FTD.de » Politik » Deutschland » Thomas Fricke - Moralisch ins Euro-Desaster
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Merken   Drucken   12.03.2011, 09:57 Schriftgröße: AAA

   

Kolumne: Thomas Fricke - Moralisch ins Euro-Desaster

Nach langem Zaudern kommt die Bundeskanzlerin aus der Deckung. Erst drosch Angela Merkel auf offenbar schludernde Staaten ein, jetzt geht es gegen Lohnzuwächse. Den Kern trifft beides nicht: das peinliche Versagen der Finanzmärkte. von Thomas Fricke 
Erst gab's in der Krise Merkel'sches Zögern, jetzt scheint die Kanzlerin in Fahrt. Fast monatlich kommen aus dem Kanzleramt Vorschläge gegen das Euro-Gewackel - ob härtere Strafen für schuldengeplagte Regierungen oder Drohungen gegen Staatsanleihebesitzer, neuerdings auch gegen Lohnzuwächse. Klingt nach Tatkraft.
Bundeskanzlerin Angela Merkel während einer Pressekonferenz in ...   Bundeskanzlerin Angela Merkel während einer Pressekonferenz in Freiburg
Nur eins scheint es nicht zu bewirken: dass die Krise vorbeigeht. Kurz vor dem Euro-Gipfel an diesem Freitag gerieten Portugiesen und Spanier wieder unter Beschuss der Finanzmärkte, von Ratingagenturen herabgestuft. Da drängt sich der Verdacht auf, dass am Selbstverständnis Merkel'scher Krisenpolitik etwas nicht stimmt. Zu Recht. Was aus Berlin bisher kam, ist von der Ur-Annahme getrieben, dass die Krise vor allem und im Grunde eine gerechte Strafe für unmoralisches Verhalten (anderer Länder) ist - und dass es jetzt gilt, Moral und Ordnung zu diktieren.
Das passt zwar zum deutschen Klischee von der stabilitätskulturellen Unterentwicklung im Rest der Welt. Und es scheint auf den ersten Blick durch Schuldenstatistiken gedeckt. Nur könnte sein, dass es den Kern der Krise nicht trifft. Denn der liegt womöglich eher im Versagen destabilisierter Finanzmärkte. Da hilft es wenig, à la Merkel Lohnvorgaben oder Stimmentzug für Defizitländer zu dekretieren. Da helfen im Zweifel dann nur noch radikale Markteingriffe.
Im Streit um den Euro-Stabilitätspakt sollte Kanzlerin Merkel...

 

Im Streit um den Euro-Stabilitätspakt sollte Kanzlerin Merkel...

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Ein Pakt gegen Autounfälle
Erst schoss sich die Kanzlerin in der Krise darauf ein, Regierungen mit gestiegenen Staatsschulden zu bestrafen. Dann fiel auf, dass ja Irland und Spanien eingangs gar keine hohen Schulden hatten, dafür aber, sagen wir, gestiegene Löhne. Also werden jetzt stark gestiegene Löhne bekämpft - mit dem Pakt für Wettbewerbsfähigkeit. Wenn morgen auffällt, dass in Krisenländern auch ziemlich viele Autounfälle passieren, wird die Kanzlerin ihren Pariser Kuschelfreund auch noch dazu kriegen, einen Pakt gegen böse Autofahrer zu erfinden. Warten Sie's ab.
Merkels ökonomisches Weltbild ist in sich durchaus stimmig. Wenn das Kriseln im Euro-Raum wirklich nur von mutwillig schludernden Regierungen, staatlich abgesicherten Staatsanleihehaltern und unerhört prassenden Arbeitnehmern rührte, müsste man - wie die Kanzlerin seit 2010 - mit Hilfen erst mal warten, bis der Grieche heroisch spart. Dann müsste man drohen, dass Anleger Geld verlieren, wenn sie Anleihen (irgendwann mal pleitegehen könnender Staaten) kaufen. Dann wäre naheliegend, künftig laut zu schimpfen, wenn die Löhne in einem Land mal schneller steigen. Und dann wären hohe Zinsen und Pleitegerüchte die gerechte Strafe der Märkte.
Das Problem ist, dass dieses Weltbild zur Realität nicht passt. Wenn die Märkte effizient funktionierten - warum fielen die CDS-Ausfallprämien für große Banken noch Tage vor Ausbruch der Finanzkrise 2007 auf ein Rekordtief? Komplettversagen. Warum wurden auf griechische Staatsanleihen bis 2009 kaum Risikoprämien verlangt, obwohl das Land seit Jahren relativ hohe Defizite hatte? Und warum gab es kurz darauf höhere Aufschläge als in der Ukraine? Warum gerieten US-Amerikaner und Briten bisher nicht unter Druck - bei weit höheren Staatsdefiziten als durchschnittlich im Euro-Raum? Und warum sank die Risikoprämie nicht, als die Griechen exakt das Megakürzungspaket durchzogen, das IWF, EU und Merkel wollten? Warum geriet im Oktober 2010 dann urplötzlich Irland unter Beschuss - obwohl dieselben Finanzmärkte kurz davor noch von Irlands Vorbildsparkurs schwärmten und das Bankenproblem schon Wochen bekannt war? Jetzt sind die Löhne schuld. Ein Grund findet sich immer.

Teil 2: Der Ausweg aus der Krise

  • Aus der FTD vom 12.03.2011
    © 2011 Financial Times Deutschland
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Kommentare
  • 11.03.2011 19:45:35 Uhr   Abgrundgucker: MÄRKTE, hört die SIGNALE (1-3)

    Hören wir da zarten Alarmismus á la Asmussen, Weber und Weidmann?
    Bankenrettungsschirm, Griechenhilfe, EURO-Rettungsschirm - alle waren für schnelle Parlamentsochentour "nur einmalig / alternativlos" und dringend, weil „Montag früh Börse in Tokyo“ öffnet und „DIE Politik“ „in historischer Stunde“ "Signale an die Märkte" senden muss. Triggergleitmittel „Pensionskassen“ fehlt auch nicht. Und immer war die Einflüstererseilschaft um Merkel dabei, bei Deregulierung stets rechte Hand der „in den Abgrund Blickenden“, die dann jovial den ahnungslosen Inkontinenten Sporen gaben! Nun wieder alle als „kompetente Vertraute“ dabei, auch der „Vertrauenswürdiger“ mit dem 100 TDM Koffer).
    In zwei Jahren Volksvermögen verbrannt, wofür drei deutsche POLITIKER-Generationen Staatsschulden vormals kumulierten, ums Wahlvolk 40 Jahren durch rein auf Pump finanziertes „Dauerwirtschaftswunder“ am Nasenring zur Wahlurne zu führen.
    Wie sieht Bilanz-XXL von Merkel/Schröder aus?
    SOLL-Seite:
    Banken 440 Mrd + Griechenhilfe 30%*148 Mrd + „EURO“-Rettung 30%*750 Mrd + HRE 350 Mrd + WestLB 100 Mrd + 100 Mrd restliche LBBs + 30%+x für hunderte Mrd Anleihenrückkäufe der EZB / Bundesbank + 30%*mind. 500 Mrd Barauslöse für wertlose ABS-CDOs bei EZB + 30% der Billionen (?) aller zinslosen und in Krise nicht eintreibbaren EZB-Bankkredite + gut 200 Mrd "finanzkrisenbedingte" Konjunkturhilfen + volkswirt. Billionen im letzten Jahrzehnt den ausgewrungenen Millionen DE-Lohnsklaven entzogener Löhne und SOZIALBEITRÄGE (und so bedingte baldige Renten-Drittelung und Krankenbeitrags-Verdreifachung) zur DE-„Fitmachung“ + 100 Mrd p.a. entgangener Steuern wg. Unternehmenssteuerhalbierung seit Schröder. Importpreise +30% p.a., Inflation bald 10% p.a., jährlich für Generationen dazu Zinseszinsen auf die, durch die von uns gerettete Banken, refinanzierten zusätzlichen Staatsschulden (hier der Politkaste Nobelpreis fürs "INSM - PERPETUUM MOBILE, Made in Germany", wer braucht da noch „Religion als Opium fürs Volk“?).
    Weitere Billiönchen aus baldigem Dauerrettungsschirm, um Zapateros Baublase (325+ Mrd) und Italiens lendenwütige Bunga-Bunga-Weichnudel zu retten (IT – halbe DE-Leistung, gleiche Schulden (1,8 Bill). Jetziger gut getimter Gloriaabgang vorm bald garantierten IT-Staatskollaps wär‘ goldig, nach der deutschen Transferbillion kann er bald als Italiens „Licht-KT„ auferstehen und Wahlvolk wird nächste 50 Jahre nur noch ihn und Paten wählen).
    Chinas Exportdauerflut und die bald aus eigener Verzweiflung exportwütigen USA/JP samt den bald auf DE-Importe hochallergischen Rest-Europäern werden weitere zukünftige INSM-Meilensteine der hiesigen Sozialstandardsicherung so setzen.
    ..

  • 11.03.2011 19:39:25 Uhr   Abgrundgucker: MÄRKTE, hört die SIGNALE (2-3)
  • 11.03.2011 19:33:54 Uhr   Abgrundgucker: MÄRKTE, hört die SIGNALE (3-3)
  • 11.03.2011 16:56:31 Uhr   Ein Bürger: Re: Brick
  • 11.03.2011 14:37:34 Uhr   Brick: Re.: Bürger wir bezahlen - auf jeden Fall
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