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  23.08.2010, 10:20    

Portfolio: Steuerzahler haben ein Recht auf Vertrauensschutz

Rückwirkende Steueränderungen verstoßen gegen das Grundgesetz, weil sie den Vertrauensschutz der Steuerzahler unterlaufen. Drei entsprechende Beschlüsse fällte das Bundesverfassungsgericht vergangene Woche. von Robert Kracht
In den konkreten Fällen geht es um die Verlängerung der Spekulationsfrist bei privaten Grundstücksverkäufen, die gesunkene Schwelle für die Steuerpflicht bei GmbH-Anteilen sowie die ungünstigeren Tarife für Abfindungen. Die vom Verfassungsgericht entschiedenen Sachverhalte reichen bis vor die Verkündung der entsprechenden Gesetzesänderungen am 31. März 1999 zurück. Durch die neuen Regeln wurden die betroffenen Bürger plötzlich ungünstiger besteuert. Sie setzten sich zur Wehr - und waren letztlich erfolgreich.
Von den Entscheidungen des Verfassungsgerichts profitieren Hausbesitzer, Gesellschafter und Arbeitnehmer, wenn ihre Steuerbescheide zu den strittigen Sachverhalten noch nicht bestandskräftig sind. Da viele Betroffene den Fall über einen ruhenden Einspruch ohnehin schon seit Jahren offen gehalten hatten, kommt es jetzt oftmals zu einer Steuerrückzahlung.
Die 2009 eingeführte Verlängerung der Spekulationsfrist von zwei auf zehn Jahre bei privaten Grundstücksverkäufen ist insofern verfassungswidrig, als sie an einen zurückliegenden Sachverhalt anknüpft, so die Richter. Die grundsätzliche Fristverlängerung als solche ist dagegen nicht zu beanstanden (Az.: 2 BvL 14/02, 2/04 und 13/05). Daher darf ein bis zum 31. März 1999 bereits eingetretener Wertzuwachs nicht besteuert werden, wenn er nach alter Rechtslage wegen Ablauf der zweijährigen Spekulationsfrist bereits steuerfrei hätte realisiert werden können.
Begünstigt davon sind Immobilienbesitzer, bei denen die zwei Jahre bereits abgelaufen waren. Sie können bei Verkäufen nach 2008 eine nachträgliche Erstattung zu viel bezahlter Einkommensteuer auf den Gewinn erhalten.
Erfolgte die Veräußerung zwischen dem 1. Januar und dem 31. März 1999, bleibt der realisierte Gewinn in voller Höhe steuerfrei. Bei späteren Geschäften gilt das für das Verkaufsplus, das auf Wertzuwächse zwischen der ehemaligen Anschaffung und Ende März 1999 entfällt. Nachfolgende Preissteigerungen sind hingegen steuerpflichtig. Insoweit muss eine zeitliche Zuordnung in steuerfreie und -pflichtige Wertzuwächse bis Ende März und ab April 1999 erfolgen. Den Nachweis für das Finanzamt erbringen Hausbesitzer etwa durch ein entsprechendes Gutachten.
Profitieren können aber auch Anleger mit Anteilen an geschlossenen Immobilienfonds. Das betrifft sowohl Verkäufe, die von der Fondsgesellschaft durchgeführt worden waren, als auch die Veräußerung der Fondsanteile etwa über den Zweitmarkt.
Der Verkauf von privat gehaltenen Anteilen an Kapitalgesellschaften wie einer AG oder GmbH war bis Ende 1998 nach Ablauf der sechsmonatigen Spekulationsfrist nur steuerpflichtig, wenn der Anleger zu mehr als 25 Prozent beteiligt war. Diese Schwelle wurde 1999 auf zehn Prozent gesenkt und galt auch für den Altbestand.
Dies ist - wie bei den Immobilien - verfassungswidrig, soweit es Wertzuwächse bis zum 31. März 1999 betrifft (Az.: 2 BvR 748/05, 2 BvR 753/05, 2 BvR 1738/05). Wer also mit zehn bis 25 Prozent an der Gesellschaft beteiligt war und seine Anteile ab 1999 verkauft hatte, kann den bis März 1999 aufgelaufenen Gewinn jetzt steuerfrei stellen.
Umgekehrt lassen sich in solchen Fällen zwar auch keine Verluste mehr verrechnen. Da Beteiligte solche Fälle aber kaum aus eigenem Antrieb offen gehalten haben, müssen sie jetzt keine Nachteile mehr befürchten. Derzeit liegt diese sogenannte Wesentlichkeitsgrenze nur noch bei einem Prozent - 2002 war sie erneut gesenkt worden.
Bekamen Arbeitnehmer bis Ende 1998 eine Entlassungsentschädigung, wurde diese nur mit der Hälfte des durchschnittlichen Steuersatzes belegt. Für Zahlungen ab 1999 gilt nur noch eine geringe Tarifermäßigung, die insbesondere bei gekündigten Managern mit Spitzenprogression gegen null tendiert.
Hier darf die alte und deutlich günstigere Regel ebenfalls noch angewendet werden, entschieden die Verfassungsrichter (Az.: 2 BvL 1/03, 2 BvL 57/06, 2 BvL 58/06). Das gilt für Abfindungsvereinbarungen zwischen dem 1. Januar und 9. November 1998, die ab 1999 ausbezahlt worden sind. Hinzu kommen ältere Vereinbarungen bis Ende 1997, sofern der Zufluss des Geldes bis 31. März 1999 erfolgt war.
  • 23.08.2010
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