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Artikel aus dem EXTRA LexikonPrint this

Von massearmen Zwergen, "hot Jupiters" und Sternenfinsternissen

Wenn Planeten tanzen

In einem fremden Planetensystem: Links schwebt ein riesiger Gasplanet, rechts zieht ein erdkleiner Begleiter vor seiner Sonne vorbei. Fiktive Grafik: Christian Pinter

In einem fremden Planetensystem: Links schwebt ein riesiger Gasplanet, rechts zieht ein erdkleiner Begleiter vor seiner Sonne vorbei. Fiktive Grafik: Christian Pinter

Von Christian Pinter

Vor zehn Jahren entdeckte man erstmals einen Planeten, der nicht um die Sonne, sondern um einen anderen, sonnenähnlichen Stern kreist: 51 Pegasi . Bald danach gelang ein solcher Fund auch bei Ypsilon Andromedae . Dort wurden 1999 noch weitere Begleiter entdeckt. Heute kennt man 161 extrasolare Planeten. 18 bekannte Mehrfachsysteme mit bis zu je vier Begleitern regen ganz besonders zum Vergleich mit unserem Sonnensystem an.

Vor wenigen Monaten gelangen wahrscheinlich die ersten beiden Schnappschüsse von fremden planetaren Welten. Die eine kreist um den massearmen braunen Zwerg 2M1207 – also um eine "gescheiterte Sonne", die ihren Fusionsreaktor nur ganz kurz zünden konnte. Die andere Welt wurde neben dem extrem jungen Protostern GQ Lupi entdeckt. Das Foto soll einen riesigen, fast 2.000 Grad Celsius heißen Gasplaneten zeigen. Es stammt von einer Astronomengruppe, der auch der Österreicher Günther Wuchterl angehört.

Tanz der Himmelskörper

Normalerweise zeigen sich extrasolare Planeten aber nicht, denn diese lichtschwachen Objekte ertrinken hoffnungslos im Glanz ihrer Sonnen. Der Nachweis ihrer Existenz ist nur indirekt möglich. Besitzt ein Stern einen Begleiter, umkreisen beide Körper den gemeinsamen Schwerpunkt des Systems. Je schwerer der Planet, desto näher rückt dieser Punkt zu ihm hin. Der Stern, der ebenfalls um den Schwerpunkt tanzt, muss dann immer größere Schritte machen. Die Umlaufszeit des Planeten bestimmt den Rhythmus dieses "Tanzes".

Auch der Schwerpunkt unseres Systems ist nicht mit dem Sonnenzentrum identisch. Die gemeinsame Masse von neun Planeten zieht ihn in die Nähe des Sonnenrands. Vor allem Jupiter gibt den Takt an. Dieser Riese ist 143.000 km groß und nennt ein Promille der Sonnenmasse sein Eigen. Das entspricht dem Gewicht von 318 Erden. Danach folgen Saturn mit 95, Uranus mit 15 und Neptun mit 17 Erdmassen. Die anderen, relativ kleinen Planeten spielen bloß eine Nebenrolle.

Dopplers Hypothese

Beginnen fremde Sonnen mit ihren Begleitern zu tanzen, bewegen sie sich periodisch auch ein wenig auf uns zu, bzw. von uns fort. Dank Christian Doppler lässt sich die Geschwindigkeit dieser Bewegungskomponente sehr gut messen. Der österreichische Physiker stellte im Jahr 1842 folgende Hypothese auf: Nähern sich Sender und Empfänger einander an, wird ein ausgesandtes Signal mit gesteigerter Frequenz wahrgenommen. Entfernen sie sich, ist es umgekehrt. Der Nachweis gelang mit Trompetern auf vorbei fahrenden Zügen. Am Bahnsteig wartende Musikerkollegen hörten deren Ton zunächst verstärkt, dann vermindert.

Was bei Bläsern funktioniert, klappt auch mit dem Licht tanzender Sonnen. In ihren Spektren ziehen die Linien periodisch gegen Blau, dann gegen Rot. Die Stärke der Doppler-Verschiebung verrät die Mindestmasse des verborgenen Planeten, ihr Rhythmus seine Umlaufszeit. Überlagern einander mehrere Perioden, spielen noch weitere Begleiter mit. Etwa beim Krebsstern 55 Cancri . Seine vier Planeten zeigen Umlaufszeiten zwischen 3 Tagen und 12 Jahren. Der kleinste wäre mit mindestens 14, der größte mit über 1.000 Erden aufzuwiegen.

Nur in ganz wenigen Fällen schauen wir exakt auf die Kante der Planetenbahn. Aus unserer Perspektive zieht die fremde Welt dann einmal pro Umlauf genau vor ihrer Sonne vorbei. Während des Transits wird das Sternenlicht geringfügig geschwächt. Je ausladender der Planet, desto deutlicher ist der Lichtrückgang. In Kombination mit der Doppler-Methode geben solche "Sternfinsternisse" verblüffende Details preis.

Im Jahr 1999 gelang die erste einschlägige Beobachtung am Stern HD 209458 im Sternbild Pegasus. Seine Helligkeit geht alle dreieinhalb Tage um 1,7 Prozent zurück. Flink umrundet der versteckte Planet seine Sonne. Er schießt dabei bloß 6 Millionen Kilometer über ihrer Oberfläche dahin. Die Glut bläht ihn gewaltig auf. Obwohl er nur zwei Drittel der Masse von Jupiter besitzt, ist er um ein Drittel größer als dieser. Aus seiner aufgeheizten Gashülle entweichen pro Sekunde 10.000 Tonnen Wasserstoff. Sie strömen in Form eines Schweifs in den Raum. Heute ist die mittlere Dichte dieses planetaren Goliaths drei Mal geringer als die von Wasser. Ist einmal alles Gas verschwunden, bleibt vielleicht eine zehn Erden schwere Kugel aus geschmolzenem Gestein und Eisen übrig.

Schätzungen zufolge nennt jeder 16. Stern am Himmel einen oder mehrere Mammutplaneten im Jupiter- oder Saturnformat sein Eigen. Sind deren Atmosphären auf mindestens 1.000 Grad Celsius erhitzt, spricht man von "hot Jupiters". Eigentlich dürfte es sie gar nicht geben, denn so nah an ihrem Stern kann das zu ihrem Bau benötigte Material nicht existiert haben.

Im Jahr 1983 fing der NASA-Satellit IRAS eine unerwartet starke Wärmestrahlung von Wega in der Leier auf, später auch von Beta Pictoris . Beide kleiden sich offenbar in Staub. Vom Sternenlicht erwärmt, leuchtet die fein verteilte Materie im Infrarot.

Woraus Planeten sind

Eine rotierende Scheibe aus Staub und Gas schmückte vor 4,6 Milliarden Jahren auch unsere Sonne. Daraus formten sich letztlich die Planeten. Im inneren Sonnensystem wurden Kugeln mit silikatischen Mänteln geboren: Die Steinplaneten Merkur, Venus, Erde und Mars. Im kühleren Außenbezirk stand zudem reichlich Gas und Eis zur Verfügung. Deshalb umgaben sich die Kerne von Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun mit weiten Hüllen aus Wasserstoff und Helium. Diese Gasplaneten haben keine feste Oberfläche. Zwischen den genannten beiden grundverschiedenen Planetengruppen blieb ein Gürtel von Kleinplaneten zurück.

Der Bau der Planeten war nach wenigen Millionen Jahren abgeschlossen. Dann zündete der Fusionsreaktor im Inneren der Sonne. Sie blies nun Staub und Gas fort. Vergleichbare Staubscheiben findet man deshalb nur um Sterne, die höchstens zehn Millionen Jahre alt sind. Später tauchten sie aber nochmals auf. Diesmal stammte der Schutt von zerstörerischen Kollisionen zwischen Kleinkörpern. Im Schwerefeld des Sterns HD 69830 passieren Zusammenstöße alle paar tausend Jahre. Sein Kleinplanetengürtel umfasst 25-mal mehr Masse als unser eigener. Könnte man die Trümmer um den Widder-Stern HIP 8920 wieder zusammenfügen, ergäbe sich eine Kugel von 400 km Durchmesser.

Um Wega dürften mehrere Welten vom Format unseres Pluto ineinander gekracht sein. Um Beta Pictoris ereigneten sich die letzten Karambolagen vielleicht erst vor hundert Jahren. Die Scheiben beider Sterne zeigen seltsame Verformungen. Dafür sind möglicherweise die Anziehungskräfte unentdeckter Riesenwelten verantwortlich. Im Staubgebilde um AU Microscopii klafft eine breite Lücke – wahrscheinlich wurde diese Zone von einem verborgenen Begleiter leer gefegt.

Die Energie von Winzlingen

Modellrechnungen belegen: In seinen Kindertagen produziert ein Riesenplanet in der Staubscheibe spiralförmige Dichtewellen, die ihrerseits den Kurs des Planeten manipulieren. Außerdem erlebt er Milliarden enger Begegnungen mit kleinen Himmelskörpern. Dabei wird orbitale Energie ausgetauscht. Wenn die Winzlinge Energie verlieren, landen sie auf engeren Bahnen oder gar im Stern selbst; unsere Sonne empfing bis zu 40 Erdmassen. Gewinnen sie Energie, driften sie weiter nach außen. In jedem Fall schlägt der am Tausch beteiligte Großplanet den entgegengesetzten Kurs ein.

Unser Jupiter wanderte in den ersten 100.000 Jahren nach seiner Entstehung 60 Millionen km in Richtung Sonne. Als die Staubscheibe ausgedünnt war, kam er zum Stillstand. Andere Sterne machten noch viel dramatischere Migrationsbewegungen: Deren "hot Jupiters" wurden wahrscheinlich an kühleren Orten geboren und spiralisierten erst später in die heutigen, heißen Orbits. Manche sind so eng, dass eines ihrer "Jahre" keine 100 Stunden währt.

Ganz anders verhält es sich hingegen bei unserem Neptun. 4,5 Mrd. km von der Sonne entfernt, benötigt er 165 Erdenjahre für einen kompletten Umlauf. In dieser Sonnendistanz muss Materie einst viel zu schütter verteilt gewesen sein, um Neptuns Geburt zuzulassen. Seine Wiege stand also weiter innen. Offensichtlich stahl der Planet den Kleinkörpern orbitale Energie und marschierte damit in den Außenbezirk des Sonnensystems. Ähnliches könnte beim Stern Epsilon Eridani passiert sein. Eine dunkle Furche in seiner Staubscheibe lässt auf die Existenz eines Planeten in bis zu doppelter Neptundistanz schließen.

Flirt mit Folgen

Manchmal kamen Planeten durch ihre Wanderung einander langsam näher. Dann synchronisierten sie ihre Bewegungen, wie dies manchmal bei flirtenden Menschen zu beobachten ist. Zwei der drei Begleiter von Gliese 876 im Wassermann kreisen in 2:1-Resonanz. Der äußere Planet braucht 61 Tage für seinen Umlauf, der mittlere halb so lang. Fällt einer der beiden zurück, lässt ihn die Anziehungskraft des Partners aufschließen. Wird er zu schnell, bremst sie ihn ein. Beim Quartett um 55 Cancri wählten die beiden mittleren Mitglieder eine 3:1-Resonanz. Auch solche Partnerschaften können langfristig stabil sein.

Die Planeten unseres Sonnensystems kennen derartige Harmonien aber nicht. Eine Ausnahme stellt der schmächtige Pluto dar, dem Neptun beim Marsch nach außen eine 3:2-Resonanz aufgezwungen hat. Seither braucht Pluto für seinen Umlauf 1,5-mal länger als Neptun. Deshalb kommen die beiden einander nie in die Quere – trotz kreuzender Orbits. Allerdings gilt Pluto vielen Forschern nicht als richtiger Planet. Er ist vielmehr das größte Objekt im Kuiper-Gürtel , der sich hinter Neptun erstreckt und aus mindestens 1.000 eisbedeckten Welten besteht. Ein Äquivalent dazu fand man gerade um den hellen Stern Fomalhaut . Dessen "Kuiper-Gürtel" umfasst Material von insgesamt 50 bis 100 Erdmassen. Der scharfe Innenrand des Gürtels weist auf die Anwesenheit eines Großplaneten hin.

Vom untypischen Pluto wieder abgesehen, bevorzugen unsere Planeten kreisähnliche Ellipsenbahnen. Das ist auch gut so, denn ein Planet in einem sehr exzentrischem Orbit würde die Kreise aller anderen stören; ein Chaos wäre die Folge. Andernorts trifft man solche Bahnen häufig an. Als besonders schlimmer Exzentriker erwies sich der 1.000 Erdmassen schwere Begleiter des Sterns HD 80606 , der ständig zwischen 5 und 127 Millionen km Sternabstand hin und her pendelt. Ein etwaiger Konkurrent wäre von ihm längst aus dem System geschleudert worden.

Mäntel aus Diamant und Eis

Für die anderswo so beliebten "hot Jupiters" gibt es bei uns kein Gegenstück. Fremde Sonnen könnten aber mit noch viel bizarreren Welten aufwarten. Man mag sich etwa Begleiter ausdenken, die nicht aus Silikaten, sondern primär aus Kohlenstoffverbindungen bestehen. Unter der Oberfläche sorgt enormer Druck für eine vielleicht mehrere Kilometer dicke Schicht aus Diamanten. Die Mäntel anderer Planeten sind womöglich aus Eis geformt. Spiralisieren solche Eiskugeln ihrem Stern entgegen, bedeckt sie bald ein viele hundert Kilometer tiefer Ozean. Festland suchte man in solchen Wasserwelten vergeblich.

Wasser gilt uns als Voraussetzung für die Entwicklung von Leben. Jeder Stern kennt einen wohl temperierten Bereich, in dem die Oberflächen etwaiger Planeten theoretisch Wasser tragen könnten. Schon hat man Welten in diesen "bewohnbaren Zonen" entdeckt – z. B. bei dem Stern HD 28185 . Dort kreist aber leider nur ein Gasgigant mit 1.800 Erdmassen. Ist der schönste Platz von einer öden Riesenwelt besetzt, müssen sich alle weiteren Begleiter mit den übrigen viel zu heißen oder kalten Regionen begnügen.

Die Doppler-Methode stöbert bevorzugt massereiche Begleiter in engen Orbits auf, weil diese ihre Sonnen besonders nachdrücklich zum Tanz bitten. Auch deshalb stehen die bislang gefundenen Planetensysteme in irritierendem Kontrast zu "unserer" kosmischen Heimat. Zwar misst man neuerdings schon Sternbewegungen, deren Tempo dem von Spaziergängern gleicht, aber selbst damit findet man bloß Objekte von 7,5 Erdmassen. Viel kleinere Welten wären mit der Transitmethode nachzuweisen. Ihr setzt aber das leidige Sternenfunkeln Grenzen, das von Turbulenzen in der Erdatmosphäre herrührt. Aus diesem Grund will man die Beobachtung der "Sternfinsternisse" ins All verlegen.

2006 soll das französische Weltraumteleskop Corot erste Daten dazu liefern. Unter österreichischer Beteiligung wird es 60.000 Sterne nach rhythmischen Lichtschwankungen absuchen. Später wird das US-Weltraumobservatorium Kepler weitere 100.000 Sonnen ins Visier nehmen. Beide Missionen geben Anlass zur Hoffnung und haben das Potenzial, neue Planeten vom Format der Erde aufzuspüren.

Christian Pinter , geboren 1959, lebt als Fachjournalist in Wien.

 

Freitag, 05. August 2005 14:49:48
Update: Freitag, 05. August 2005 15:12:00

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