FTD-Serie: Neustart der Ökonomie
Von der Krise wurde die Zunft der Wirtschaftswissenschaftler mit wenigen Ausnahmen überrollt. Jetzt spüren einige Theoretiker wieder festeren Boden. Die FTD stellt die neuen Denker von nun an jeden Dienstag vor - in Kooperation mit dem Institute for New Economic Thinking.
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Neue Denker (23): Charles Goodhart und das Versagen der Finanzmärkte
Vor der Krise hatten Banken weltweit ihre Risikoscheu abgelegt. Befeuert wurde der Trend von Bilanzregeln, die das Auf und Ab verstärken. Höchste Zeit das zu ändern, sagt Charles Goodhart.Würden die Finanzmärkte perfekt funktionieren, dürfte es eigentlich keine Bankenkrisen geben: Die Anleger würden die Institute abstrafen, wenn sie zu viele Risiken eingehen und damit die Pleitegefahr erhöhten.
Tatsächlich aber gehen Banken in guten Zeiten systematisch zu hohe Risiken ein, wie die jüngste Krise gezeigt hat, diagnostiziert der Ökonom Charles Goodhart. In der Krise ist es dann meist zu spät und staatliche Rettung nötig. Die Bankenregulierung habe das Problem zuletzt eher noch verschlimmert.
Die Idee
Bankenkrisen geschehen nicht aus heiterem Himmel, sagt Goodhart, sondern sind meistens Folge von übertriebenen Boomphasen. Diese kommen zustande, wenn die Finanzmärkte sowie die Banken ihre gesunde Risikoscheu ablegen. Dann sinken die Zinsaufschläge, und die Kreditvergabe schießt in die Höhe.
Das bislang geltende Regulierungssystem von Banken - Basel II genannt - tat nichts dagegen, weil die Regulierung sich bei der Risikobeurteilung, de facto also den Werten von Vermögensteilen, an den Marktpreisen orientiert. Die sind aber den Zyklen von Euphorie und Depression unterworfen. In der Euphoriephase signalisieren sie, dass Risiken gesunken seien. Das ist, was die Bank ohnehin schon glaubt - irrtümlicherweise.
Entscheidend ist laut Goodhart, dass die Regulierung der Banken dem gegensteuert und die Institute nicht noch zusätzlich in ihrem Irrtum bestärkt. "Die Kapitalvorschriften für die Banken sollten antizyklisch gestaltet sein", sagt der frühere Chefvolkswirt der Bank von England. Bislang wirkten sie eher prozyklisch, verstärkten also das Auf und Ab. Bislang reduzieren Banken erst in Krisenzeiten ihre Kreditvergabe - wenn die Ausfälle steigen und die Risikoprämien auf den Finanzmärkten zulegen, was wiederum den Unternehmen noch einmal zusätzliche Schwierigkeiten bereitet.
"Die Boomzeiten sind die besten Zeiten für Finanzinstitute, Polster zu bilden", sagt Goodhart daher. Derzeit sind die Anreize für Banken völlig andere. Daher jagten sie in den Boomphasen jedem noch so heiklen Kreditwunsch hinterher. Hielten sie sich nämlich zu sehr zurück, würden sie weniger Gewinne einfahren, Anleger würden ihnen den Rücken kehren, so der Experte. "Das ist der Grund, warum wir Bankenregulierung brauchen: Die Märkte versagen regelmäßig, und die folgenden Zusammenbrüche haben katastrophale Wirkungen." Die bis 2008 geltenden Bewertungen anhand aktueller Marktwerte seien zusammen mit den Eigenkapitalvorschriften von Basel II eine regelrechte "prozyklische Untergangsmaschinerie", sagt Goodhart.
Was Praktiker daraus lernen
Die Idee, in die Bankenaufsicht antizyklische Elemente einzubauen, ist eines der wichtigsten Elemente der Reformbemühungen der Aufsichtsbehörden.
Die Überlegungen gehen derzeit dahin, einen zusätzlichen "antizyklischen Kapitalpuffer" vorzuschreiben. Dieser könnte sich an der Quote von Kreditvergabe und Bruttoinlandsprodukt orientieren. Liegt diese Quote weit über ihrem langjährigen Schnitt, sollte für schlechtere Zeiten vorgesorgt werden. Ein aktueller Vorschlag von Goodhart zielt darauf, Banken in schweren Zeiten die Auszahlungen von Boni oder Dividenden zu beschränken. Damit würden sie gezwungen, mehr Liquidität vorzuhalten.
Kenner der Finanzbranche |
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Veteran Der 73-jährige Charles Goodhart ist emeritierter Professor an der London School of Economics, an der er bereits seit 1985 lehrt und forscht - unter anderem zum Thema Geldpolitik. |
Insider Goodhart ist ein ausgewiesener Kenner der Finanzbranche. Er war Berater der Bank of England und spielte eine wichtige Rolle am renommierten Forschungszentrum LSE Financial Markets Group. |
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04.09.2010
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