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Merken   Drucken   11.04.2011, 21:00 Schriftgröße: AAA

   

Objektive Rechtssprechung: Arbeitspausen beeinflussen Gerichtsentscheidungen

Richter sollen bei ihrer Arbeit eigentlich komplett objektiv urteilen. Das bei Richtersprüchen jedoch nicht nur die reinen Fakten zählen, haben Forscher aus Israel und den USA belegt. Demnach sind Essenspausen wichtig für das Urteil.
Strafgefangene können nur hoffen, dass ein Richter ihren Bewährungsantrag am Anfang des Tages oder nach einer Essenspause bearbeitet. Dann nämlich entscheiden Richter häufiger zugunsten des Gefangenen. Das fanden Wissenschaftler aus Israel und den USA in einer Studie heraus. Sie vermuten, dass die Richter nach einer Reihe von Urteilssprüchen "entscheidungsmüde" werden und dann nur noch den Status quo erhalten - in diesem Fall also den Bewährungsantrag ablehnen und den Straftäter in Haft belassen. Das Team hat mehr als 1100 Entscheidungen von insgesamt acht israelischen Richtern analysiert und berichtet darüber in den "Proceedings" der Nationalen US-Akademie der Wissenschaften.
Urteile werden nicht unbedingt rein objektiv gefällt: ...   Urteile werden nicht unbedingt rein objektiv gefällt: Arbeitspausen habe auch einen Einfluss
Nach der reinen Rechtslehre sollten sich Gerichtsentscheidungen nur an Fakten und Gesetzen orientieren. Sogenannte Rechtsrealisten und andere Gelehrte sind jedoch der Ansicht, dass Richtersprüche auch von psychologischen, politischen und sozialen Faktoren beeinflusst werden, selbst wenn sie zum Teil zunächst unerheblich erscheinen. Diese Ansicht spiegelt sich in dem Sprichwort wider: "Recht sei was der Richter zum Frühstück gegessen hat." Genau diese Annahme prüften die Forscher um Shai Danziger von der Ben Gurion University of the Negev (Beer Sheva/Israel) in ihrer Untersuchung.
Sie analysierten 1112 richterliche Entscheidungen in Israel, zum größten Teil über Bewährungsanträge von Strafgefangen. Die Forscher prüften dabei, ob Ablehnung oder Gewährung der Anträge mit der Tageszeit, beziehungsweise den zwei Essenspausen der Richter im Zusammenhang stehen. Die Richter hatten an jedem Verhandlungstag jeweils eine gut halbstündige Frühstückspause und eine knapp einstündige Mittagspause. Ihr Arbeitstag wurde dadurch in drei Abschnitte unterteil.
Tatsächlich nahm die Anzahl der positiven Urteile innerhalb jeder der drei Tagesabschnitte kontinuierlich ab, von rund 65 Prozent am Anfang auf fast Null gegen Ende. Nach jeder Pause schnellte die Anzahl positiver Richtersprüche wieder auf rund 65 Prozent. Vermutlich würden durch die Pause die mentalen Reserven der Richter wieder aufgefüllt, schreiben die Forscher. Ob dies einfach durch die Erholungspause bedingt ist oder durch den Anstieg des Zuckerspiegels im Körper nach dem Essen, könne ihre Untersuchung nicht klären.
Aus früheren Studien sei bereits bekannt, dass Menschen mental ermüden, wenn sie hintereinander viele Entscheidungen treffen müssten. Sie neigten dann dazu, die noch nötigen Entscheidungen zu vereinfachen, indem sie einfach den bestehenden Zustand akzeptieren und belassen.
Nicht nur Richter, auch Angehörige anderer Berufsgruppen dürften bei Entscheidungsfindungen von eigentlich irrelevanten Faktoren beeinflusst werden, etwa Ärzte, Finanzexperten oder Mitarbeiter in Zulassungsstellen der Universitäten, schreiben die Forscher
  • dpa, 11.04.2011
    © 2011 Financial Times Deutschland
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