Sonntag, 12. Dezember 2010

» Registrieren / Anmelden

Thema: Wikileaks

WikiLeaks: Auch Wiens Diplomaten in Not

Mehr als 2000 der insgesamt 250.000 WikiLeaks-Akten haben einen Bezug zu Österreich: Vertrauliche Aussagen heimischer Diplomaten gegenüber US-Vertretern sind damit für Freund und Feind im Netz nachzulesen.

Letztes Update am 30.11.2010, 14:09

Bookmark and Share

Wikileaks-Gründer Assange zeigt Zeitungsartikel. Wikileaks-Gründer Julian Assange

Kein Kommentar. Die Reaktion von Michael Postl, Ex-Botschafter Österreichs im Iran, fiel denkbar knapp aus. Der Top-Diplomat ist momentan in Usbekistan unterwegs und erfuhr vom KURIER, dass auch er eine der zahlreichen Quellen ist, die mit US-Vertretern vertrauliche Gespräche führte, und die jetzt von WikiLeaks ins Internet gestellt wurden.

Von der Viertel Million Depeschen, die von der Plattform veröffentlicht werden sollen, haben 2108 einen Österreichbezug. 1722 kommen aus Wien. Laut Außenministerium sind insgesamt erst 243 im Netz. Man sei bereits in der Vorwoche von den Amerikanern informiert worden - wie wohl fast alle Staaten.

Das Ministerium beschwichtigt: Postls Aussagen, die im Bericht zitiert werden, seien nichts Außergewöhnliches. Es sei üblich, dass sich Diplomaten austauschen. Und: "Es wäre traurig, wenn die Amerikaner das nicht selber wüssten", was in den Berichten steht. Der frühere Botschafter im Iran hatte seine Einschätzung zur Lage im Land nach den Wahlen 2009 abgegeben. Postl wertete den Urnengang als "Spiel verändernd". So habe er etwa in Teheran Wandkritzeleien mit Kampfansagen ("kill Khamenei") gesehen, die "neu und signifikant" waren.

Wenig schmeichelhaft die Einschätzung von Marzieh Vahid-Dastjerdi, der ersten Ministerin in der Geschichte der Islamischen Republik: Sie sei unsicher und "eine Art Puppe".

Nüchtern beurteilte Postl die im Westen als Galionsfiguren beschriebenen Oppositionellen Karrubi und Moussavi: Sie seien Kinder der Revolution und wollten keinen Systemwechsel.

Peter Pilz, Aufdecker der Grünen, findet in der WikiLeaks-Aktion "etwas Bekanntes: Dass österreichische Ministerien ihre Informationen an die USA fast ungefiltert weitergeben. Ein umgekehrter Berichtsweg ist bisher nicht bekannt."


Schweigen als Schutz

Dass geheime Gespräche tatsächlich geheim bleiben, war bisher eine eiserne Regel der Diplomatie. WikiLeaks hat sie gebrochen - mit weitreichenden Folgen: "Als Diplomat", sagt der frühere Generalsekretär des österreichischen Außenministeriums Albert Rohan, habe man "zwei Möglichkeiten: Entweder man schreibt, wie man die Dinge sieht und einschätzt" - mit dem Risiko, dass alles publik werden kann. "Oder man schreibt nichts mehr, das wäre der einzige Schutz, dass nichts nach draußen dringt." Der langgediente Spitzendiplomat Rohan tendiert "zur ers- ten Meinung, denn ohne ehrliche Einschätzung der Lage müsste man die politische Arbeit eigentlich einstellen."

Dass geheime Berichte an die Öffentlichkeit kommen, passiert immer wieder. Dahinter stand meist eine Absicht. In diesem Fall aber, so Rohan zum KURIER, handelt es sich um ein "Blanko-Leakage. So ein massives Öffnen von vertraulichen Nachrichten ist sehr unangenehm."


Spionageauftrag

"Man muss sich überlegen, ob man bestimmte Dinge nur noch unter
vier Augen sagt." Wolfgang Petritsch OECD-Botschafter. "Man muss sich überlegen, ob man bestimmte Dinge nur noch unter vier Augen sagt." Wolfgang Petritsch OECD-Botschafter.Auch für Österreichs Botschafter bei der OECD in Paris, Wolfgang Petritsch, haben die WikiLeaks-Veröffentlichungen "die sehr ernste Folge, dass man in Zukunft nicht mehr damit rechnen kann, dass irgendetwas geheim bleibt." Bisher habe die Offenheit der Berichterstattung bedeutet, "dass man nach außen hin die höfliche Fassade wahrt und doch möglichst nüchtern berichtet. Jetzt muss man überlegen, bestimmte Dinge eben nur noch unter vier Augen zu sagen."

Mit Geheimniskrämerei habe das nichts zu tun, sondern mit "richtig verstandener Geheimhaltung" - der Grundlage diplomatischer Arbeit. Spätestens seit dem WikiLeaks-Coup können Diplomaten nicht mehr darüber souverän entscheiden, was publik wird und was nicht. Angesichts dieser wachsenden Unsicherheit ist Petritsch dazu übergegangen, "zu sagen, was Sache ist, in einer Formulierung, die auch vom Betroffenen akzeptiert werden kann".

Was die Enthüllungen über die US-Diplomatie betrifft, so hält sich für Spitzendiplomaten Petritsch "die Überraschung in Grenzen. Was man früher schon aus anderen Quellen gehört hat, ist jetzt quasi offiziell."

Letztes Update am 30.11.2010, 14:09

Bookmark and Share

Artikel vom 28.11.2010 10:00 | KURIER | Romana Klär u. Ingrid Steiner-Gashi | « zurück zu NACHRICHTEN


Postings (Netiquette)

Um einen Artikel kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.

Die Registrierung/Anmeldung auf KURIER.at ist kostenlos, ermöglicht Ihnen aber die Nutzung praktischer Funktionen – zum Beispiel:

  • Erinnerung an den Beginn Ihrer TV-Lieblingssendungen
  • Aktivieren von Merklisten und Suchagenten für immoKURIER
  • Posten von Kommentaren
  • Teilnahme an Gewinnspielen oder
  • Empfang von Newslettern

Anmeldung


Ich bin noch nicht registriert.
Ich bin registriert, mein Passwort lautet:
» Ich habe mein Passwort vergessen


Kommentare werden geladen...

WikiLeaks-Suche

Zur WikiLeaks-Suche

Werbung