Montag, 6. Dezember 2010

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Thema: WikiLeaks

Regierung wehrt sich gegen US-Kritik

Depeschen: Die Regierung wird von den Amerikanern in Geheimberichten heftig kritisiert. Faymann & Co wehren sich empört.

Letztes Update am 06.12.2010, 10:43

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Spinelegger und Clinton bei einer Pressekonferenz Außenpolitiker unter sich: Spindelegger verstand sich bestens mit Hillary Clinton

Extrem enttäuscht, frustriert und besorgt - so haben sich US-Diplomaten über die aktuelle österreichische Regierung geäußert. Bundeskanzler Werner Faymann und Verteidigungsminister Norbert Darabos attestieren sie mangelndes Interesse an Außenpolitik. Außenminister Michael Spindelegger konzentriere sich weitgehend auf die Förderung von Wirtschaftsinteressen.

Über Kanzler Werner Faymann schreiben sie: "Es ist klar geworden, dass Faymann kein persönliches Interesse an Außenpolitik hat." Als Quelle werden hochrangige Berater Faymanns und erfahrene Mitarbeiter im Außenministerium genannt.


Entscheiden souverän

Im Kanzleramt reagierte man diplomatisch. Ein neutraler Staat wie Österreich treffe seine Entscheidungen souverän und richte sich nicht nach den Interessen einer Seite, heißt es aus dem Büro des Kanzlers gegenüber dem KURIER. Wesentlich für die Beziehungen zu anderen Staaten sei der Kontakt des Kanzlers "auf Augenhöhe mit dem jeweiligen Staats- und Regierungschef". Und: Aufgrund der Wirtschaftskrise sei natürlich in letzter Zeit primär Innenpolitik samt Budgetkonsolidierung im Vordergrund gestanden.

Zurückhaltend auch die Reaktion des Außenministeriums: Die Wirtschaft sei selbstverständlich ein wichtiger Teil der Außenpolitik. Das sei aber natürlich nicht alles, immerhin sei Österreich derzeit Mitglied im UN-Sicherheitsrat.

Wegen der für die USA peinlichen Veröffentlichung von Geheim-Depeschen war US-Botschafter William Eacho bereits in der Vorwoche bei Minister Spindelegger. Ein weiteres Gespräch ist derzeit nicht geplant.

Verteidigungsminister Darabos, der "Ungediente", wie die US-Diplomaten anmerken, fordert jedoch eine Klarstellung des Botschafters. Darabos wird vorgeworfen, er sei "offen ablehnend gegenüber Plänen, österreichische Truppen auf gefährliche Einsätze ins Ausland zu schicken".

Laut einem Sprecher des Ministers ist die Kritik "nicht Ausdruck eines hohen politischen Verständnisses". Schließlich habe Darabos gegen "massive Kritik" den "gefährlichen" Bundesheer-Einsatz im Tschad durchgesetzt.


Konfliktfelder

In den US-Depeschen geht es um mehrere Konfliktfelder, etwa die Weigerung Österreichs zur Aufnahme von Guantánamo-Häftlingen oder die Geschäftsbeziehungen österreichischer Unternehmen zum Iran und Nordkorea. Die Meinungsverschiedenheiten zwischen Washington und Wien gehen tiefer als jene mit Berlin, meint der Spiegel. Das erkläre die große Zahl an Berichten aus den letzten zehn Jahren.

Die Urteile über frühere Regierungen und Kanzler fallen unterschiedlich aus. Ex-SPÖ-Kanzler Alfred Gusenbauer galt bei den Amerikanern als beschlagen und aufgeschlossen, aber als unsicherer Kantonist. Man vermutete, dass ihm eigene Interessen am wichtigsten wären. Angeblich war Gusenbauer jener Ex-Kanzler, der sich gegenüber US-Diplomaten abfällig über die aktuelle Regierung geäußert hat. Wie berichtet, erinnert er sich daran nicht.

Ex-ÖVP-Kanzler Wolfgang Schüssel wurde wegen der Koalition mit der FPÖ argwöhnisch beäugt. Er stand für die Amerikaner aber für das "kleinere Übel" und mache sich "selten die Mühe, der USA eins auszuwischen". Skeptisch war man gegenüber ÖVP-Außenministerin Ursula Plassnik. Als 2007 US-Außenministerin Condoleezza Rice nach Österreich kam, bereitete man sie vorher auf die "populistische Rhetorik" ihrer österreichischen Amtskollegin vor.

Auszüge aus der Depesche

In der Nacht auf Montag hat WikiLeaks die Depesche veröffentlicht. Die Berichte im Detail:

... über den "Mangel an Führung"

"Weder Kanzler Faymann (SPÖ), noch Außenminister Spindelegger (ÖVP) haben nennenswerte Erfahrung in der Außenpolitik. Seit damals (dem Antritt der Regierung, Anm. d. Red.), wurde klar, dass Faymann kein persönliches Interesse an Außenpolitik hat. (…) Außenminister Spindelegger, dem zwar gute Intentionen angerechnet werden, scheint unsicher zu sein, in welche Richtung er sein Ministerium führen soll (…). Der dritte potentielle "Player" in Österreichs Außenpolitik, Verteidigungsminister Darabos, wird als desinteressiert an Außenpolitik und internationalen Sicherheitsangegenheiten beschrieben und ist einem Einsatz österreichischer Truppen (z.B. in Afghanistan) offen feindlich gesinnt"

...über Zweifel an der Finanzierung der Auslandseinsätze

"Die Regierung hat Ausgaben für außenpolitische Angelegenheiten stark gekürzt. (…) Das Budget für Verteidigung, das Außenministerium und Entwicklungshilfe wurde signifikant reduziert. Der Verteidigungschef sagte, dass Österreich mit dem neuen Budget seine derzeitigen Auslandseinsätze nicht aufrechterhalten kann, geschweige denn die Restrukturierung der Streitkräfte fortsetzen kann. Das Außenministerium schloss zahlreiche Posten, reduzierte ihr Reisebudget um ein Drittel und kürzte administrative Kosten.

...über die Kronen Zeitung


"Österreichs größte und einflussreichste Tageszeitung, die Kronen Zeitung, tritt regelmäßig und polemisch für isolationistische, Anti-EU- und Anti-US-Positionen ein. Sie war jedoch moderat bzw. positiv gegenüber Präsident Obama eingestellt und einige "Krone"-Kolumnisten begrüßten seine Reden in Kairo und Accra.

...über die Neutralität

"Die Weiterentwicklung des Verständnisses der Österreicher über ihre Neutralität, hat Abkapselungs-Tendenzen verstärkt. (…) Seit dem gescheiterten Versuch der österreichischen Konservativen, eine NATO-Mitgliedschaft zu bewerben, ist jegliches Hinterfragen der Neutralität beinahe ein Tabu.

"Besuchen Sie Wien"

"Um die Österreicher zu Partnern bei spezifischen Projekten zu machen, (…), benötigt es genaue, maßgeschneiderte Botschaften an führende Stellen. (…) Um unsere hiesigen Ziele zu unterstützen, bitten wir leitende Mitarbeiter des US-Außenministeriums dringend, (…), die österreichische Botschaft zu kontaktieren und - falls in Europa - Wien für Konsultationen zu besuchen.

Letztes Update am 06.12.2010, 10:43

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Artikel vom 05.12.2010 11:00 | KURIER | | « zurück zu NACHRICHTEN


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