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Das Weltall ist voll Roter Zwerge

Die meisten Planeten im engen Orbit rund um Rote Zwergsterne sind wohl öde Steinwüsten. Grafik: Pinter

Die meisten Planeten im engen Orbit rund um Rote Zwergsterne sind wohl öde Steinwüsten. Grafik: Pinter

Von Christian Pinter

Aufzählung Im ganzen Universum gibt es, grob geschätzt, rund 200 Milliarden "kosmischer Knirpse", und sie erweisen sich als wahre himmlische Sparmeister.

Für uns ist die Sonne ein Gigant, schwer wie 332.000 Erden und 1,4 Millionen km im Durchmesser groß. Sie erscheint uns 25 Milliarden Mal heller als die leuchtendsten Sterne des Nachthimmels. Allerdings nur ihrer geringen Distanz von acht Lichtminuten wegen. Könnten wir alle kosmischen Gasbälle aus der selben Entfernung betrachten, mutete die Sonne wie ein Versager an. Allein die sieben Sterne des Großen Wagens strahlen 24- bis 226-mal mehr Licht ins Universum. In punkto "wahrer Leuchtkraft" ist ihr jeder Fixstern, den das freie Auge am Firmament ausmacht, überlegen.

Seit kurzem aber wissen wir: In den Weiten des Alls verstecken sich enorme Scharen von Zwerg-sternen, die noch viel schwächlicher sind als die Sonne. In unserer Nachbarschaft stellen sie drei Viertel des stellaren Inventars. Rechnet man dies hoch, dürften sich rund 200 Milliarden kosmischer Knirpse in der Milchstraße tummeln. Der typische Stern im Universum ist bloß ein Roter Zwerg.

Schwerer als 100 Sonnen

Viele, jeweils hunderte Lichtjahre weite Molekülwolken aus Gas und Staub treiben durch die Galaxis. Manche zerfallen, wobei sich einige Fragmente zu neuen Sonnen verdichten. Etliche Prozesse wirken diesem Kollaps entgegen, andere begünstigen ihn. Das Wechselspiel sorgt für heftige Wehen, die mit dem Aufleuchten von Sternbabys höchst unterschiedlichen Gewichts enden: Die seltenen Hyperriesen sind schwerer als 100 Sonnen und geben das Millionenfache an Energie ab. Die Zwerge bringen es hingegen bloß auf acht bis 50 Prozent der Sonnenmasse und strahlen deshalb grob hundertmal schwächer.

Die bescheidene Anfangsmasse diktiert den weiteren Lebensweg des Zwergs. Sein geringes Gewicht begrenzt den Druck auf das Sternzentrum. Das verlangsamt die Verschmelzung von Wasserstoff zu Helium, was wiederum die Energieproduktion hemmt. Deshalb bläht sich der Gasball kaum auf. Die entsprechend kümmerliche Oberfläche strahlt nicht viel Licht ins All ab. Mit höchstens 3200 Grad C ist das Zwergenantlitz zudem um mindestens 2300 Grad kühler als jenes der Sonne.

Fantasievolle Grafiken stellen uns die kühlen Gnome gern im kräftigen Rot eines Paradeisers vor. Doch in Wahrheit ähnelt ihr Schein dem einer hellen Glühbirne. Er ist weiß, vermengt mit einem Schuss Orange. Das "Rot" im Namen der Zwerge ist also bloß ein Etikett. Fernrohrbesitzer können sich in klaren Nächten leicht selbst davon überzeugen.

Diese Zwerge sind die Sparmeister des Universums. Sie starten mit wenig Brennstoff, gehen damit jedoch viel sorgsamer um als ihre mächtigeren Sternkollegen. Während sich Hyperriesen schon nach zehn bis 50 Millionen Jahren verzehren, misst man die Lebenserwartung der Zwerge in Hunderten von Jahrmilliarden. Seit das Universum existiert, ist wohl noch kein einziger dieser "Dreikäsehochs" erloschen.

Allerdings werden sie von heftigen Unpässlichkeiten heimgesucht. Magnetische Störungen hemmen mitunter den Wärmetransport und verunzieren das Zwergenantlitz mit extrem ausgedehnten, kühlen "Sonnenflecken". Dann wieder erhitzt die plötzliche Freisetzung magnetischer Energie weite Teile ihrer Oberflächen auf über 10.000 Grad. Diese unvorhersehbaren Strahlungsausbrüche werden "Flares" genannt (engl.: to flare , flackern). Sie fallen den Wissenschaftern im Röntgen-, UV- sowie im Radiowellenbereich auf. Selbst im kleinen Teleskop erscheint der betroffene Lichtpunkt dann um ein Vielfaches heller. Für die Überwachung von Flackersternen sorgen deshalb oft Hobbyastronomen.

Dazu brauchen sie zumindest ein Fernglas. Mit freiem Auge ist nämlich kein einziger Roter Zwerg erkennbar, obwohl der hellste, Lacaille 8760, das Limit nur knapp verfehlt. Er verbirgt sich im südlichen Sternbild Mikroskop. Am Nordhimmel führt Lalande 21185 im Großen Bären die Bestenliste an.

Eigentlich steht er uns sogar eine Spur näher als Sirius, der funkelndste aller Fixsterne. Trotzdem erscheint er uns 8000-mal schwächer. Der Gnom verfügt nämlich nur über fünf Promille der Sonnenleuchtkraft.

Auch der mit 4,22 Lichtjahren uns nächste aller Fixsterne ist ein Knirps: Das Amateurfernrohr macht Proxima (lat., die Nächste) in der südlichen Konstellation des Zentauren aus. Der Zwerg ist bloß 2400 C heiß und sechsmal kleiner als die Sonne. Um ihren Schein zu ersetzen, müsste man 17.000 "Proximas" an ihre Stelle setzen. Trotz eines Alters von schon vier Milliarden Jahren wird unser Nachbar mehrmals am Tag von Flares heimgesucht. Er ist sehr wahrscheinlich an den prominenten Stern Alpha Centauri gebunden, der im Teleskop in zwei "normale", der Sonne ähnliche Sterne zerfällt. Proxima ist eine Ausnahme. Denn drei Viertel aller Roten Zwerge ziehen das Single-Dasein vor, meiden also Doppel- oder Mehrfachsysteme. Geht einer aber doch den Bund fürs Leben ein, ist auch sein Partnerstern meist winzig.

Seit sieben Jahren weiß man: Trotz ihrer Massenarmut können auch Rote Zwerge eigene Planeten haben. Manche dieser exotischen Welten kreisen sogar in der "bewohnbaren Zone". Das ist jener ausgezeichnete Bereich um einen Stern, in dem Wasser weder verdampft noch gefriert. Und weil man Wasser als Grundvoraussetzung für Leben erachtet, fiebern Forscher dem Fund solcher Planeten geradezu entgegen.

Unser "Lebensring" liegt, grob gerechnet, 150 Millionen km von der Sonne entfernt und wird von der Erde besetzt. Bei den kühlen Zwergen rückt er theoretisch auf weniger als 40 Millionen km an die Sternoberfläche heran. Das hat schlimme Folgen. Ein Exoplanet auf derart intimer Bahn ist den wilden Flares seines Zwerg-sterns erbarmungslos ausgesetzt. Die harte Strahlung heizt seine Atmosphäre auf, UV-Licht bricht im Extremfall sogar die Wassermoleküle auf. Der Wasserstoff würde sich dann ins All verabschieden und eine glühend heiße, knochentrockene Steinwüste zurücklassen.

Der brutale Partikelstrom würde eine dünne Planetenatmosphäre vielleicht sogar völlig zerstören, wäre sie nicht von einem Magnetfeld geschützt. Um ein solches betreiben zu können, müsste der Planet zwei Bedingungen erfüllen: Sein Inneres sollte noch teilweise geschmolzen und seine Rotation nicht zu langsam sein. Diese Achsdrehung wird vom nahen Zwergstern jedoch solange abgebremst, als der Planet seiner Sonne stets die selbe Seite zuwendet. Hier herrscht ewiger Tag, während die abgewandte Hemisphäre bloß endlose Dunkelheit und Kälte kennt. Dort erstarrt eine dünne "Lufthülle" rasch zu Eis und legt sich wie Raureif auf die Landschaft.

Geringe Lebenschancen

Nur eine dichte, mit Kohlendioxid versetzte Atmosphäre könnte die krassen Temperaturdifferenzen zwischen den Hemisphären ausgleichen und Hitze von der Tagzur Nachtseite transportieren. Ein Ozean mag ihr dabei assistieren. Fazit: Leben um einen Roten Zwerg wäre im Orbit zwar recht unwahrscheinlich; völlig auszuschließen ist es aber nicht.

Im Sternbild Waage glimmt der Gnom Gliese 581 mit zwei Promille der Sonnenleuchtkraft. Jüngst stieß man dort auf einen Planeten mit 13 Tagen Umlaufzeit. Er ist schwer wie fünf Erden und dürfte 1,5- bis zweimal größer sein als unsere Erde. An seiner Oberfläche dürfte ein 100 kg schwerer Mensch etwa 125 bis 220 kg wiegen und sich an Temperaturen zwischen null und 40 Grad C erfreuen. Denn mit einem Bahnradius von elf Millionen km kreist der Exoplanet Gliese 581c zumindest theoretisch in der begünstigten Zone. Manche feierten ihn schon als "zweite Erde".

Doch vorsichtige Wissenschaftler winken ab. Beim Abstecken des wirklichen "Lebensrings" darf man nämlich nicht nur auf die Leuchtkraft des Roten Zwergs setzen. Vielmehr ist auch die Wirkung einer etwaigen Planetenatmosphäre in Rechnung zu stellen. Ob Gliese 581c eine solche besitzt, weiß freilich niemand. Falls aber doch, könnte sie Modellen zufolge aber stark mit Kohlendioxid und Methan angereichert sein. Der daraus resultierende Treibhauseffekt ließe das Thermometer dann auf 100 Grad C und mehr klettern: Das vermeintliche Idyll entpuppte sich so als lebensfeindliche Hitzehölle. Zum Glück besitzt diese Welt aber noch zwei Nachbarplaneten: Der innere ist freilich eindeutig zu heiß. Und der äußere wirkt auf den ersten Blick zu kalt. Schenkt man diesem jedoch ebenfalls eine Atmosphäre mit Treibhausgasen, stellten sich dort überraschend günstige Temperaturen ein.

Kleiner Wermutstropfen: Dieser Planet ist so schwer wie acht Erden, die Schwerkraft an seiner Oberfläche wahrscheinlich viermal stärker als bei uns.

Vermutlich besitzen nur relativ kleine Welten feste Oberflächen. Schmächtige Exoplaneten haben die Astronomen bisher noch nicht gefunden. Kein Wunder. Denn im Orbit um massereiche, große Sonnen rutschen sie aus technischen Gründen unter die Nachweisgrenze. Bei den Zwergsternen ist man besser dran: In ihrem Umfeld fällt es leichter, eine Welt im Erdformat zu entdecken.

Christian Pinter geboren 1959, lebt als Fachjournalist in Wien. Er schreibt seit 1991 im "extra". Im Internet: members.aon.at/dr.c.pinter

Printausgabe vom Samstag, 08. September 2007
Online seit: Freitag, 07. September 2007 12:47:00

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