GEOkompakt Nr. 17 - 12/08 - Kindheit Seite 1 von 4
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Interview: Wege aus der Bildungskrise

Bernhard Bueb, der bekannteste Kritiker des deutschen Erziehungswesens, über Schulen, „Peergroups“ und den Wert von Erlebnispädagogik




Dr. Bernhard Bueb, 70, war 30 Jahre lang Leiter des Internats Schule Schloss Salem. In seinen Büchern "Lob der Disziplin" und "Von der Pflicht zu führen" fordert er, dass Eltern und Lehrer bei der Erziehung wieder stärker auf Disziplin und Gehorsam setzen sollten. Seine Kritiker werfen ihm vor, er wolle die gesellschaftlichen Verhältnisse der 1950er Jahre wiederherstellen.

GEOkompakt: Herr Bueb, Sie haben mehr als 30 Jahre Erfahrung als Lehrer. In Ihren Büchern ermutigen Sie Eltern dazu, ihre Kinder zur Disziplin zu erziehen. Waren Sie selbst ein aufmüpfiges Kind?

Bernhard Bueb: Nein, ich war ein sehr braves, aber auch sehr schüchternes Kind. Ich versuchte, es allen recht zu machen. Meine frühe Kindheit habe ich in Süd-Rhodesien verbracht, dem heutigen Simbabwe. Dort hatten die Briten meine Familie interniert. So bin ich quasi hinter Stacheldraht aufgewachsen. Aber in der Erinnerung war meine Kindheit wunderbar. Das lag daran, dass es unter den 2000 internierten Deutschen eine große Kindergemeinschaft gab.

Nach dem Zweiten Weltkrieg, 1947, zog meine Familie nach Stuttgart. Ich war damals neun Jahre alt. In Deutschland fand ich eine Großfamilie vor – mit Onkeln und Tanten, Vettern und Cousinen. Auch dort bin ich also in den Genuss eines Lebens in Gemeinschaft gekommen. Eine Erfahrung, die jedes Kind machen sollte.

Weshalb ist es für Kinder wichtig, innerhalb einer Gruppe aufzuwachsen?

Nur in der Gemeinschaft kann ein Kind die Tugenden des menschlichen Zusammenlebens erlernen, etwa Toleranz. Das kann ein Kind nicht durch Belehrung verinnerlichen. Es muss im Umgang mit Gleichaltrigen, der „Peergroup“, selbst erleben, wie schwer es etwa ist, zu akzeptieren, dass andere Kinder die gleichen Rechte haben. Oder dass ein anderes Kind auch einmal im Spiel gewinnen darf. Diesen Gemeinsinn können junge Menschen nur in einer Gemeinschaft erfahren.

Kinder sind aber doch auch grausam zueinander. Wie kann man sie in einer solchen Gruppe davor bewahren?

Man darf Gemeinschaften von Kindern oder Jugendlichen niemals sich selbst überlassen. Das endet unausweichlich im Chaos. Kinder sollten stets unter der Aufsicht von Erwachsenen stehen. Das ist für mich eine ganz feste Regel. Natürlich werden Kinder auch in einer Gemeinschaft die Schattenseiten des Menschen kennenlernen. Ebenso wie die eigenen unschönen Gefühle, etwa Neid oder Eifersucht.

Und wie sollen sie mit solchen schmerzhaften Gefühlen zurechtkommen?

Auch das bedarf der klugen Leitung von Erwachsenen. Deren Aufgabe ist es, den Kindern zu zeigen, wie man mit solchen natürlichen Regungen fertig wird. Sie sollten einem Kind verständlich machen, wann und warum ein Gefühl wie Neid aufflammt. Nämlich dann, wenn ein Kind nicht an sich glaubt und immer denkt, andere hätten es besser. Es muss daher lernen, sich selbst anzunehmen. Und das kann es am besten in einer von Erwachsenen betreuten Gemeinschaft. Nur wenn es sich selbst annimmt, kann es auch andere Menschen akzeptieren. Schon in der Bibel steht: „Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst.“ Psychologisch ist der Satz sehr klug.



Foto von: Christian Irrgang/A. Focus
© Christian Irrgang/A. Focus
Kinder, so Bueb, brauchten Gleichaltrige, um soziale Verhaltensregeln zu erlernen. Ein Zeltlager etwa fördere Toleranz und Gemeinsinn

In welchem Alter sollten Eltern ihren Nachwuchs mit außerfamiliären Gemeinschaften vertraut machen?

So früh wie möglich. Schon mit einem halben Jahr sollten Eltern ihre Sprösslinge in eine Kindertagesstätte einführen. Denn je früher Kinder anderen Kindern begegnen, mit ihnen spielen, essen und bei ihnen übernachten, desto früher erfahren sie zum Beispiel, dass nicht immer alles im Überfluss vorhanden ist. Dass man bestimmte Dinge teilen muss. Bereits ein Einjähriger ist in der Lage zu begreifen, dass ein anderes Kind das gleiche Recht auf ein Stück Schokolade hat.

Wie haben Sie Ihre Kindheit erlebt?

Ich hatte einen älteren Bruder, der sehr viel begabter war als ich. Er war zweifellos ein strahlendes Kind – ich dagegen war ziemlich mittelmäßig und unsicher. Er starb mit 13 Jahren. Da war ich elf.

Ich habe zwar keine Erinnerung daran, aber viele Menschen haben mir später erzählt, dass ich gelitten hätte unter diesem älteren Bruder, der so in der Sonne stand. Nach dem Tod meines Bruders wurde ich in die Rolle des Ältesten gehoben. Meinen Eltern ging es damals psychisch sehr schlecht. Dadurch wurde mir schon als junger Mensch eine außerordentlich große Verantwortung aufgeladen. In gewisser Weise hat mir das meine Jugendlichkeit genommen.

Und dennoch blieben Sie schüchtern?

Ja, sehr sogar. Ich hatte keinerlei Selbstwertgefühl, und ich mochte mich lange Zeit nicht. Das ist wirklich erstaunlich, da die ganze Geschichte meiner Kindheit dem widersprach. Aber ich hatte Schwierigkeiten, mich so anzunehmen, wie ich war. Ich fand mich zum Beispiel furchtbar hässlich, mochte mich nicht im Spiegel sehen. Daher ging ich ungern in Kaufhäuser mit diesen großen Spiegeln.

Waren Sie ein guter Schüler?

Ganz im Gegenteil. Ich war ein ständiger Schulversager. Als ich 1949 aufs Gymnasium kommen sollte, sagte meine Volksschullehrerin zu meinen Eltern, sie hätten einen sehr sympathischen Jungen, nur leider sei er ein wenig dumm. Sie riet ihnen davon ab, mich aufs Gymnasium zu schicken. Aber meine Eltern gehörten zum Bildungsbürgertum und glaubten natürlich, ihre Kinder seien klug.

Ich kam also aufs Gymnasium. Und blieb prompt in der fünften Klasse sitzen. Bis zur achten Klasse habe ich mich nur gequält. Ständig haben die Lehrer zu meinen Eltern gesagt: „Befreien Sie den Jungen doch von der Last. Nehmen Sie ihn vom Gymnasium.“

Dann passierte etwas ganz Entscheidendes: In der achten Klasse kam eine neue junge Englischlehrerin an unsere Schule, Fräulein Kaiser. Sie war die erste unter meinen Lehrern, die mir zu verstehen gab: Du bist nicht dumm. Sie überbrachte mir diese Botschaft so glaubhaft, dass ich ihr vertraute. Von dem Jahr an fasste ich Mut. Von da an glaubte ich an mich. Ich wurde zwar nie ein richtig guter Schüler. Aber ich habe eine vorzeigbare Gymnasialkarriere hingelegt.



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