FTD-Serie: Lucas Zeise - Die Kolumne
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Kolumne: Lucas Zeise - Gratulation, Herr Hundt!
Von der Krise haben vor allem die deutschen Arbeitgeber profitiert. Deshalb sind jetzt endlich die Arbeitnehmer dran.Das Positive an der Diskussion über die sensationell hoch wirkenden Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts ist die Zurückhaltung bei den Prognosen. Es scheint bei fast allen angekommen zu sein, dass dieser Aufschwung so schnell nicht weitergeht. Die Volkswirte passen zwar wie immer nach neuen Zahlen ihre Prognosen an. Das Wachstum in diesem Jahr könnte demnach mehr als drei Prozent erreichen. Der Konsens rechnet dennoch ab sofort mit einer Verlangsamung des Wachstums. Denn die aktuelle Erholung ist noch stärker als früher exportgetrieben. Da sowohl der Hauptabsatzmarkt Europa als auch der globale Markt einer neuen Schwächephase zutreiben, kann es beim Export nicht mit dem gleichen Schwung weitergehen.
Die Nachfrage aus dem Inland wird kaum plötzlich durchstarten. Die Investitionen der Privaten nicht, weil die Kapazitäten noch nicht so ausgelastet sind wie vor Ausbruch der Krise. Die Investitionen und der Konsum des Staates nicht, weil die Regierung das Konjunkturprogramm auslaufen lässt und die Schuldenbremse im Grundgesetz das Geldausgeben praktisch unmöglich macht. Warum schließlich sollte der Konsum der breiten Massen in die Gänge kommen, wenn die Löhne der Arbeitnehmer stagnieren und neue Arbeitsplätze in der Mehrzahl keine Vollzeitarbeitsplätze sind, sondern Leiharbeit, Teilzeit oder Ähnliches?
Wunder des rheinischen Kapitalismus
Wir haben es also mit einem Zwischenhoch zu tun. Die Strategie der deutschen Industrie ist anscheinend voll aufgegangen. Die Arbeitgeber haben die Gewerkschaften, vor allem die gezähmte IG Metall, in ihre Strategie eingebunden. Von der Gewerkschaft, den willigen Betriebsräten und den Belegschaften haben sie Lohnverzicht in vielerlei Form erhalten und von der Regierung die Subvention zum Kurzarbeitergeld. So konnten es sich die Unternehmen locker leisten, nur die Leiharbeiter aus den Betrieben zu entfernen, die Stammbelegschaft aber zu halten, bis die Aufträge wieder anzogen. Das steckt hinter dem deutschen Wunder am Arbeitsmarkt. Ausgerechnet in der tiefsten Konjunkturkrise stieg die - amtlich gemessene - Arbeitslosigkeit erstaunlich mäßig.
War dies schon ein Wunder des alten rheinischen Kapitalismus, so folgte nun ein weiteres, das den eigentlichen Nutzen des Jobwunders aufzeigt. Eine erkleckliche Zahl deutscher Unternehmen konnte ihre Marktposition in aller Welt dadurch ausbauen: Als die Nachfrage nach präzisen Maschinen, funktionierenden Anlagen und prestigebeladenen Autos aus dem tiefen Loch wieder anzog, konnten sie das Begehrte schnell wieder produzieren und liefern - zu akzeptablen Preisen. So wiesen die Unternehmen in den Frühjahrsberichten wunderbarerweise höhere Gewinne aus als 2008 vor der Krise. Wie profitabel die deutsche Industrie ist, hatte sich bereits 2009 gezeigt, als viele Firmen trotz einer Kapazitätsauslastung unter 60 Prozent immer noch Gewinn machten.
Man kann den Herren Dieter Hundt, Martin Kannegiesser und Hans-Peter Keitel - den Präsidenten der Arbeitgeberverbände BDA, Gesamtmetall und BDI - also zunächst gratulieren. Ihre Strategie ist aufgegangen. Riskant war sie nicht. Wäre der Zwischenaufschwung der globalen Nachfrage ausgeblieben oder schwächer ausgefallen, so hätten die rheinischen Kapitalisten eben doch von Kurzarbeit zur Massenentlassung schreiten müssen. Das wäre nicht schön gewesen. Aber das Risiko lag beim Staat und den stets willigen Gewerkschaften. Die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Unternehmen, die im allgemeinen Sprachgebrauch dann "wir" genannt werden, liegt "uns" allen am Herzen.
Teil 2: Was den Arbeitnehmern hilft
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18.08.2010
© 2010 Financial Times Deutschland
Kommentare
- 18.08.2010 20:22:42 Uhr Paul: Vergessenes Gesetz?
- 18.08.2010 19:33:41 Uhr Strichnid: Links, nicht links
- 18.08.2010 19:29:56 Uhr Ralf Fichte: Bitte aber mal clever
- 18.08.2010 16:31:37 Uhr RobertSchuman: Stimme der Vernunft?
- 18.08.2010 14:08:03 Uhr Karl Murx: Strichnid
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Intelligente Menschen haben vor langer Zeit das - immer noch gültige - "Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft" geschaffen. Danach haben Bund und Länder bei ihren wirtschafts- und finanzpolitischen Maßnahmen die Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zu beachten. Dazu sind die Ziele "Stabilität des Preisniveaus", "hoher Beschäftigungsstand", "außenwirtschaftliches Gleichgewicht" und "angemessenes Wirtschaftswachstum" gleichzeitig einzuhalten. Es hat zumindest den Anschein, dass 3 der 4 Ziele in den letzten Jahren vernachlässigt wurden. Nach meiner Auffassung böte sich aktuell die Anwendung des Instruments "konzertierten Aktion" (§ 3 StabG) an.