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  27.08.2010, 11:00    

Dienstpflicht: Im Zweifel für die Freiheit

Leitartikel Kaum etwas ist so verführerisch für Ältere wie der Drang, Jüngeren vorzuschreiben, wie sie zu leben haben. Insofern ist die Idee der CDU-Ministerpräsidenten Roland Koch und Peter Müller, eine allgemeine Dienstpflicht für junge Leute einzuführen, nur folgerichtig. Dennoch geht der Vorstoß zu weit.
Die Verpflichtung zu einem sozialen Dienst ist ein sehr weitreichender Eingriff in die Entscheidungsfreiheit junger Menschen über ihre Lebensgestaltung. Es bedarf gewichtiger übergeordneter Gründe, um einen solchen Eingriff zu rechtfertigen. Bei der Einführung des Wehrdiensts in den 50er-Jahren waren diese Gründe gegeben. Es ging darum, die Bundeswehr in der Gesellschaft zu verankern, um nach der Erfahrung des Zweiten Weltkriegs zu verhindern, dass die Bundeswehr einen "Staat im Staate" bildet.
Der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU)   Der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU)
Für soziale Dienste von Jugendlichen gibt es ebenfalls gute Gründe. Sie sind jedoch nicht gewichtig genug, um jungen Menschen vorzuschreiben, wie sie eine beträchtliche Anzahl von Monaten verbringen sollen.
Da ist einmal das Argument, dass die Erfahrung einer gemeinnützigen Tätigkeit ähnlich wertvoll sei wie eine fachliche Ausbildung. Selbst wenn das stimmt, reicht es nicht aus, um diese Erfahrung zu einer allgemeinen Pflicht auf ähnlich zwingendem Niveau wie die Schulpflicht zu machen. Im Gegenteil: Gerade wenn soziale Dienste eine individuelle Bereicherung darstellen, wäre das ein Grund, offensiver für jene freiwilligen Dienste zu werben, wie sie schon jetzt als freiwilliges soziales Jahr existieren.
Als zweiter Grund wird häufig angeführt, dass soziale Einrichtungen wegen des demografischen Wandels und der Abschaffung des Zivildiensts bald unter erheblichem Personalmangel leiden werden. Das ist zweifellos richtig, wobei der Wegfall der Zivildienstleistenden allein zu verkraften wäre, da ihre Zahl in den vergangenen Jahren bereits erheblich gesunken ist.
Das eigentliche Problem ist die alternde Gesellschaft, und diese stellt uns tatsächlich vor ernsthafte Probleme.
Nun ist ein Eingriff in die Freiheit der individuellen Lebensplanung aber derart schwerwiegend, dass zuerst alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft werden sollten. Und die gibt es: etwa über eine höhere Bezahlung von Pflegekräften und eine Professionalisierung eines Teils der Freiwilligendienste. Sicher, das kostet Geld, das alle Bürger über Steuern oder Zwangsbeiträge aufbringen müssen. Ein Eingriff in Einkommen oder Vermögen der Bürger ist aber weniger schwerwiegend als einer in ihre Lebensplanung. Zumal Steuern und Beiträge den Vorteil haben, dass alle sie entrichten - während eine Dienstpflicht nur eine Minderheit trifft.
Dennoch ist der Vorstoß wichtig, weil er eine Debatte anstößt über den Wert freiwilliger Arbeit und darüber, wie sie durch sinnvolle Anreize attraktiver gestaltet werden kann. Diese Debatte sollten wir führen - und nicht das hohe Gut der Freiwilligkeit durch eine Dienstpflicht entwerten.
  • 27.08.2010
    © 2010 Financial Times Deutschland
Kommentare
  • 27.08.2010 20:53:27 Uhr   Hans Klotz: Sicherheitsverwahrung doch gleich für alle!

    Man kann den grundgesetzwidrigen Bullshit doch noch steigern!

    Warum nicht 5 Jahre Zwangsdienst für Linkshänder, oder wie wär's mit lebenslangen neudeutschen "Sicherheitsverwahrung für alle!", da kann dann die mittlerweile nur noch in ihrem Selbstverständnis monarchistisch waltende Regierungskaste die so zwangsprivatisierten humanen Volksressourcen wie die alten guten Leibeigenen zur beliebigen Umerziehungsarbeit wie in einer nordkoreanischen Kolchose per Megaphon und Tagesbefehl einteilen!
    Da vergeht dann schon dem widerspenstigen Wahlvolk das Verlangen nach Individualität und demokratischer Freiheit und alle flöten obrigkeitsgefällig wie in Nord Korea nur noch regimkonforme Poesiegesänge auf die weisen Genossen Vorsitzenden! Das wär doch was, oder?!

    Zum Thema:
    von über 3.000.000 im deutschen Sozialbereich Tätigen sind gerade 20.000 als Sozialzivis tätig (von jährlich 40.000 Zivis), d.h. wir sprechen hier nur über eine ggf. vorübergehende Schwankung von max. 0,66%!
    Und die werden mit 500 EUR pro Monat entlohnt (was vor einigen Jahren noch ein Hungerlohn war!), was aber bei mittlerweile über 7.000.000 Hartz-IV-Empfängern mit je 350 EUR Sterbensgeld monatlich sicher nicht zur Knappheit der Interessenten führen würde!

    Also: wenn die CDU durch solche üblichen "Law and Order"-Debatten zur Überwältigung der Demokratie ihr verhunztes Parteiprofil wieder schärfen möchte, dann legt Euch andere pseudo-rhetorische Argumentionsketten zur Wahrung Eurer Pfründe auf dem Rücken des entrechteten Steuerzahlers zurecht und nimmt Eure begehrlichen Gichtgriffel von Themen wie Zwangsarbeit von mal heute mal morgen per Zufall königlich auserkorenen Minderheitsgruppen Eures Souveräns!

    Empfehlung des gemeinen Volkes:
    mal wieder das Grundgesetz und die EU-Menschenrechtscharta von A-Z studieren und verstehend merken, statt nur von Tag zu Tag immer mehr vom Recht und Verfassung ungestraft abzuheben und sich nur der gewieften Mehrung Eurer eigenen Spesen und Diäten hinzugeben!

  • 27.08.2010 17:02:07 Uhr   Zeitzeuge: Konkret:
  • 27.08.2010 15:48:04 Uhr   Nils: Das ging ja schnell
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