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Neue Eigenkapitalregeln: Die Bankenqualen nach Basel
Sie sind raus, die neuen Kennzahlen und Quoten, die das Leben der Geldhäuser künftig bestimmen werden. Nun müssen die Banken reagieren - einige haben dabei große Startvorteile. Ein Überblick.Das bange Warten hat ein Ende - vorerst: Am Sonntag einigten sich internationale Aufseher und Notenbanker auf neue Eigenkapitalanforderungen für Banken. Die Geldhäuser sollen mehr und vor allem hochwertigeres Kapital vorhalten, das Verluste trägt. Das soll sie besser für künftige Krisen rüsten.
Auch wenn eine Reihe von Details noch unklar sind, sollten die vereinbarten Grundsätze den Instituten Sicherheit geben. Sie hätten "jetzt eine vernünftige Basis, auf der sie ihr Kapital- und Geschäftswachstum planen können", schreiben Analysten von Credit Suisse. "Unserer Meinung nach sollte das ein positiver Katalysator für den ganzen Sektor sein." FTD.de gibt einen Überblick über Beschlüsse, Konsequenzen und Reaktionen.
Die Aufseher und Notenbanker haben das Eigenkapital neu definiert und neue Quoten festgelegt. Im Zentrum steht das "harte" Kernkapital (Core Tier 1). Es besteht nur aus Grundkapital und einbehaltenen Gewinnen. Das sind die hochwertigsten Formen von Eigenkapital, weil sie Verluste tragen und jederzeit verfügbar sind.
Ihr Anteil am Kernkapital soll vom derzeit vorgeschriebenen Minimum von zwei Prozent ab 2013 schrittweise erhöht werden, ab 2015 soll das "harte" Kernkapital dann 4,5 Prozent der risikogewichteten Aktiva ausmachen. Das sind 75 Prozent der Kernkapitalquote (Tier 1), die auf 6 Prozent angehoben wird. Damit haben sich die Verfechter einer harten Linie durchgesetzt - Deutschland hatte auf einen Anteil von nur 50 bis 60 Prozent gedrungen.
Kleinere Rolle für Stille Einlagen
Auch in einem anderen Punkt gab Deutschland nach: Bereits ab 2013 gelten die vor allem hierzulande genutzten Stillen Einlagen bei Aktiengesellschaften (AG) nicht mehr als hartes Kernkapital. Bei Nicht-AGs werden stille Beteiligungen oder ähnliche Kapitalformen noch bis 2023 anerkannt, allerdings mit sinkenden Anteilen.
Damit gelten für die Landesbanken, die diese Instrumente vor allem nutzen, je nach ihrer Rechtsform künftig unterschiedliche Maßstäbe. Stille Einlagen, die als Staatshilfe gegeben worden waren, wie etwa bei der Commerzbank , gelten bis 2018 weiter. Deutschland hatte für einen unbegrenzten Erhalt der Stillen Einlagen plädiert.
Ein neuer Kapitalpuffer soll verhindern, dass das Kapital in Krisen zu schnell aufgezehrt wird. Wird er unterschritten, muss die Bank Beschränkungen bei der Dividende hinnehmen. Der Puffer erhöht damit praktisch die Mindestkernkapitalquote. Er besteht aus 2,5 Prozent "hartem" Kernkapital.
Analysten von Credit Suisse verweisen darauf, dass das Minimum für das "harte" Kernkapital damit praktisch bei sieben Prozent liegt. "Wir glauben, dass jede börsennotierte Bank, die unter das Puffer-Niveau fällt, vom Markt ernsthaft bestraft werden würde", schreiben sie. Acht Prozent werden aus ihrer Sicht der neue Marktstandard werden, und ab zehn Prozent sehen sie Überschusskapital. Die Deutsche Bank etwa wäre damit nach der geplanten Kapitalerhöhung um 9,8 Mrd. Euro gerade so auf Marktstandard - ihr Chef Josef Ackermann sagte am Montag, nach dem Schritt werde die "harte" Kernkapitalquote bei "etwa acht Prozent" liegen.
Zusätzlich kann noch ein weiterer "antizyklischer Puffer" von bis zu 2,5 Prozent hinzu kommen, der den Absturz nach dem Platzen einer Kreditblase abfedern soll. Darüber sollen allerdings die nationalen Aufseher entscheiden. Systemrelevante Banken, deren Kollaps das gesamte System gefährden würde, sollen zudem höhere Kapitalanforderungen erfüllen als andere. Diese müssen aber noch ausgearbeitet werden.
Auch für das Liquiditätsmanagement der Banken gibt es neue Regeln. Zwei Kennzahlen, die Liquidity Coverage Ratio (LCR) und die Net Stable Funding Ratio (NSFR) sollen verhindern, dass unterschiedliche Fristigkeiten von Finanzierungen und Verbindlichkeiten die Banken im Krisenfall in Schieflagen bringen. Das war in der jüngsten Krise geschehen, etwa bei der britischen Hypothekenbank Northern Rock. Für die Einführung gibt es lange Übergangsfristen: Die LCR soll ab 2015 gelten, die NSFR 2018.
Schließlich soll die Verschuldung der Geldhäuser begrenzt werden, um Risiken einzudämmen. Dazu wird die sogenannte Leverage Ratio genutzt. Sie gibt an, wie groß die Bilanzsumme im Verhältnis zum Eigenkapital ist. Die Obergrenze soll beim 33-Fachen des Tier-1-Kapitals liegen. Auch die Leverage Ratio soll erst 2018 verbindlich gelten.
Der Baseler Ausschuss selbst geht davon aus, dass "große Banken insgesamt eine bedeutende Menge an zusätzlichem Kapital benötigen werden, um diese neuen Anforderungen zu erfüllen". Mit genauen Berechnungen für einzelne Geldhäuser tun sich Analysten noch schwer, da viele Details noch unklar und die Übergangsfristen lang sind.
Viele Banken erfüllen die strikteren Vorgaben bereits. Analysten des Researchhauses Creditsights sehen europäische Banken bei einer durchschnittlichen Core-Tier-1-Quote von 8,7 Prozent und die Tier-1-Quote bei 10,7 Prozent.
Die Geldhäuser, die bereits jetzt überdurchschnittlich gut kapitalisiert sind, dürften davon profitieren. Basel III werde die Differenzierung der Banken seitens Investoren verstärken, erwarten Analysten von Morgan Stanley. Große US-Institute und einige europäische Häuser, die bereits heute hohe Kapitalquoten ausweisen, werden ihrer Einschätzung nach bald damit beginnen, Dividenden zu erhöhen und Aktienrückkaufprogramme zu starten. Damit würden sie attraktiver für Anleger. Mit Aktienrückkaufprogrammen lässt sich der Gewinn je Aktie steigern, ohne dass das Ergebnis zugelegt hat.
"Wir glauben, dass die nordeuropäischen Banken die ersten sein werden, die Dividenden anheben werden, gefolgt von den Schweizern", schreiben die Analysten. Auf der anderen Seite des Atlantiks gelten Geldhäuser wie JP Morgan Chase und die kanadischen Banken als Kandidaten. Die Experten erwarten, dass allein die US-Institute die Dividende von derzeit durchschnittlich acht Prozent auf 29 Prozent im Jahr 2012 anheben werden.
JP-Morgan-Chef Jamie Dimon hat bereits Aktienrückkäufe in Aussicht gestellt. Als Zeitpunkt für Dividendenerhöhungen und Aktienrückkaufprogramme nennen die Morgan-Stanley-Analysten für die US-Banken das Jahr 2011, einige könnten demnach bereits im vierten Quartal 2010 beginnen. "Das sollte positiv für die Aktien sein."
Einige Kritiker wiederholten mit Blick auf die Beschlüsse ihre Bedenken. Der Bundesverbandes Öffentlicher Banken Deutschlands (VÖB), der unter anderem die Landesbanken vertritt, warnte vor einem geringeren Spielraum für die Kreditvergabe, besonders an Mittelständler. Auch der Vorsitzende der CDU-Mittelstandsvereinigung, Josef Schlarmann, sagte im Deutschlandradio Kultur, sollten die neuen Regeln nun die Kreditvergabe erschweren, "dann trifft das mit Sicherheit den Mittelstand".
Der VÖB bemängelte zudem, die Übergangsfristen seien zu kurz. Es sei bedauerlich, dass die in der EU für Stille Einlagen vereinbarten Übergangsfristen bis 2040 nicht übernommen worden seien. "Insgesamt kann die Einigung nur als 'regulatorischer Blindflug' bezeichnet werden, weil keine Auswirkungsstudien für diese Beschlüsse vorgesehen sind", monierte VÖB-Hauptgeschäftsführer Karl-Heinz Boos.
Die deutschen Volks- und Raiffeisenbanken zeigten sich hingegen entspannt. "Wir gehen fest davon aus, dass unser Genossenschaftskapital auch nach Basel III als hartes Kernkapital anerkannt wird", sagte Gerhard Hofmann, Vorstandsmitglied des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken am Montag der Nachrichtenagentur Reuters.
Deutsche-Bank-Chef Ackermann begrüßte die neuen Regeln. Die Auswirkungen auf die Realwirtschaft würden durch die Einführung in mehreren Phasen reduziert. "Alles in allem ist das ein gutes rundes Paket, das wir sehr unterstützen", sagte Ackermann, der auch Chef des Internationalen Bankenverbandes IIF ist. Auch Frankreichs Finanzminsterin Christine Lagarde und Finnlands Zentralbankchef Erkki Liikanen äußerten sich positiv, sie sehen keine negativen Auswirkungen auf die Kreditvergabe und das Wachstum.
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13.09.2010
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