FTD.de » Unternehmen » Finanzdienstleister » Die Bankenqualen nach Basel

6 Bewertungen  Schriftgröße: AAA

  13.09.2010, 16:07    

Neue Eigenkapitalregeln: Die Bankenqualen nach Basel

Sie sind raus, die neuen Kennzahlen und Quoten, die das Leben der Geldhäuser künftig bestimmen werden. Nun müssen die Banken reagieren - einige haben dabei große Startvorteile. Ein Überblick. von Christine Mai  Frankfurt
Das bange Warten hat ein Ende - vorerst: Am Sonntag einigten sich internationale Aufseher und Notenbanker auf neue Eigenkapitalanforderungen für Banken. Die Geldhäuser sollen mehr und vor allem hochwertigeres Kapital vorhalten, das Verluste trägt. Das soll sie besser für künftige Krisen rüsten.
Auch wenn eine Reihe von Details noch unklar sind, sollten die vereinbarten Grundsätze den Instituten Sicherheit geben. Sie hätten "jetzt eine vernünftige Basis, auf der sie ihr Kapital- und Geschäftswachstum planen können", schreiben Analysten von Credit Suisse. "Unserer Meinung nach sollte das ein positiver Katalysator für den ganzen Sektor sein." FTD.de gibt einen Überblick über Beschlüsse, Konsequenzen und Reaktionen.
Die Aufseher und Notenbanker haben das Eigenkapital neu definiert und neue Quoten festgelegt. Im Zentrum steht das "harte" Kernkapital (Core Tier 1). Es besteht nur aus Grundkapital und einbehaltenen Gewinnen. Das sind die hochwertigsten Formen von Eigenkapital, weil sie Verluste tragen und jederzeit verfügbar sind.
Ihr Anteil am Kernkapital soll vom derzeit vorgeschriebenen Minimum von zwei Prozent ab 2013 schrittweise erhöht werden, ab 2015 soll das "harte" Kernkapital dann 4,5 Prozent der risikogewichteten Aktiva ausmachen. Das sind 75 Prozent der Kernkapitalquote (Tier 1), die auf 6 Prozent angehoben wird. Damit haben sich die Verfechter einer harten Linie durchgesetzt - Deutschland hatte auf einen Anteil von nur 50 bis 60 Prozent gedrungen.
Kleinere Rolle für Stille Einlagen
Auch in einem anderen Punkt gab Deutschland nach: Bereits ab 2013 gelten die vor allem hierzulande genutzten Stillen Einlagen bei Aktiengesellschaften (AG) nicht mehr als hartes Kernkapital. Bei Nicht-AGs werden stille Beteiligungen oder ähnliche Kapitalformen noch bis 2023 anerkannt, allerdings mit sinkenden Anteilen.
Damit gelten für die Landesbanken, die diese Instrumente vor allem nutzen, je nach ihrer Rechtsform künftig unterschiedliche Maßstäbe. Stille Einlagen, die als Staatshilfe gegeben worden waren, wie etwa bei der Commerzbank , gelten bis 2018 weiter. Deutschland hatte für einen unbegrenzten Erhalt der Stillen Einlagen plädiert.
Ein neuer Kapitalpuffer soll verhindern, dass das Kapital in Krisen zu schnell aufgezehrt wird. Wird er unterschritten, muss die Bank Beschränkungen bei der Dividende hinnehmen. Der Puffer erhöht damit praktisch die Mindestkernkapitalquote. Er besteht aus 2,5 Prozent "hartem" Kernkapital.
Analysten von Credit Suisse verweisen darauf, dass das Minimum für das "harte" Kernkapital damit praktisch bei sieben Prozent liegt. "Wir glauben, dass jede börsennotierte Bank, die unter das Puffer-Niveau fällt, vom Markt ernsthaft bestraft werden würde", schreiben sie. Acht Prozent werden aus ihrer Sicht der neue Marktstandard werden, und ab zehn Prozent sehen sie Überschusskapital. Die Deutsche Bank  etwa wäre damit nach der geplanten Kapitalerhöhung um 9,8 Mrd. Euro gerade so auf Marktstandard - ihr Chef Josef Ackermann  sagte am Montag, nach dem Schritt werde die "harte" Kernkapitalquote bei "etwa acht Prozent" liegen.
Zusätzlich kann noch ein weiterer "antizyklischer Puffer" von bis zu 2,5 Prozent hinzu kommen, der den Absturz nach dem Platzen einer Kreditblase abfedern soll. Darüber sollen allerdings die nationalen Aufseher entscheiden. Systemrelevante Banken, deren Kollaps das gesamte System gefährden würde, sollen zudem höhere Kapitalanforderungen erfüllen als andere. Diese müssen aber noch ausgearbeitet werden.
Auch für das Liquiditätsmanagement der Banken gibt es neue Regeln. Zwei Kennzahlen, die Liquidity Coverage Ratio (LCR) und die Net Stable Funding Ratio (NSFR) sollen verhindern, dass unterschiedliche Fristigkeiten von Finanzierungen und Verbindlichkeiten die Banken im Krisenfall in Schieflagen bringen. Das war in der jüngsten Krise geschehen, etwa bei der britischen Hypothekenbank Northern Rock. Für die Einführung gibt es lange Übergangsfristen: Die LCR soll ab 2015 gelten, die NSFR 2018.
Schließlich soll die Verschuldung der Geldhäuser begrenzt werden, um Risiken einzudämmen. Dazu wird die sogenannte Leverage Ratio genutzt. Sie gibt an, wie groß die Bilanzsumme im Verhältnis zum Eigenkapital ist. Die Obergrenze soll beim 33-Fachen des Tier-1-Kapitals liegen. Auch die Leverage Ratio soll erst 2018 verbindlich gelten.
Der Baseler Ausschuss selbst geht davon aus, dass "große Banken insgesamt eine bedeutende Menge an zusätzlichem Kapital benötigen werden, um diese neuen Anforderungen zu erfüllen". Mit genauen Berechnungen für einzelne Geldhäuser tun sich Analysten noch schwer, da viele Details noch unklar und die Übergangsfristen lang sind.
Viele Banken erfüllen die strikteren Vorgaben bereits. Analysten des Researchhauses Creditsights sehen europäische Banken bei einer durchschnittlichen Core-Tier-1-Quote von 8,7 Prozent und die Tier-1-Quote bei 10,7 Prozent.
Laut Analysten könnte JP Morgan als eine der ersten Banken reagieren   Laut Analysten könnte JP Morgan als eine der ersten Banken reagieren
Die Geldhäuser, die bereits jetzt überdurchschnittlich gut kapitalisiert sind, dürften davon profitieren. Basel III werde die Differenzierung der Banken seitens Investoren verstärken, erwarten Analysten von Morgan Stanley. Große US-Institute und einige europäische Häuser, die bereits heute hohe Kapitalquoten ausweisen, werden ihrer Einschätzung nach bald damit beginnen, Dividenden zu erhöhen und Aktienrückkaufprogramme zu starten. Damit würden sie attraktiver für Anleger. Mit Aktienrückkaufprogrammen lässt sich der Gewinn je Aktie steigern, ohne dass das Ergebnis zugelegt hat.
"Wir glauben, dass die nordeuropäischen Banken die ersten sein werden, die Dividenden anheben werden, gefolgt von den Schweizern", schreiben die Analysten. Auf der anderen Seite des Atlantiks gelten Geldhäuser wie JP Morgan Chase  und die kanadischen Banken als Kandidaten. Die Experten erwarten, dass allein die US-Institute die Dividende von derzeit durchschnittlich acht Prozent auf 29 Prozent im Jahr 2012 anheben werden.
JP-Morgan-Chef Jamie Dimon hat bereits Aktienrückkäufe in Aussicht gestellt. Als Zeitpunkt für Dividendenerhöhungen und Aktienrückkaufprogramme nennen die Morgan-Stanley-Analysten für die US-Banken das Jahr 2011, einige könnten demnach bereits im vierten Quartal 2010 beginnen. "Das sollte positiv für die Aktien sein."
Einige Kritiker wiederholten mit Blick auf die Beschlüsse ihre Bedenken. Der Bundesverbandes Öffentlicher Banken Deutschlands (VÖB), der unter anderem die Landesbanken vertritt, warnte vor einem geringeren Spielraum für die Kreditvergabe, besonders an Mittelständler. Auch der Vorsitzende der CDU-Mittelstandsvereinigung, Josef Schlarmann, sagte im Deutschlandradio Kultur, sollten die neuen Regeln nun die Kreditvergabe erschweren, "dann trifft das mit Sicherheit den Mittelstand".
Der VÖB bemängelte zudem, die Übergangsfristen seien zu kurz. Es sei bedauerlich, dass die in der EU für Stille Einlagen vereinbarten Übergangsfristen bis 2040 nicht übernommen worden seien. "Insgesamt kann die Einigung nur als 'regulatorischer Blindflug' bezeichnet werden, weil keine Auswirkungsstudien für diese Beschlüsse vorgesehen sind", monierte VÖB-Hauptgeschäftsführer Karl-Heinz Boos.
Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann begrüßt die Beschlüsse   Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann begrüßt die Beschlüsse
Die deutschen Volks- und Raiffeisenbanken zeigten sich hingegen entspannt. "Wir gehen fest davon aus, dass unser Genossenschaftskapital auch nach Basel III als hartes Kernkapital anerkannt wird", sagte Gerhard Hofmann, Vorstandsmitglied des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken am Montag der Nachrichtenagentur Reuters.
Deutsche-Bank-Chef Ackermann begrüßte die neuen Regeln. Die Auswirkungen auf die Realwirtschaft würden durch die Einführung in mehreren Phasen reduziert. "Alles in allem ist das ein gutes rundes Paket, das wir sehr unterstützen", sagte Ackermann, der auch Chef des Internationalen Bankenverbandes IIF ist. Auch Frankreichs Finanzminsterin Christine Lagarde und Finnlands Zentralbankchef Erkki Liikanen äußerten sich positiv, sie sehen keine negativen Auswirkungen auf die Kreditvergabe und das Wachstum.
  • 13.09.2010
    © 2010 Financial Times Deutschland
Tools für Unternehmer
 
Gründung Finanzierung Steuern Firmenwert Vorlagen
Verträge und Vorlagen Sie benötigen Dokumente und nützliche Arbeitshilfen für Ihren Geschäftsalltag? Wählen Sie aus fast 5.000 rechtssicheren und aktuellen Verträgen, Vorlagen, Checklisten, Rechentabellen oder Ratgebern. mehr
FTD-Versicherungsmonitor

Die FTD baut ihre Versicherungsberichterstattung aus. Von Montag bis Freitag erscheint täglich der FTD-Versicherungsmonitor. Er hat alle wichtigen Namen und Nachrichten auf dem Radar und bündelt aus verschiedenen Quellen die wichtigsten Informationen. So erhalten Sie einen exzellenten Überblick über die Assekuranz, analytisch kommentiert von FTD-Versicherungskorrespondent Herbert Fromme.

Kostenlos abonnieren
Sie erhalten den FTD-Versicherungsmonitor per Mail um die Mittagszeit. Kostenlos abonnieren können Sie den Newsletter hier

  • Kapitalanforderungen: Jetzt kommt es auf die Dividenden an

    Die neuen Eigenkapitalregeln nach Basel III werden die Bankenbranche in eine Zweiklassengesellschaft teilen: Finanziell schwachbrüstige Institute müssen Gewinne thesaurieren, stark kapitalisierte Institute werden bald ihre Dividenden deutlich erhöhen. mehr

  •  
  • blättern
  Bilderserie Von Boeing bis Skycruise Tops und Flops bei Luftschiffen

Bilderserie

  16:56 Wirtschaft Dispozinsen zu hoch?
Wirtschaft: Dispozinsen zu hoch? (00:01:52)

Verbraucherschützer kritisieren: Banken und Sparkassen geben historisch niedrige Zinsen ungenügend an Kunden weiter. mehr

 



markets
  DAX 6275,41  [13.73 +0,22%
  Dow Jones 10563,99  [19.86 +0,19%
   [ %
  Euro Stoxx 50 2806,47  [1.41 +0,05%
Meine FTD.de
FTD.de als Startseite

Starten Sie automatisch. Es geht ganz einfach. mehr


Alex - der Comic aus der FTD
Das De-facto-Ende der Wehrpflicht ist für Deutschland ...

 

Das De-facto-Ende der Wehrpflicht ist für Deutschland ...

Zum Ergebnis Alle Umfragen

Immobilien-Kompass Immobilien-Kompass

Bewertung von Wohnlagen und Immobiliensuche in Deutschland und Europa.  mehr

Businesstalk

Diese Begriffe sollte man als angehender CEO besser kennen. mehr

Businesstalk
Sudoku

Lösen Sie das Zahlenkniffel mehr

leicht mittel schwer

Sudoku - Lösen Sie das Zahlenkniffel
Sonderbeilagen

Trends und Themen gebündelt mehr

Konzerne versichern
Konzerne versichern
  •  
  • blättern
Who's who?

Die umfassende FTD-Personendatenbank mehr Testen Sie ihr Wissen!

Who is who?: Wolfgang Reitzle
Welches Amt übt Wolfgang Reitzle aus?
FTD-Mobil

Aktuelle Nachrichten und Börsenkurse rund um die Uhr. mehr FTD-Mobil

Newsletter

Egal ob Eilmeldung oder Wochenrückblick - bei uns erhalten Sie die Nachrichten, die Sie wünschen, per Mail.

Newsletter abonnieren!
 FTD-Wirtschaftswunder

Alles über Konjunktur und Economics mehr

FTD-Chefökonom Thomas Fricke
FTD-Abo-Shop

Jetzt online attraktive Preisvorteile und Prämien sichern.Eine zusammengerollte Ausgabe der FTD
Einfach hier klicken!

VERSICHERUNGEN
  •  
  • blättern
HANDEL+DIENSTLEISTER
  •  
  • blättern
INDUSTRIE
  •  
  • blättern
FINANZDIENSTLEISTER
  •  
  • blättern
 
Home | Unternehmen | Finanzen | Börse | Politik | Management+Karriere | IT+Medien | Wissen | Sport | Auto | Lifestyle | zum Seitenanfang

© 1999 - 2010 Financial Times Deutschland
Aktuelle Nachrichten über Wirtschaft, Politik, Finanzen und Börsen

Börsen- und Finanzmarktdaten:
Bereitstellung der Kurs- und Marktinformationen erfolgt durch die Interactive Data Managed Solutions AG. Es wird keine Haftung für die Richtigkeit der Angaben übernommen!

Über FTD.de | Impressum | Datenschutz | Disclaimer | Mediadaten | E-Mail an FTD | Sitemap | Hilfe | Archiv
Mit ICRA gekennzeichnet

VW | Siemens | Apple | Gold | MBA | Business English | IQ-Test | Gehaltsrechner | Festgeld-Vergleich | Erbschaftssteuer
G+J Glossar
Partner-Angebote