Samstag, 5. Feber 2011

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Thema: Umbruch in Ägypten

Was geht uns Ägypten an?

Wir erleben in der arabischen Welt eine Zeitenwende wie einst den Zusammenbruch der UdSSR. Die Auswirkungen werden ähnlich dramatisch sein.

Letztes Update am 03.02.2011, 18:18

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Christoph Kotanko Christoph Kotanko Schlägertrupps am Tahrirplatz mitten in Kairo, Straßenschlachten, Tote und ungezählte Verletzte, Demonstrationen auch auf dem Sinai und im Jemen. "Wir weichen nicht!", skandieren die erregten Massen.

Tage der Entscheidung in Ägypten, Aufruhr in der ganzen arabischen Welt: Niemand hat das vorhergesehen. Niemand weiß, wohin es geht. Aber die Europäer dürfen sich keine Illusionen machen: Was in Arabien geschieht, hat Auswirkungen weit über die Region hinaus. Begonnen hatte die Bewegung mit der Selbstverbrennung des Tunesiers Mohamed Bouazizi. Er hatte sich aus Verzweiflung über Arbeitslosigkeit und Korruption mit Benzin übergossen und in Brand gesteckt: Ein Revolutionär, der keiner sein wollte, sondern seine Erniedrigung nicht mehr ertrug.

Inzwischen hat der Aufstand gegen Bevormundung und Unterdrückung auf andere Staaten übergegriffen. Es ist nicht die von vielen befürchtete Revolte bärtiger Islamisten. Diese Rebellion ist die Sache des einfachen Volkes. In der ersten Reihe: viele unverschleierte Frauen. Die Hälfte der 80 Millionen Ägypter lebt mit zwei Dollar täglich an der Armutsgrenze; der größte Teil der Arbeitslosen ist unter 30. Ein gewaltiger Hunger nach Hoffnung treibt die Menschen an.


Ausweg

Was geht das Europa an? Wie beim Zusammenbruch des Ostblocks hat sich die vermeintliche Stabilität der Systeme als brüchig erwiesen. Die bürokratisch verfasste EU hat die Zeitenwende verschlafen. Die Papiere ihrer Diplomaten waren wertlos, die Kommuniques ihrer Amtsträger weltfremd.

Es gibt einen Ausweg: Europa müsste sein Weltbild, sein Leitbild mit Leben erfüllen. Jede politische Kraft, ob Partei oder Gemeinschaft, braucht eine große Erzählung, eine Agenda mit Werten und Normen. Die EU hatte eine Mittelmeer-Strategie, die aber immer theoretisch und bürokratisch blieb. Jetzt ist die Stunde, all die Bekenntnisse zu Demokratie, Stabilität, Frieden und Wohlstand in der Region zu realisieren. Grundwerte wie die Menschenrechte, verantwortungsvolle Regierungsführung, Transparenz und Rechtsstaatlichkeit müssen durchgesetzt werden, indem Europa den Wechsel entschieden unterstützt. Freie und faire Wahlen müssen das nächste Ziel sein - nicht nur für Ägypten, auf das sich jetzt alle Augen richten. Wenn sich die EU nicht klar dazu bekennt, verrät sie ihre eigenen Ideale. Und versäumt einen historischen Augenblick.


Letztes Update am 03.02.2011, 18:18

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Artikel vom 03.02.2011 11:00 | KURIER | Christoph Kotanko | « zurück zu NACHRICHTEN


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