FTD-Serie: Erdbeben in Japan
Es ist die schlimmste Naturkatastrophe seit Menschengedenken in Japan. Schwere Erdstöße und ein anschließender Tsunami verwüsten weite Landstriche. FTD.de berichtet über das Beben und seine Folgen.
Restrisiken bei AKW: Fukushima liegt auch in Deutschland
Tsunamis wird es in Deutschland wohl keine geben. Aber das ist keine Entwarnung: Atomunglücke passieren immer da, wo man nicht mit ihnen rechnet.Es ist die alte Erzählung der deutschen Atomindustrie, auch jetzt wieder, nach dem Unglück von Fukushima. Schon am Samstag verschickte das Deutsche Atomforum eine Erklärung: "Eine Verkettung eines derart schweren Erdbebens und eines schweren Tsunamis ist in Deutschland nicht vorstellbar." So sah die Industrie das schon immer, wenn irgendwo auf der Welt ein Atomunfall passierte: andere Umstände, bei uns nicht möglich.
Doch was beim Super-GAU im sowjetischen Tschernobyl vielen noch einleuchtete, verliert im Fall von Japan seine Überzeugungskraft: Japanische Ingenieure sind nicht schlechter als deutsche, die Sicherheitsstandards dort nicht laxer als hier. Auch aus der deutschen Energiewirtschaft kommen daher selbstkritische Töne. Man müsse die Risikoannahmen überprüfen, sagt der Präsident des Branchenverbands BDEW, Ewald Woste. "Die Sicherheitsstandards sind immer nur so gut wie die zugrunde liegenden Risikoannahmen."
Das fängt schon bei den direkten Parallelen zu Fukushima an. RWE -Chef Jürgen Großmann verwies am Montag darauf, dass es in Deutschland keinen Tsunami geben könne - und gegen Erdbeben seien die deutschen Reaktoren gesichert. In der Tat müssen Atomkraftwerke bei der Genehmigung nachweisen, dass sie dem sogenannten Bemessungserdbeben standhalten können. Das ist die größte wissenschaftlich anzunehmende Intensität in der jeweiligen Region. Das AKW Krümmel hält laut Vattenfall zum Beispiel bis zur Stärke 6,0 - ein hoher Wert für die norddeutsche Tiefebene. Aber auch in Japan hielt die Regierung ein Erdbeben der Stärke 8,2 für das größtmögliche. Am vergangenen Freitag waren 9,0 möglich. "Die Natur kann immer noch einen drauflegen", sagt Greenpeace-Atomexperte Karsten Smid.
Das ist das Restrisiko: Es tritt genau das ein, an das man nicht gedacht hat. Oder an das man nicht denken wollte. Der Fokus auf Erdbeben und Tsunamis täuscht daher: "Dasselbe wird sich in Deutschland nicht wiederholen", sagt Reaktorsicherheitsexperte Christoph Pistner vom Öko-Institut. "Aber wenn es Ereignisse gibt, mit denen man nicht gerechnet hat und Defizite im Reaktor, die man nicht erkannt hat, dann kann es auch in Deutschland zu einem schweren Unfall kommen." Ein Beispiel: Natürlich ist Brunsbüttel, das an der Elbmündung liegt, auf eine Sturmflut ausgelegt. Aber was, wenn ein Orkan vorher noch die Strommasten in der Nachbarschaft zerstört?
Dazu kommt, dass es offenbar mehr war als reine Naturgewalt, die zum Drama von Fukushima geführt hat: Das Umschalten von normalem Strom auf die Notstromversorgung hat sich - mal wieder - als Achillesferse der Kernreaktoren erwiesen. Der Strom versagt, die Kühlsysteme fallen aus, es kommt zur Kernschmelze. Das ist das Schreckensszenario von Fukushima. Dass es auch ohne Naturkatastrophe eintreten kann, hat ein Vorfall im schwedischen AKW Forsmark 2006 gezeigt. Ein simpler Kurzschluss genügte: Die normale Stromversorgung fiel aus - und anschließend auch zwei von vier Notstromgeneratoren. Weil auch die Steuerung minutenlang versagte, stand die Situation auf der Kippe - und das mitten in Europa.
Die zweite Verteidigungslinie der Atomindustrie lautet daher: "Jeder deutsche Reaktor ist auf jeden Fall besser ausgerüstet als der in Fukushima", so Atomforum-Präsident Ralf Güldner. Der Stand der Notstromtechnik ist momentan eine vierfache Versorgung mit Dieselgeneratoren als Plan B - und das Gleiche noch mal als Plan C. Danach gibt es noch Batterien, die mindestens zwei Stunden halten müssen. Ältere Reaktoren sind oft weniger gut bestückt als modernere. Experte Pistner geht davon aus, dass auch der höhere Standard nach der Erfahrung von Fukushima überarbeitet werden muss. Eine andere Lehre betrifft Reaktoren, die wie in Fukushima dicht beieinanderliegen: In Biblis zum Beispiel teilen sich zwei Reaktoren eine einzige Leitwarte für den Notfall. Aber was ist, wenn beide Blöcke gleichzeitig in Not sind?
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Aus der FTD vom 15.03.2011
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