FTD-Serie: Neustart der Ökonomie
Von der Krise wurde die Zunft der Wirtschaftswissenschaftler mit wenigen Ausnahmen überrollt. Jetzt spüren einige Theoretiker wieder festeren Boden. Die FTD stellt die neuen Denker von nun an jeden Dienstag vor - in Kooperation mit dem Institute for New Economic Thinking.
Neue Denker (22): Bruno Frey und die Ökonomie des Glücks
Begriffe wie Freundschaft und Zufriedenheit hatten in der Ökonomie lange nichts zu suchen. Bruno Frey hat das Thema als einer der Ersten entdeckt - und kommt zu frappierenden Ergebnissen.Deutschen Firmen geht es langsam wieder besser, die Krise scheint überwunden - eigentlich ein Grund zur Freude. Eigentlich. In Wahrheit aber hängt das individuelle Wohlbefinden der Menschen nicht so stark vom Wachstum der Wirtschaft ab wie oft angenommen.
Herausgefunden hat das Bruno Frey, Professor für Verhaltensökonomie und Pionier der Glücksforschung. Er denkt darüber nach, wie sich Inflation, Wachstum und Joblosigkeit auf den Menschen auswirken. Eine Frage, die sich Ökonomen lange gar nicht stellten. Denn der Mensch ist in der Mainstream-Ökonomie ein strikt rationales Wesen. Er maximiert seinen Nutzen, nicht sein Glück, es gilt die Regel: mit möglichst wenig Aufwand möglichst viel erwirtschaften. "Arbeit ist in der herkömmlichen Theorie eine Last", sagt Bruno Frey. Die Glücksforschung hat diese These widerlegt: Arbeit kann glücklich machen.
Die Idee
Das Beispiel zeigt, woran es dem Ansatz des Nutzenmaximierers mangelt: Immaterielle Werte flossen lange nicht in die Berechnung des Nutzens ein. Dabei erhöhen gerade diese den Wert des Glücksfaktors Arbeit enorm. "Man wird gebraucht, und man wird in der Gesellschaft anerkannt", sagt Frey. Gift für das persönliche Wohlbefinden ist es dagegen, wenn enge Hierarchien den Arbeitsalltag bestimmen.
Der Einfluss von Geld auf die persönliche Zufriedenheit wird dagegen oft überschätzt. Menschen mit einem hohen verfügbaren Einkommen sind zwar grundsätzlich glücklicher - insofern bestätigt Freys Theorie die bisherigen Denkmodelle. Aber: Eine Steigerung bewirkt nur bei Ärmeren auch einen Anstieg des Glücksgefühls, und diesen dann auch nur für kurze Zeit. Freys Erklärung: "Menschen gewöhnen sich sehr rasch an materielle Verbesserungen." Besonders sei dies bei Gütern wie einem teuren Auto oder einer neuen Wohnung der Fall. Schon nach kurzer Zeit strebe der Mensch nach einer erneuten Verbesserung.
Anders verhalte es sich mit zwischenmenschlichen Beziehungen. Der Nutzen, der daraus resultiert, ist weit nachhaltiger, wird jedoch oft unterschätzt. Hier sieht Frey die Grenzen der Rationalität des Menschen. "Immaterielle Güter kann man sich nur schwer vorstellen." Eine Freundschaft sei unheimlich wertvoll, aber ihr Entstehen und der Nutzen, den sie bringt, seien im Voraus nur schwer einzuschätzen.
Was Praktiker daraus lernen
Freys neueste Forschungsergebnisse belegen: "Glückliche Leute sind produktiver." Unternehmern sollte daher besonders daran gelegen sein, dass es ihren Angestellten gut geht. "Besonders wichtig ist, dass es flexible Möglichkeiten in Bezug auf Länge und Art der Arbeit gibt", hat Frey herausgefunden.
Je selbstbestimmter ein Arbeitnehmer seine Aufgabe angehen könne, desto zufriedener sei er auch. Der Staat sollte sich aber nicht zusätzlich einmischen, um dieses Ziel zu erreichen: "Es bringt nichts, wenn er versucht, ein aktiver Glücksbringer zu werden", sagt der Ökonom. Es sei sogar wichtig, den Bürger möglichst selten vor vollendete Tatsachen zu stellen und ihn viel am Politikprozess teilhaben zu lassen. Menschen in direkten Demokratien wie in der Schweiz seien daher tendenziell glücklicher als die Einwohner anderer Länder.
Schweizer Glückspionier |
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Vita Bruno Frey lehrt und forscht als Professor an der Universität Zürich. 2007 erhielt der 69-Jährige den Gustav-Stolper-Preis, eine renommierte Auszeichnung des Vereins für Socialwissenschaften. |
Forschung Der Schweizer Verhaltensökonom untersucht den Grenzbereich zwischen Wirtschaft und Psychologie. Im Bereich der Glücksforschung ist er einer der weltweit führenden Wissenschaftler. |
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FTD.de, 24.08.2010
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