Anzeige
Anzeige
BerlinOnline
Berliner Branchen Stadtplan Tickets Club Preisvergleich  Finden
:: Berliner Zeitung
:: Berliner Kurier
:: TIP-Magazin
 
:: Anzeigenmärkte
:: Markt & Service
:: Finanzen
:: Reisen
:: Berlin Life
:: Liebe & Dating
:: Erotik
 
Fotoservice Fotoservice  Gewinnspiele  Auktionen  Jobs  Filmtipps  Essen & Trinken  Club / Community  Preisvergleich  Schulfreunde  Immobilien  Autos  Sport
 
 Impressum  Mediadaten

TextArchiv
Datum:   28.07.1999
Ressort:   Feuilleton
Autor:   Holm Friebe
Seite:   09

GALERIEN

Berlin rockt

Berlin rockt. Nach den Elektro-Kapriolen der Neunziger ist jetzt plötzlich der bombastische Schweinerock der Achtziger wieder da. Eben jener, von dem man angenommen hatte, er hätte sich in die Nische nächtlicher Teleshop-Angebote im Fernsehen zurückgezogen, um dort in Ruhe auszusterben. "Let there be rock!" singt die in Berlin stark gemochte Hamburger Jungs-Band Tocotronic auf ihrer jüngsten Single. Ein neuer Radiosender hat sich ausschließlich dem untoten Genre verschrieben und plakatiert die Stadt voll mit der schlichten Programmbotschaft "Rock" in martialisch-metallischen Großbuchstaben. Das Ganze gehorcht insofern konsequent der Logik des Retro, als die in der Kulturbranche tonangebende Generation der Um-die-Dreißigjährigen im Zuge ihrer kollektiven Vergangenheitsbewältigung jetzt anscheinend bei ihren späteren Jugendsünden und Eskapaden angelangt sind.

Ein wenig überrascht es dennoch, daß diesmal selbst die kleine, feine Galerie "Neue Anständigkeit" in Berlin-Mitte mitmischt. Bisher kannte und mochte man sie und ihre Künstler eher für ihren hochoffiziösen Gestus und die klar: ironisch abgefederte politisch korrekte Intervention ins Zeitgeschehen abseits vom vordergründigen Zeitgeisttrubel. Jetzt flattert ganz unanständig eine schwarzgelb verschmierte Einladungskarte ins Haus, auf der in triefenden Lettern steht: "Monsters of " In Gedanken ergänzen wir "Rock" und bekommen Rock. Und zwar einen, den man schon bis vor die Galerie auf der Kleinen Hamburger Straße hört.

Die um die dreißigjährigen Künstler Nina Sidow und Diego Schindler-Castro haben die Räume im zweiten Stock in ein Mausoleum des Hardcore-Rockismus verwandelt. Im hinteren Raum läuft als Loop eine gegrölte Konzert-Ansage: Die Band Kiss in Stockholm, ein jubelndes Stadion, der atemlose Sänger, der ins Mikro bellt: "You wanted the best, now you get the best", was man unwillkürlich als "You wanted the past, now you get the past" versteht, auch wenn niemand wirklich dieses düstere Kapitel Vergangenheit bestellt hat. Dazu laufen Videoaufzeichnungen aus dem Atelier von Nina Sidow. Auf Tesafilmstreifen hat sie Hunderte Abbildungen von Ghettoblastern, Mikros und Walkmen geklebt. "Mich interessiert der Kontrast zwischen authentischem Live-Erlebnis und dem technischen Aufwand, der getrieben wird, das zu Hause zu reproduzieren", erläutert sie.

Es riecht nach Dope. Schindler-Castro was für ein Künstlername! läuft mit einer Baseballkappe herum, auf der "Miami Heat" steht und legt dauernd Slayer-Tapes ein. Er hat seinen Raum mit gefakten Veranstaltungsplakaten tapeziert, alle in Heavy-Metal-Ästhetik und mit "Motörhead"-Ö-Strichen, alle mit eindeutigem Bezug zur deutschen Romantik. "Philip Öttö Runge live on Tour 1805, Haus der Jugend, Buxtehude" steht auf dem einen. Ein anderes kündigt Caspar David Friedrich auf einem "Open Air Rügen" an, dazu das Bild von Lemmy, Sänger von Motörhead. Motörhead, wir erinnern uns, sind die, über die einmal ein Journalist geschrieben hat, sie würden Eisenstangen frühstücken, wären in Wirklichkeit drei Meter groß und unsterblich. Auf zwei Jeansjacken "Kutten", wie es im Jargon heißt steht unter einer Eddingzeichnung von einem Plattenbau "Büxtehude Brütal Stereötyp". Buxtehude, erfahren wir vom Künstler, hat keine gesonderte Motivation, es ist schlicht Schindler-Castros Heimatort. Es klingt aber auch ganz passend nach tiefem Forst, Jugendzentrum und Provinzhölle. Auf einem Tisch: leere Bierflaschen, Scherzartikelkotze, und eine Reproduktion von Caspar David Friedrichs Bild "Kreidefelsen bei Rügen".

Rock und Romantik: ein perfektes Idyll, rockmantisch gewissermaßen. So weit, so apart. Aber macht es auch Sinn über die bloße Alliteration hinaus? Die Romantik soll ja schon für den Faschismus verantwortlich gewesen sein, jetzt auch noch für den Stadionrock? Sollte es tatsächlich ein Missing link geben zwischen dem Wanderer über dem Nebelmeer und der Bühnenshow mit Trockeneisnebel? Beziehungsweise: Was hat die deutsche Innerlichkeit mit der Vollkaracho-Mentalität von Metallica zu tun? Nicht viel, könnte man sagen, oder auch: Ganz egal, Hauptsache es rockt!

Galerie Neue Anständigkeit, Kleine Hamburger Straße 2, bis 8. August, Do So 16 20 Uhr.

[Neue Suchanfrage]   [Weitere Artikel vom 28.07.1999]  

20. Januar 2005
Websuche


powered by LYCOS
Berliner Branchen

Tickets

Anzeige
Anzeige
Drucken
Seite versenden
© 2005 BerlinOnline
Stadtportal GmbH & Co. KG