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Sammlerfreuden
Von Franz Zauner
Als ich vor ein paar Jahren Schloss Schönbrunn kaufen wollte, fragte ich bei Banken wegen eines Kredits an. Alleine schon die Tatsache, dass ich gefragt hatte, wurde von der Bank Austria beim Kreditschutz-Verband (KSV) vermerkt. Wenn so etwas so stehen bleibt, hat es Konsequenzen. Man ist mit einem nur für Bankleute sichtbaren Neon-Leuchtstift und der Aufschrift "Vorsicht" markiert.
Erst, als der Bankberater eines Konkurrenzinstituts mir das freundlicherweise erzählte, vermochte ich meine Bonität wieder herzustellen. Ich wandte harsche Methoden an, sandte unfreundliche Faxe und Emails. Alles wurde wieder gut, ein Ombudsmann entschuldigte sich. Ich frage mich aber seitdem, was Leute von mir denken, die mich nur aus Datenbanken kennen.
Ich wollte damals Schloss Schönbrunn nicht wirklich kaufen, sondern nur ein Reihenhäuschen. Man wird aber auch als trivialer Herbergssuchender technisch so behandelt, als hätte man es auf Schloss Schönbrunn abgesehen. Jeder Schritt wird vermerkt. Heute ist das vermutlich noch ärger, damals war immerhin Hochkonjunktur. Wenn ein Guru mit aberwitzigen Schrottpapieren in Milliardenhöhe jonglierte, schnurrten die Bankenapparate wie Kätzchen. Der Tag, an dem die Datensammler uns vortragen müssen, was sie über uns zu wissen glauben, wäre jedenfalls interessant und abwechslungsreich. Nur wird er, wie es aussieht, so schnell nicht kommen.
Im Großen und Ganzen gibt es beim Datensammeln zwei Positionen: entweder man ist dafür oder dagegen. Wer einen schönen Text über das Dagegensein lesen möchte, dem sei das Buch "Angriff auf die Freiheit" von Ilija Trojanow und Juli Zeh empfohlen, die beste Apokalypse seit Johannes. Die Versatzstücke des großen Sicherheitstheaters werden lustvoll auseinandergenommen, die Schrecken der Technokratie als Kunstgenuss angerichtet.
Nur die Grundthese des Buches klingt ein wenig zu wohlbekannt: Noch ein paar Überwachungstaten mehr – und die Demokratie verkommt zur leeren Hülle. Vermutlich setzt es aber einen ebenso starken wie bösen politischen Willen voraus, unsere immer noch recht liebenswerten europäischen Staaten zu chinesischen Machtapparaten zu verhärten. Sogar die Vorratsdatenspeicherung, die bis jetzt die Erwartungen nicht erfüllt, aber das rechtsstaatliche Elend quantitativer Fahndungsmethoden auf ganz Europa ausgedehnt hat, dürfte daran nichts ändern.
Wir Datenunterworfenen stolpern eher über die vielen kleinen Falten und Verwerfungen, die von der Schlamperei und Ignoranz der Datensammler kommen. So manches Opfer erfährt vom Leck in der Datenbank erst aus der Kreditkartenabrechnung.
Bei den vielen Daten, die heute einfach nur deshalb gesammelt werden, weil man sie sammeln kann, ist Paranoia nicht nur ein Menschenrecht, sondern eine Bürgerpflicht.
Printausgabe vom Samstag, 14. Mai 2011
Online seit: Freitag, 13. Mai 2011 12:21:20