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Urteil zu geschlossenen Fonds: BGH verschärft die Beraterhaftung
Der Bundesgerichtshof verschärft die Haftung von Finanzberatern, die geschlossene Fonds verkaufen. Sie können sich nicht mehr darauf berufen, dass ein Anleger die Risiken einer Beteiligung kennen müsse, weil er den Verkaufsprospekt gelesen habe.Das Urteil wurde in der vergangenen Woche bekannt, seit Montag liegt auch die Begründung der Richter vor (Az.: III ZR 249/09). Bei geschlossenen Fonds beteiligen sich Anleger als Kommanditisten an einer Gesellschaft, die eine Immobilie oder ein Schiff erwirbt. Floppt das Investment, versuchen Geschädigte gern, ihren Berater zu belangen - dort sind die Erfolgsaussichten am größten. Bislang setzten Anlegeranwälte vor allem bei verdeckten Provisionen (Kickbacks) an. Mit dem aktuellen Urteil öffnet der BGH eine neue Flanke: Entscheidend ist jetzt, was der Berater im Verkaufsgespräch gesagt hat - und nicht, was im Prospekt steht.
Die oft mehrere Hundert Seiten starken Verkaufsprospekte sind gespickt mit Fachtermini, Berechnungen und Risikohinweisen. Erfahrungsgemäß machen sich die wenigsten Anleger die Mühe, die Ausführungen tatsächlich zu lesen. Dennoch hatten einige Gerichte Investoren vorgeworfen, sie handelten durch das Ignorieren der Prospekte "grob fahrlässig". Sie ließen die für eine Klage so wichtige dreijährige Verjährungsfrist der Beraterhaftung mit der Prospektübergabe beginnen.
Diese Rechtsprechung kippte der BGH nun. Den Karlsruher Richtern reicht es, wenn Anleger sich auf die Worte ihres Beraters verlassen. "Eine grob fahrlässige Unkenntnis des Beratungsfehlers ergibt sich nicht daraus, dass es der Anleger unterlassen hat, den Emissionsprospekt durchzulesen und die Ratschläge und Auskünfte des Anlageberaters zu kontrollieren", heißt es in der Urteilsbegründung. Die Verjährungsfrist beginnt erst dann, wenn der Anleger das Risiko erkennt - auch wenn er zu diesem Zeitpunkt den Prospekt schon Jahre in seinem Schrank stehen hat.
Im konkreten Fall hatte ein Anleger gegen seinen freien Finanzberater geklagt. Der hatte dem Mann 1999 für 150.000 D-Mark Anteile an einem Immobilienfonds verkauft und die Risiken verschwiegen. 2002 geriet die Beteiligungsgesellschaft in wirtschaftliche Probleme, 2005 stellte die finanzierende Bank die Fondsimmobilie unter Zwangsverwaltung. Das Oberlandesgericht Köln sprach dem Anleger Schadensersatz zu (Az.: 24 U 154/08).
Der beklagte Berater wollte das Kölner Urteil nicht auf sich sitzen lassen und legte es dem Bundesgerichtshof vor – allerdings ohne den erhofften Erfolg. "Wer noch mit seinem Berater prozessiert, kann diese neue Rechtsprechung in den eigenen Prozess einbringen", sagte Hahn-Rechtsanwältin Petra Brockmann. Anleger, die bereits erfolglos gegen Bank oder Berater geklagt haben, haben indes nur geringe Chancen, den Sachverhalt neu aufzurollen. Wertpapiergeschäfte wie der Kauf von Zertifikaten sind vom Urteil nicht betroffen. Hier gilt weiterhin die dreijährige Verjährungsfrist ab Kauf.
Katja Fohrer von der Münchner Kanzlei Mattil sagte, nun sei ein bei Beratern beliebtes Hintertürchen verschlossen: "Wer glaubt, durch die Übergabe von einem Stapel Papier seine Pflichten als Berater erfüllt zu haben, konterkariert seinen Berufsstand."
Eric Romba, Hauptgeschäftsführer des Verbands Geschlossene Fonds, nannte das Urteil "rechtspolitisch fragwürdig": "Die vonseiten der Politik vielfach geforderte Eigenverantwortlichkeit des Anlegers, sich mit der erworbenen Kapitalanlage im Vorfeld ausreichend auseinanderzusetzen, wird durch diese Entscheidung nicht gestützt."
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02.08.2010
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