: Und da mutet der Spross der Papandreou-Dynastie und Sozialist seinem Volk das brutalstmögliche Erziehungsprogramm zu, das Europa je gesehen hat. Hellas ist nun das Boot-Camp Europas. Reintegration auf die harte Tour. Wenn - falls! - die Griechen das überstehen, wird es ein anderes Land sein. Und die EU - Angela Merkel und Kollegen, aufgepasst - wird etwas gelernt haben: dass Politik Großes vermag, wenn sie sich nur traut.
Muster für Europa
Die Griechen haben es sich selbst eingebrockt, werden nun einige einwenden, sie haben eben über ihre Verhältnisse gelebt. Und sie schulden der EU etwas, die sie jahrelang betuppt haben.
Schnee von gestern.
Ja, die Griechen haben Europa an den Rand des Kollapses gebracht. Kurz vor dem Abgrund aber ist der Delinquent reuig in die Gesellschaft zurückgekehrt. Nicht das gigantische Hilfspaket hat Europa gerettet, sondern die Entscheidung Athens, das Geld anzunehmen. Denn gemessen an der jetzigen Entziehungskur wäre die Staatspleite für die Griechen der bequemere Weg gewesen. Fast 80 Prozent der Kredite kommen aus dem Ausland - die Griechen selbst wären bei der Umschuldung also vergleichsweise ungeschoren davongekommen.
Der in den USA und Schweden aufgewachsene 58-jährige Papandreou aber hat den Spirit des antiken griechischen Helden: Du hast keine Chance, also nutze sie. Und wie.
In der ersten Hälfte dieses Jahres hat die Regierung schon drei Viertel dessen erreicht, was sie für das ganze Jahr an Defizitabbau versprochen hatte. Papandreou und sein Finanzminister Giorgos Papakonstantinou haben die Ausgaben um 13 statt der geforderten vier Prozent gekürzt. Auf acht Prozent des Bruttoinlandsprodukts soll das Defizit schrumpfen, nach 13,6 Prozent im vergangenen Jahr. Das vermeintlich größte Sparpaket der bundesdeutschen Geschichte, auf das sich die Große Koalition nach Merkels Worten in einem "einmaligen Kraftakt" geeinigt hat, macht sich daneben lächerlich aus: Es umfasst 2011 weniger als 0,5 Prozent des Inlandsprodukts - und ist ungefähr so glaubwürdig wie griechische Statistiken der Vergangenheit.
Teil 2: Der Fluch der Konjunktur
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13.08.2010
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Kommentare
- 14.08.2010 02:31:37 Uhr Mistral: Griechenland brennt - Nero frohlockt
- 13.08.2010 18:21:47 Uhr Mantolin: Bauernschlaues Finazkapital - Lass die Staate...
- 13.08.2010 15:22:41 Uhr Thomas Müller: @mat
- 13.08.2010 15:01:49 Uhr Strichnid: Erschreckende Informationslücken
- 13.08.2010 14:31:17 Uhr Thomas Müller: @ gamoschka
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Das BIP in Griechenland brach im letzten Quartal unter der Last der Sparbemühungen dramatisch ein, die Wirtschaftskraft erlahmt und die Arbeitslosenzahlen schnellen in die Höhe - und was macht Ines Zöttl? Sie frohlockt! Da fehlt es nicht nur am wirtschaftlichen Grundverständnis, sondern auch an jeglicher Empathie!
Erinnert mich an Kaiser Nero, der auf seiner Harfe Freundengesänge anstimmte nach dem er Rom in Brand gesetzt hatte - nur mit dem Unterschied, dass heute Hellas in Flammen steht.