Währungsunion in der Krise: Vorsorge für jeden Euro-Fall
Das Paket für mehr Stabilität der Gemeinschaftswährung ist so gut wie fertig. Doch im EU-Parlament herrscht allerdings Skepsis. FTD.de stellt die Pläne für eine Neufassung vor.Bundeskanzlerin Angela Merkel und EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy mussten sich mit ihren engsten Beratern für ein Vorgespräch in ein normales Gästezimmer zurückziehen, weil die Konferenzräume im Hotel Kämp in Helsinki alle belegt waren. Den Beratungen beim Vorgipfel der christdemokratischen und konservativen Spitzenpolitiker der EU hat die Enge nicht geschadet. "Es war möglich, einen Konsens zu finden", sagte EU-Kommissionschef José Manuel Barroso am Samstag. Zumindest die konservative Mehrheit in den EU-Institutionen ist sich weitgehend einig darüber, wie das Paket zur Stärkung des Euro aussehen soll, das am 24. und 25. März von den Staats- und Regierungschefs aller EU-Staaten beschlossen werden soll.
Mehr Disziplin in der Haushalts- und Sozialpolitik, eine strengere Überwachung der vereinbarten Regeln und kein Einstieg in unbegrenzte Hilfen für Problemländer, so kann man das Ergebnis zusammenfassen. Das Ziel: das Vertrauen der Finanzmärkte wiedergewinnen. Um das Ganze juristisch abzusichern, wird das mit einer Änderung des Lissabon-Vertrags garniert. Das Paket sieht in etwa so aus, wie es die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft am Wochenende gefordert haben, die deutsche Handschrift ist unübersehbar. Kritik kommt dagegen von den Sozialisten, die eine Einbeziehung des Bankensektors als Mitverursacher der Finanzkrise verlangen. Sie fordern wieder einmal die Einführung einer Steuer auf Finanztransaktionen, die zwar auch die Berliner Koalition will, die aber bisher nicht Bestandteil des Pakets ist.
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Das EU-Parlament stört sich daran, dass die Mitgliedsstaaten beim ab 2013 geltenden Stabilitätsmechanismus ESM wie beim von Deutschland eingebrachten Pakt für Wettbewerbsfähigkeit vor allem auf zwischenstaatliche Lösungen setzen.
Die Abgeordneten wollen durchsetzen, dass die EU-Institutionen, vor allem die Kommission, eine stärkere Rolle spielen. Sie verlangen deshalb formelle Zusagen der Regierungschefs, bevor sie ihre Stellungnahme zur geplanten Vertragsänderung abgeben. Laut dem zuständigen Berichterstatter im Parlament, Elmar Brok, bewegen sich Gespräche mit Ratspräsident van Rompuy "in die richtige Richtung". Die Abgeordneten vertagten aber die Abstimmung über ihre Stellungnahme von dieser Woche auf den 23. März. Die Stellungnahme ist nicht bindend, ohne sie kann aber der EU-Gipfel am 24. und 25. März nichts beschließen.
Nach dem Gipfelbeschluss müssten alle 27 Staaten die Vertragsänderung ratifizieren. Das hält Sylvie Goulard, einflussreiche liberale Finanzpolitikerin im Europaparlament, für ein erhebliches Risiko. "Was ist, wenn sie nicht in allen 27 Ländern ratifiziert wird? Das wäre ein verheerendes Signal an die Märkte", sagte die Abgeordnete der FTD.
Daran wollen die Regierungen heute noch nicht denken. Für ihr Gesamtpaket zeichnen sich folgende Bestandteile ab:
Der ESM soll eine Ausleihekapazität von 500 Mrd. Euro haben. Diese soll anders als bei den 440 Mrd. Euro der befristeten Finanzmarktstabilisierungsfazilität EFSF nicht nur aus Garantien der Staaten der Euro-Zone bestehen, sondern auch durch ein Grundkapital abgesichert werden. Grundstock wird das 2013 vorhandene Vermögen der EFSF, das durch Einzahlungen der Mitglieder auf bis zu 100 Mrd. Euro aufgestockt werden könnte.
Für die EFSF sollen die bis 2013 geltenden Garantien aufgestockt werden. Für Deutschland bedeutet das eine Verdoppelung auf rund 280 Mrd. Euro. Mit den dann am Markt beschaffbaren 440 Mrd. Euro wären die Einbeziehung Portugals in die Kredithilfen, eine mögliche Aufstockung der Kredite für Irland und die Finanzierung des Anleiherückkaufs für Griechenland sowie niedrigere Zinsen für Irland kein Problem.
Zum Gesamtpaket gehört auch die Reform des Euro-Stabilitätspakts, die beim EU-Frühjahrsgipfel 2010 angestoßen wurde. Es handelt sich um sechs EU-Gesetze, von denen eines erstmals auch die Einhaltung makroökonomischer Vorgaben innerhalb der Euro-Zone vorschreibt. Vor allem aber geht es darum, dass künftig schneller Sanktionen gegen Defizitsünder verhängt werden können. Die noch umstrittenen elf Punkte sollen möglichst bei der Sitzung der EU-Finanzminister in der kommenden Woche abgeräumt werden.
Öffentlich am stärksten umstritten ist die Frage, ob Sanktionen künftig halbautomatisch eingeleitet werden dürfen, was nach EU-Lesart heißt, dass der Finanzministerrat sie nur aufhalten kann, wenn sich eine Zweidrittelmehrheit gegen Sanktionen findet.
Deutschland und Frankreich bestehen darauf, dass wie auch im Lissabon-Vertrag vorgesehen der Beginn eines Defizitverfahrens und die Forderungen an das betroffene Land weiterhin eine positive Mehrheit im Rat brauchen. Die restlichen Schritte, die in kurzen Abständen folgen, wären dann aber halbautomatisch.
Italien und Griechenland wehren sich noch dagegen, dass neben dem aktuellen Defizit auch die Gesamtverschuldung verringert werden muss. Die große Mehrheit der 27 will aber an dem neuen Prinzip, dass die Gesamtverschuldung nach einem klaren Prinzip in höchstens 20 Jahren unter die Höchstgrenze von 60 Prozent gedrückt wird, festhalten.
Der von Deutschland geforderte "Pakt für Wettbewerbsfähigkeit" wird nach anfänglicher Kritik der meisten anderen EU-Staaten inzwischen von einer Mehrheit der davon betroffenen Regierungen der Euro-Zone akzeptiert. Allerdings musste Kanzlerin Merkel einige Abstriche hinnehmen. Weil die meisten der verlangten Zusagen der Euro-Länder deren nationale Gesetzgebung betreffen, wird es keine Sanktionen geben, falls ein Land sich hinterher nicht an den Pakt hält.
Die ursprünglich geforderte Abschaffung der Lohnindexierung in einigen Ländern wird es ebenso wenig geben wie ein einheitliches höheres Renteneintrittsalter. Entscheidender Bezugspunkt sind jetzt die Lohnstückkosten. Alle Euro-Staaten sollen stärker darauf achten, dass ihre Lohnstückkosten die Konkurrenzfähigkeit nicht beeinträchtigen. Weil die Staaten die Tarifabschlüsse meist nicht direkt bestimmen können, sollen sie sie durch Lohnzurückhaltung im öffentlichen Dienst beeinflussen.
In der von Merkel akzeptierten Version des Paktes, die Ratspräsident Van Rompuy und Kommissionspräsident Barroso vorgelegt haben, wird außerdem gefordert, die Ausgaben für Bildung und Forschung noch über die bereits in der EU vereinbarte Marke von drei Prozent des BIPs anzuheben. Um die öffentlichen Finanzen besser in den Griff zu bekommen, sollen die Euro-Länder eine jährliche Nachhaltigkeitsbilanz vorlegen, die neben der offiziellen Verschuldung der Haushalte auch die langfristigen Verpflichtungen etwa zu Rentenzahlungen und deren Finanzierung analysiert.
Dazu wird die EU-Kommission einen "Indikator für die Nachhaltigkeitslücke" entwickeln. Die Rentensysteme sollen an die Demografie angepasst werden, neben höheren Renteneintrittsalter geht es auch um Abschaffung von Frühverrentungssystemen. Jedes Land soll außerdem Haushaltsregeln aufstellen, die der deutschen Schuldenbremse vergleichbar sind.
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FTD.de, 10.03.2011
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