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  22.08.2010, 08:00    

Glaube gegen Zaster: Kirchenmann trifft Heuschrecke

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche, Nikolaus Schneider, und Hedge-Fonds-Verkäufer Markus Sievers streiten über ethisches Zocken, die Schuld von Spekulanten und Banker, die Gottes Werk vollenden.
© Bild: 2010 Oliver Tjaden
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche, Nikolaus Schneider, und Hedge-Fonds-Verkäufer Markus Sievers streiten über ethisches Zocken, die Schuld von Spekulanten und Banker, die Gottes Werk vollenden.
Herr Sievers, Hedge-Fonds wetten auf fallende Aktienkurse, spekulieren gegen den Euro und wollen sogar aus der Pleite von Staaten Gewinn schlagen. Wundert es Sie da noch, dass Ihre Branche einen schlechten Ruf hat?
Markus Sievers: Offen gestanden, ja. Hedge-Fonds müssen mittlerweile für fast alles herhalten, was während der Finanzkrise schiefgelaufen ist. Vor allem Politiker machen es sich einfach. Sie haben sich auf unsere Branche richtig eingeschossen.
Tragen Sie denn gar keine Schuld?
Sievers: Ich sage Ihnen: Es ist unfair zu behaupten, dass wir die Hauptschuld an der Krise trügen. Das genaue Gegenteil ist der Fall. Hedge-Fonds dürfen längst nicht alles, sie bewegen sich in einem regulierten Umfeld. Und sie waren mit die Ersten, die die Fehlentwicklungen in Griechenland aufgedeckt haben. Das war nicht gesellschaftsschädlich, sondern ein Dienst an allen Anlegern, die bisher von den Gefahren dort nichts ahnten. Ich gehe sogar so weit zu sagen: Das war verantwortungsvolles und ethisches Investieren im besten Sinne.
Nikolaus Schneider, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in ...   Nikolaus Schneider, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD)
Präses Schneider, Hedge-Fonds-Manager als ethische Investoren, die gar das Werk Gottes verrichten, wie es Goldman-Sachs-Chef Lloyd Blankfein formuliert hat? Da müssten Sie eigentlich vom Glauben abfallen.
Nikolaus Schneider: Herr Sievers möge mir verzeihen: Aber den ethischen Mehrwert der Wetten gegen Griechenland kann ich wirklich nicht erkennen. Was dort passiert, erlebt ein Hedge-Fonds-Profi wie Sie doch rein virtuell vor dem Bildschirm, die Menschen in Griechenland leiden dagegen an den realen Folgen. Ihnen drohen Arbeitslosigkeit, Lohn- und Rentenkürzungen, während einige wenige Finanzprofis das große Geld verdienen. Wer das Gottes Werk nennt, begeht Gotteslästerung. Das muss ich so klar sagen. Es zeigt, wie sehr manche Marktteilnehmer jedes Maß verloren haben.
Aber deren Maßlosigkeit allein kann nicht der einzige Grund für die Ungleichgewichte sein.
Schneider: Nein, fairerweise muss man feststellen: Es liegt nicht nur an den Akteuren. Unser gesamtes Finanzsystem ist von Grund auf falsch ausgerichtet. Es orientiert sich nur am Wohle einiger weniger und nicht am Wohle aller.
Sievers: Einspruch. Natürlich ist es Unsinn zu behaupten, Hedge-Fonds-Manager seien in göttlicher Mission unterwegs. Aber es gibt kein besseres System als freie Märkte, um die Ungleichgewichte aufzudecken, von denen Sie sprechen. Die zu bekämpfen kann aber nicht Aufgabe von Finanzinvestoren sein. Darum muss sich die Politik kümmern. Wir sind schließlich nur der Überbringer der schlechten Nachricht, nicht ihr Verursacher.
Schneider: Da machen Sie es sich zu einfach. Wenn Hedge-Fonds auf fallende Kurse setzen, wirkt sich das fast immer negativ aus. Denn obwohl Staaten wie Griechenland in der Vergangenheit tatsächlich nicht gut gewirtschaftet haben, macht Ihre Branche alles nur noch schlimmer: Das Land wurde gezielt schlechter geredet, als es ist, um an den Wetten auf seinen Niedergang zu verdienen. Das ist in höchstem Grade unmoralisch.
Sievers: Das sehe ich anders. Im Falle Griechenlands hat die Regierung die Zahlen manipuliert, die Schuld liegt also bei der Politik und nicht bei uns. Die meisten Hedge-Fonds-Anbieter sind nämlich gewissenhafte Unternehmen, die die Gesetze des Kapitalmarkts und Moral wunderbar miteinander in Einklang bringen. Wir spielen eine wichtige Rolle für das Funktionieren von Wirtschaft und Gesellschaft und nehmen diese Aufgabe sehr ernst.
Präses Schneider, nehmen Sie Herrn Sievers den Musterschüler ab?
Schneider: Na ja, ich nehme Herrn Sievers ab, dass er selbst keine schlechten Absichten hegt. Aber jetzt trägt er deutlich zu dick auf.
Sievers: Ich gebe Ihnen gern ein Beispiel dafür, dass Hedge-Fonds eine nützliche Rolle spielen: Ohne sie wäre es viel schwerer, faire Preise auf den Rohstoffmärkten zu finden. Nehmen wir nur einmal die Entwicklung des Ölpreises. Im Jahr 2008 kletterte er auf das Rekordniveau von 150 Dollar pro Barrel. Verantwortlich für diese Entwicklung waren zum einen Investoren, die langfristig mit einem Schwinden der Ölreserven rechnen. Zum anderen Anleger, die von der Spekulationsblase so lange wie möglich profitieren wollten und darum die Preise weiter in die Höhe getrieben haben.
Schneider: Sie wollen mir doch nicht erzählen, dass Hedge-Fonds daran nicht mitgewirkt haben.
Sievers: Haben sie nicht. Es waren die Hedge-Fonds, die durch Leerverkäufe diese unsinnige Rennerei in eine Richtung korrigiert haben. In großer Zahl haben sie mit Derivaten auf einen sinkenden Ölpreis gesetzt und damit dem Markt gezeigt, dass es sich um eine kurzfristige Übertreibung handelte. In der Folge sank der Preis auf ein faires Niveau unter 100 Dollar – zum Wohle aller Autofahrer.
Schneider: Ihre Argumentation verdeutlicht den Irrwitz jeder Art von Spekulation. Unabhängig davon, ob man mit steigenden oder fallenden Kursen rechnet: Wie sinnvoll ist es denn, auf künftige Preisentwicklungen zu wetten? Das sind doch Wolkenkuckucksheime, die mit realem Wirtschaften überhaupt nichts mehr zu tun haben. In diesem Zusammenhang von einem fairen Preis zu sprechen, halte ich für absurd.

Teil 2: "Hedge-Fonds sind keineswegs immer nur die Bösen"

Gefunden bei: capital.de

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