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  13.08.2010, 09:00    

Kolumne: Joseph Stiglitz - Von Australien lernen

In der Krise machte der australische Staat mit einem ausgewogenen Konjunkturprogramm vorbildliche Politik. Die anstehenden Wahlen werden zeigen, ob das so bleibt. von Joseph Stiglitz
Joseph Stiglitz ist US-Ökonom und Träger des Nobelpreises für Wirtschaftswissenschaften. Thomas Frickes nächste Kolumne erscheint am 3. September. www.project-syndicate.org
Die Rezession hat selbst die entferntesten Ecken des Planeten erreicht. In Australien kennt man sie kurz als "GFC" (Global Financial Crisis).
Als sie losbrach, brachte der damalige Labor-Premierminister Kevin Rudd eines der am besten gestalteten keynesianischen Konjunkturpakete weltweit auf den Weg. Er erkannte, dass man schnell handeln und rasch Geld ausgeben musste. Er erkannte aber auch die Gefahr, dass die Krise so schnell nicht vorübergehen würde. In einem ersten Schritt verteilte die Regierung deshalb Barzuschüsse, in einem zweiten folgten Investitionen, die längerfristig wirken.
Joseph Stiglitz   Joseph Stiglitz
Rudds Konjunkturpaket hat funktioniert: Australien durchlief die kürzeste und sanfteste Rezession aller hoch entwickelten Industrieländer. Doch ironischerweise stürzen sich Kritiker nun darauf, dass manche Investitionen nicht optimal eingesetzt wurden, sowie auf das Haushaltsdefizit, zu dem der Abschwung und das Gegensteuern der Regierung geführt haben.
Während im Moment die Verschwendung im öffentlichen Sektor im Blickpunkt steht, verblasst sie doch im Vergleich zur Ressourcenverschwendung, die aus dem Versagen des privaten Finanzsektors rührt; in Amerika beträgt sie bereits Tausende Milliarden Dollar. Ebenso gering erscheint sie aber verglichen mit den gesellschaftlichen Ressourcen, die man verschwenden würde, wenn eine Regierung kein Konjunkturprogramm auf den Weg bringt.
Wider den Defizitfetischismus
Einen Amerikaner müssen die australischen Sorgen über Defizit und Verschuldung in gewissem Maße amüsieren: Das australische Defizit ist, gemessen als Anteil des BIPs, nicht einmal halb so hoch wie das amerikanische, die öffentliche Verschuldung beträgt kaum ein Drittel.
Defizitfetischismus ergibt nie Sinn - die Schulden sind nur eine Seite der Staatsbilanzen. Ertragreiche Investitionen (etwa in Bildung, Infrastruktur und Technologie) zurückzufahren, bloß um das Defizit zu verringern, ist wahrlich dämlich - besonders im Falle eines Landes wie Australien, dessen Schulden so niedrig sind. Und wenn man sich Sorgen über die langfristige Verschuldung macht - was man tun sollte -, ist derartiger Fetischismus sogar noch dümmer. Schließlich führen öffentliche Investitionen zu höherem Wachstum und höheren Steuereinnahmen.
Ironisch ist noch etwas anderes: Einige eben jener Australier, die das Defizit kritisieren, wenden sich zugleich gegen Vorschläge zur Erhöhung der Minensteuer. Australien hat das Glück, reich an Bodenschätzen wie Eisenerz zu sein. Diese Ressourcen sind ein Teil des Landesvermögens; sie gehören der Allgemeinheit. Doch überall versuchen die Minengesellschaften, diese Bodenschätze kostenlos zu erhalten oder möglichst wenig dafür zu bezahlen.
Natürlich müssen die großen Bergbaukonzerne eine angemessene Rendite erwirtschaften können. Doch haben die Eisenerzunternehmen zuletzt unverdiente Gewinne eingestrichen, weil die Preise für Eisenerz steil in die Höhe geschossen sind (seit 2007 haben sie sich nahezu verdoppelt). Dieser Gewinnanstieg ist nicht das Ergebnis bergbaulicher Erfolge, sondern enormer chinesischer Stahlnachfrage.

Teil 2: Risiko durch globale Erwärmung

  • 13.08.2010
    © 2010 Financial Times Deutschland
Kommentare
  • 14.08.2010 00:23:40 Uhr   Dr. Oliver Marc Hartwich, Sydney: Stiglitz hat nichts von Australien gelernt

    Es ist schon merkwürdig, wie Joseph Stiglitz nach seiner kurzen Vortragsreise durch Australien zum intimen Kenner der australischen Wirtschaft mutiert ist. Ist er wirklich so naiv, den Wahlkampfsprüchen der australischen Bundesregierung zu glauben, die steif und fest behauptet, dass es allein ihrer Politik zu verdanken war, dass Australien gut durch die Weltwirtschaftskrise gekommen ist?

    Hätte Stiglitz sich ein wenig näher mit dem australischen Wirtschaft beschäftigt, dann wäre ihm aufgefallen, dass dies nicht einmal die halbe Wahrheit ist. Tatsächlich profitierte Australien von seiner strukturellen Stärke, die es in den letzten zwanzig Jahren tiefgreifender Wirtschaftsreformen aufgebaut hatte.

    Stiglitz' Darstellung der australischen Verhältnisse ist derart einseitig und verzerrt, dass man sich als in Australien lebender Ökonom nur die Augen reiben kann. Wesentlich treffender hat die tatsächliche Lage Australiens der britische Wirtschaftshistoriker Niall Ferguson beschrieben, der vor wenigen Tagen einen hervorragenden Gastbeitrag in der Tageszeitung 'The Australian' hatte:

    http://www.theaustralian.com.au/news/opinion/alps-knight-is-a-thief-in-rusty-armour/story-e6frg6zo-1225904126639

    Am Rande bemerkt: Die australische Regierung behauptet, ihre 52 Mrd. Dollar-starken Konjunkturprogramme hätten 200.000 Arbeitsplätze gerettet. Das wären aber stolze 260.000 Dollar pro Job. Zu diesem Tarif hätte man die Leute auch für einen mehrjährigen Urlaub nach Bali fliegen kann. Ein grandioser Erfolg keynesianischer Wirtschaftspolitik!

  • 13.08.2010 23:56:49 Uhr   Maria Schröder: Montrealer Abkommen
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