Ungeliebte Investoren: Heuschrecken mit neuem Beuteschema
Wenn Unternehmen restrukturiert werden, sitzen immer öfter Hedge-Fonds mit am Tisch. Sie attackieren die Firmen über den Kauf von Problemkrediten und verdrängen die Alteigner.Pfleiderer -Chef Hans Overdiek ist ein machtbewusster Mann. Vor dreieinhalb Jahren fürchtete er, bei Pfleiderer könnten aggressive Hedge-Fonds einsteigen und den Oberpfälzer Hersteller von Spanplatten und Laminatfußböden zerschlagen. So machte er sich auf die Suche nach einem freundlichen Investor, einer Private-Equity-Gesellschaft, die seine Expansionspläne unterstützte, und wurde fündig: One Equity Partners erwarb Anfang 2008 zunächst 15 Prozent und besaß zuletzt 23 Prozent.
Die Attacke von Hedge-Fonds konnte er aber nur bremsen - nicht stoppen: Als der Zusammenbruch der Baumärkte in Nordamerika und Osteuropa den hoch verschuldeten Bauzulieferer an den Rand der Insolvenz brachte, war ihre Zeit gekommen. Vor einigen Monaten kauften sich Distressed-Debt-Fonds in die Darlehen der früheren MDAX -Firma ein, nun stehen sie vor der Übernahme der Kontrolle. Die auf Problemkredite spezialisierten Fonds werden wohl schon im Sommer mehr als drei Viertel der Pfleiderer-Anteile erringen, womit Overdieks Tage an der Firmenspitze gezählt sein dürften. Dass die Hedge-Fonds am Chef mittelfristig festhalten, gilt in Finanzkreisen als unwahrscheinlich.
Mit Schulden von über 1 Mrd. Euro und einem Geschäftsvolumen von 1,5 Mrd. Euro gilt Pfleiderer in der Welt der angelsächsischen Finanzrestrukturierer derzeit als interessantester deutscher Fall. Entsprechend ist in den Krediten engagiert, wer Rang und Namen in der Branche hat. Darunter die amerikanischen Fonds Strategic Value Partners (SVP), Centerbridge, TPG Credit und Oak Hill. Pfleiderer steht für einen Trend: Bei Firmenrestrukturierungen in Deutschland sitzen Hedge-Fonds immer häufiger mit am Gläubigertisch.
Sie kommen aus den USA, von den Kanalinseln oder aus London - und sie attackieren die Mittelständler vornehmlich über die Kreditseite. "Wir bekommen von vielen US-Investoren Anfragen, ganze Portfolios zu kaufen", sagt Frank Jung, Leiter Debt Advisory und Restrukturierung Deutschland bei der amerikanischen Investmentbank Hawkpoint Partners. Anschließend dringen die Fonds meist auf einen Tausch von Krediten gegen Anteile, einen Debt-Equity-Swap, und setzen die Alteigner vor die Tür.
Distressed-Fonds wurden Eigentümer des hessischen Braas-Dachziegelherstellers Monier, des fränkischen Bootsbauers Bavaria Yacht sowie der Autozulieferer Kiekert und Neumayer Tekfor. Die börsennotierte, kränkelnde Hamburger Solarfirma Conergy soll gerade von Hedge-Fonds mehrheitlich übernommen werden. Den ebenfalls via Debt-Equity-Swap eroberten Autozulieferer HP Pelzer haben Hedge-Fonds um die amerikanische Bank Goldman Sachs schon weitergereicht, laut Branchenkreisen jedoch mit Verlusten. Motorblockhersteller Honsel geht wohl bald an einen anderen Autozulieferer.
Insolvenz statt lukrativem Weiterverkauf
In der jungen Historie der Branche in Deutschland sind lukrative Weiterverkäufe rar gesät. Öfter gingen gekaperte Firmen in die Insolvenz; wie 2006 und 2010 der Frankfurter Opel-Händler Georg von Opel, 2008 Zulieferer TMD Friction und 2009 Modellbahnhersteller Märklin. Bei der Bremer Reederei Beluga holte Gründer Niels Stolberg vorigen Sommer den amerikanischen Fonds Oaktree an Bord, um bestellte Schiffe zu finanzieren; seit März ist Beluga pleite, eine Schlammschlacht im Gange.
Haben Distressed-Fonds erst mal einen beträchtlichen Anteil von Darlehen eines Unternehmens erworben, kann sich kein Manager und kein Eigentümer mehr sicher fühlen. Womöglich deshalb tragen viele Fonds Namen, die Vertrauen wecken sollen: Wer wünschte sich nicht einen Partner für strategische Werte (SVP) oder einen Investor, beständig wie eine Eiche (Oaktree)? Andere setzen auf mehr oder weniger aussagekräftige Ortsbezeichnungen wie Avenue Capital, Trafalgar oder Haymarket. Värde, schwedisch für Wert, aus Minneapolis dürfte viele dagegen eher an Ikea-Küchenschränke erinnern.
Teil 2: Analysten befürchten nächste Welle von Zahlungsausfällen
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FTD.de, 21.04.2011
© 2011 Financial Times Deutschland
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