Vier Fragen an Josef Joffe

Was macht die Welt?

(28.11.10)

Europa in der Dauerkrise: Sollte es ein Euro-Land der zwei Zonen geben – starker Norden, schwacher Süden?
Vom Doppel-Europa – akademisch: einem „Europa mit variabler Geometrie“ – reden wir seit dreißig Jahren. Es gibt auch kein Doppel-Deutschland: hier die tüchtigen Südländer, dort, im Osten und Norden, die Loser. Erst recht würde es nicht beim Geld funktionieren. Entweder es gibt eine Währungsunion oder nicht. Und: Wenn wir eine Euro-Mark im Norden und eine Pese-Lira-Drachme im Süden hätten, müsste WmdW wieder so viele Münz- und Geldscheintüten in der Schublade horten wie früher; ihm reichen Dollar, Pfund und Franken. Aber der ewige Finanzausgleich zwischen den Starken und den Verschwendern hilft auch nicht ewig. Die Südstaatler müssen ihr Haus in Ordnung bringen. Wenn nicht, platzt der Euro.
Nordkorea rasselt mit den Raketen: Was tun, wenn China nichts dagegen tut?
Eine solche Umkehrung der Machtverhältnisse hat das Staatensystem noch nie erlebt. Weil der Starke (Südkorea) alles zu verlieren hat und der Schwache (Nordkorea) nichts, liegt das Heft in der Hand von Pjöngjang. Nordkorea ist der erste richtige Terrorstaat in dem Sinne, dass er keine Ziele für einen Vergeltungsschlag bietet. Industrie, Infrastruktur? Gibt es kaum. Sanktionen? Die richten nichts gegen einen Autarkie-Staat aus, der das Nötigste aus China bekommt. Dagegen liegt Seoul in Schussweite von Tausenden gut kaschierter Kanonen.
Wikileaks veröffentlicht erneut geheime Dokumente. Sollen die das dürfen?
Wenn Demokratien keine Geheimnisse mehr haben können, geht der Vorteil an die Despoten. WmdW kennt keine Dokumente, die Wikileaks je aus Nordkorea, Arabien, Iran, Russland, China etc. veröffentlicht hätte. Wikileaks lebt von den Freiheiten, welche die liberale Demokratie gewährt. Just diesen Staat will der Verein in seiner Hochmut schwächen. In dem Sinne ist das kriminell. Wir nennen es „Hochverrat“, den alle Länder mit den höchsten Strafen belegen. WmdW wünscht sich keinen Ein-Mann-Rächer, der nach eigenem Geschmack entscheidet, was zu veröffentlichen sei. Dafür haben wir Parlamente und Gerichte, also den Rechtsstaat.
Ein Wort zu Amerika...
Die beste Nachricht kommt aus New York, wo eine neue Kleiderordnung für Taxifahrer beschlossen wurde: Deren Outfit muss eine „professionelle Erscheinung“ signalisieren. Den Grund nennt Chauffeur Zack Doganay: Im properen Dress „zeige ich Respekt vor meiner Arbeit und kriege mehr Respekt von den Gästen“. Ein feines Prinzip. Auch für deutsche Theater, Opern und Kirchen.
Der Autor ist Herausgeber der „Zeit“ und unterrichtet bis Jahresende an der Stanford University. Fragen: mal