EU-Schuldenkrise: Warum ein großer Rettungsschirm sinnvoll ist
Kommentar Deutsche Ökonomen haben vor einer Ausweitung der EU-Hilfen für strauchelnde Staaten gewarnt. Sie offenbaren damit, dass sie nicht verstanden haben, wie die globalen Finanzmärkte oder die Währungsunion funktionieren.Vor Kurzem warnten 189 deutsche Volkswirte als Plenum der Ökonomen davor, den Rettungsschirm für Euro-Länder auszudehnen und ihn ab 2013 zu einer ständigen Einrichtung zu machen. Die Art und Weise, wie die Volkswirte argumentieren, macht ihre Erklärung zu etwas Außergewöhnlichem: Die Argumente haben nichts damit zu tun, wie Finanzmärkte tatsächlich funktionieren.
Ihr erstes Argument fußt auf der Vorstellung, dass Finanzmärkte Liquiditätsprobleme von Schuldenproblemen trennen können. Auf den ersten Blick ein trügerisch einfaches Argument: Länder, die solvent sind, aber kein flüssiges Kapital haben, benötigen den Rettungsschirm nicht, weil sie am Markt Geld einsammeln werden. Insolvente Staaten dagegen werden keine Mittel am Markt bekommen, und sie verdienen es nicht, vom Rettungsschirm mit Liquidität versorgt zu werden. Im ersten Fall wäre der Schirm demnach überflüssig, im zweiten Fall gefährlich.
Dieses Argument ist insofern ungewöhnlich, weil dahinter der naive Glaube steckt, dass Finanzmärkte effizient sind. Die Realität sieht ganz anders aus. Vor Ausbruch der Finanzkrise waren die Märkte euphorisiert und unterschätzten die Risiken einer Solvenzkrise wie auch einer Liquiditätskrise drastisch. Sie ließen es zu, dass Banken und Haushalte massiv Schulden anhäuften. Paradoxerweise reduzierten zur selben Zeit die Regierungen der Euro-Länder ihr Verschuldungsniveau (gemessen im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt). Als die Blase platzte, mussten die Regierungen, um ein Implodieren des Bankenwesens zu vermeiden, in großem Maße Privatschulden übernehmen. Seitdem erlebten die Finanzmärkte Panikanfälle und belegen Solvenz- und Liquiditätsrisiken mit hohen Aufschlägen. Wenn sie in Vorkrisenzeiten mit ihrer Euphorie so systematisch danebenlagen, warum sollten sie jetzt richtigliegen?
Furcht neigt dazu, sich selbst zu bewahrheiten. Befürchten die Märkte heute beispielsweise einen Zahlungsausfall Portugals, erhöhen sie die Zinsen auf portugiesische Staatsanleihen. Dadurch steigt das Ausfallrisiko, was die ursprüngliche Angst bestätigt. Die Konsequenz ist, dass Portugals Regierung nun 7,7 Prozent Zinsen bezahlen muss. Bei diesem Zinssatz ist der Staat tatsächlich zahlungsunfähig - wie wohl alle Euro-Staaten.
In der Tat könnten einige Staaten - insbesondere Griechenland - schon heute zahlungsunfähig sein. Der Markt scheint jedoch zu der Einschätzung gekommen zu sein, dass Länder wie Irland und Portugal ebenfalls zahlungsunfähig sind. Aber sind die hohen Zinsen, die jetzt für Staatsanleihen fällig werden, das Resultat rationalen Abwägens durch die Investoren oder das Resultat ihrer Ängste?
Ein zweites trügerisches Argument, das die deutschen Volkswirte heranziehen, basiert auf dem "Moral Hazard". Insolventen Staaten Liquidität bereitzustellen würde in den Worten der Unterzeichner "hoch verschuldeten Ländern massive Anreize bieten, die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen und eine Verschuldungspolitik zulasten der EU-Partner fortzusetzen". Das Argument ist beliebt, weil es einen starken emotionalen Inhalt birgt: Staaten mit hohen Schulden und Defiziten haben verantwortungslose Regierungen. Sie sollten bestraft werden, damit sie ihre Fehler nicht wiederholen.
Teil 2: Mangelndes Verständnis für die Währungsunion
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FTD.de, 11.03.2011
© 2011 Financial Times Deutschland
Kommentare
- 11.03.2011 18:30:29 Uhr
KHD: Denkfehler
9% zahlen und nicht 5.8%.
Der Dominoeffekt der Anleihenhalten im gesamten Bankensektor besteht nicht nur innerhalb der EURO Länder, auch Finanzinvestoren ausserhalb der Währungsunion halten Anleihen der EURO Staaten. Das kann sicherlich kein Argument sein, eine Transferunion zu begründen, sondern höchstens das Gegenteil dessen, nämlich die Verflechtungen aufzulösen.
.
Von Bestrafung kann im übrigen keine Rede sein. Die Staaten mit den hohen Defiziten sollten selbst ein Interesse daran haben, ihre Defizite abzubauen. Wenn die Staaten den Abbau der Defizite durch Sparmassnahmen und Steuererhöhungen als Strafe empfinden, sollte man lieber gleich die Union auflösen. - 11.03.2011 16:49:33 Uhr WILHER: Vorsprung konnte nicht gehalten werden
- 11.03.2011 16:44:04 Uhr Journalistenschelter: Der Rettungsschirm als Wahlmenü
- 11.03.2011 16:03:39 Uhr focus: @Wihler
- 11.03.2011 13:36:17 Uhr WILHER: Ein großteil der deutschen Exporte ging
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