"War for Talent": Wie Firmen online um Bewerber kämpfen
Zu überladen, zu kompliziert, zu ungenau - mit ihren Portalen im Netz schrecken viele Unternehmen potenzielle Bewerber ab. Dabei suchen die meisten Hochqualifizierten online nach Jobs. FTD.de vergleicht die Karriereportale der Konzerne und zeigt, was Bewerber im Internet frustet.Der "War for Talent" wird zwischen Unternehmen zunehmend im Internet entschieden. Vor allem gut qualifizierte Mitarbeiter informieren sich hauptsächlich online über Stellenangebote bei Konzernen. Das geht aus einer Studie des Marktforschungsinstituts Potential Park hervor, das rund 3000 deutsche Studenten und Absolventen zu ihrem Bewerbungsverhalten im Netz befragt hat. Für 90 Prozent der Befragten ist die Suche nach einer Stelle der Hauptgrund, überhaupt eine Firmenwebsite aufzusuchen.
Doch zwischen den Karriereplattformen der Konzerne gibt es große Unterschiede. Das ergaben die Auswertungen der 104 Unternehmenswebsites, die die Befragten in der Studie testen sollten.
FTD.de zeigt, welche Konzerne mit ihren Karriereportalen bei Jobinteressenten besonders gut abschnitten, welche Denkfehler Personaler im Netz machen - und warum Bewerber mit Arbeitgebern nicht auf Facebook befreundet sein wollen.
Der Mineralölkonzern hat es laut der Potential-Park-Studie in diesem Jahr unter die Top fünf der besten europäischen Karrierewebsites geschafft. Zum einen wird die klare Struktur der Website hervorgehoben. Zum anderen sind besonders einzelne Bewerbungstools bei Studenten sehr beliebt. So bietet BP Jobinteressenten mehrere Möglichkeiten, schon vor der eigentlichen Bewerbung ihre Karrieremöglichkeiten zu testen. Beispielsweise kann ein Absolvent auf Jobsuche im so genannten "Career Matcher" seinen Ausbildungsabschluss detailliert mit offenen Stellen abgleichen. Beim "Self-assessment" können Jobinteressenten einen Fragebogen ausfüllen, um herauszufinden, wie gut sie zu dem Unternehmen passen.
BP haben diese Tools im Ranking gleich 16 Plätze nach oben katapultiert. Andere Unternehmen haben dagegen ihre Präsenz in sozialen Netzwerken wie Facebook stark ausgebaut, um potenzielle Bewerber anzulocken. Allerdings erwarten gerade mal ein Fünftel der Studenten, dort mit zukünftigen Arbeitgebern in Kontakt zu kommen. 47 Prozent würden dagegen eher ein Businessnetzwerk wie Xing oder LinkedIn nutzen, um mit Unternehmen zu interagieren.
„Die meisten Bewerber gehen sicher davon aus, dass ihre Daten intensiv durchleuchtet werden“, sagte Social-Media-Berater Martin Grothe, der Netzstrategien für Unternehmen entwickelt, zu FTD.de. Diese Einschätzung sei in der Fläche jedoch falsch. Tatsächlich sind Nutzerprofile auf Facebook viel transparenter als in den meisten Karriereportalen, so dass es beispielsweise leichter fällt nachzuvollziehen, für welche Unternehmen sich der Nutzer interessiert. Auch deswegen schrecken Bewerber vor der Kommunikation mit Konzernen innerhalb von sozialen Netzwerken eher zurück. Laut Grothe bieten Arbeitgeber mittlerweile immer öfter an, Bewerbungen auch vorab gegenzulesen. „Das wirkt sicher deutlich engagierter als wohlgestaltete, aber unbelebte Facebookseiten.“
Personaler nutzen diese Plattformen trotzdem verstärkt, weil sie mehr gestalterische Möglichkeiten bieten als klassische Karrierenetzwerke. Zum anderen sind gerade Studenten ohne langen Werdegang häufiger bei Facebook anzutreffen als bei Xing. Dies gilt tendenziell jedoch weniger für die besonders nachgefragten Absolventengruppen der Ingenieure und Naturwissenschaftler.
Deswegen finden Unternehmen auch nur in seltenen Fällen brauchbare Kandidaten über die sozialen Netzwerke. „Häufig wird im Bereich Social Media noch sehr aktionsorientiert gehandelt, ohne sich tatsächlich Gedanken über die Zielgruppe und deren Präferenzen zu machen“, sagt Regina Esslinger, die bei der Deutschen Employer Branding Akademie Personaler schult. Potential Park-Forschungschef Julian Ziesing drückt es so aus: "Bei Facebook Bewerber zu suchen, ist so, als ob man sich mit einem Megafon auf eine Studentenparty stellen würde."
Besonders in Großbritannien findet die Bewerbersuche nach Ansicht der Recruitingexperten besonders strukturiert statt. Mit seiner britischen Website hat Ernst&Young es im europäischen Ranking auf Platz vier geschafft - vor allen anderen Wirtschaftsprüfergesellschaften. Neben vielen Erfahrungsberichten und Informationen bietet das Karriereportal auch einen interaktiven Selbsttest an, der "Strength Factors" heißt. Der ist laut den Machern der Studie bei Bewerbern deswegen beliebt, weil er "auf charmante Weise" zeigt, was das Unternehmen von seinen Mitarbeitern verlangt.
Auffällig am europäischen Ranking ist, dass die Karriereportale der Banken alle auf den hinteren Plätze auftauchen. So fällt die Deutsche Bank mit ihrer Website um acht Plätze, die HSBC um 16 und die UBS um 20 Ränge zurück. Als mögliche Erklärung für diesen Abfall weisen die Studienmacher von Potential Park darauf hin, dass die Geldinstitute während der Finanzkrise kaum in ihre Karriere-Netzauftritte investiert haben. Die sind dadurch zwar nicht schlechter geworden, aber andere Unternehmen haben gegenüber der Finanzbranche dadurch in den letzten Jahren aufgeholt.
Die Deutsche Telekom ist mit ihrem Karriereportal zwar nur auf Platz 30 des deutschen Rankings, ihr Online-Bewerbungsverfahren schneidet unter den Studenten jedoch deutlich besser ab. Dort kann jeder auswählen, in welcher Form er seinen Lebenslauf hochladen will. Zudem zeigt ein Ladebalken an, wie weit der Bewerber mit der Eingabe seiner Daten bereits fortgeschritten ist.
Die komplizierten Eingabeflächen sind eine Folge der Programmierung der Software. Bei vielen Unternehmen ist diese darauf ausgelegt, es der Personalabteilung möglichst einfach zu machen, nicht aber dem Bewerber."Es wird noch zu wenig auf die Schnittstellen der einzelnen Kanäle und Systeme geachtet", sagt Esslinger von der Employer Branding Akademie. Damit ein Profil in allen Datenbanken korrekt abgelegt werden kann, muss beispielsweise ein Lebenslauf häufig hochgeladen und zusätzlich in eine Onlinemaske eingegeben werden. Laut Potential Park wird das von Bewerbern häufig als unnötige doppelte Arbeit empfunden und schreckt sie daher ab.
"Die große Frage der Jobsuchenden ist: Warum ist es heutzutage einfacher, online einen Überseeflug zu buchen als seinen Lebenslauf auf einer Unternehmenshomepage hochzuladen?", sagt Julian Ziesing, Leiter der Forschungsabteilung bei Potential Park. Tatsächlich wirken Onlinebewerbungsverfahren auf viele potenzielle Bewerber abschreckend. Das hat zum einen den Grund, dass ein Großteil der Jobinteressenten glaubt, eine Onlinebewerbung werde niemals von einem Menschen gelesen. Berater sprechen dabei vom "Black-Box-Effekt." Diese Bedenken würden dadurch verstärkt, dass bei einem Großteil der geprüften Unternehmen kaum oder nur mit Verzögerung auf E-Mail-Rückfragen der Bewerber reagiert wird.
Das deutsche Ranking führt ThyssenKrupp an. Begründung: Die Website bemüht sich darum, den Fragen potenzieller Bewerber vorzugreifen. Besonders die Einteilung der Ausgangsseite in einzelne Bewerberkategorien wird gelobt. Zudem sehen die Studienmacher die Zuordnung der Online-Stellenausschreibungen und Verlinkung zu den Bewerberprofilen als Zeitersparnis. Auch das Onlinbewerbungsverfahren des Unternehmens schneidet in einem seperat geführten Ranking sehr gut ab.
Bei vielen anderen Konzernen droht dem Bewerber hingegen beim Übergang von Karrierewebsite zu Bewerberportal ein Kulturschock. Die durch das Jobportal aufgebauten Erwartungen des Bewerbers zerbröckeln angesichts der häufig umständlichen und zeitaufwendigen Eingabeverfahren der Onlinemasken. Dieses Problem kennt auch Grothe: "Wenn dem Bewerber nach außen der Eindruck großer Innovationskraft und Wertschätzung vermittelt und dann aber ein furchtbarer Fragenkatalog zugemutet wird, so ist der Eindruck schnell entlarvt."
An der Spitze des europäischen Rankings steht mit der Allianz ein deutsches Unternehmen. Die Macher der Studie loben bei der Website insbesondere die gute Verlinkung und die Fülle an Informationen. Die Allianz präsentiere sich als internationales Unternehmen, heißt es. Zudem bewerteten die Befragten die persönlichen Statements von Mitarbeitern und Führungskräften sehr positiv. Auch Vorstandschef Michael Diekmann kommt mit einem gefilmten Statement zu Wort - was dem Karriereportal laut Auswertung international "Relevanz und Gewicht" verleiht.
Ein möglichst persönlich gestalteter Internetauftritt bringt Unternehmen Pluspunkte bei den Bewerbern ein. Denn trotz der Konzentration auf das Internet bei der Jobsuche legen Jobinteressenten deutlich mehr Wert auf direkte Ansprache durch einen Arbeitgeber. Befragte werten es als positiv, wenn statt einer allgemeinen E-Mail-Adresse konkrete Ansprechpartner aus der Personalabteilung mit Telefonnummer genannt werden. „Wir sehen die ersten Arbeitgeber, die sich in die Diskussionsforen der Zielgruppe offen und auf Augenhöhe einbringen“, sagt der Netzwerk-Experte Grothe.
- © 2011 Financial Times Deutschland
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