KURIER mobil

Kultur


Journalismus, der jeden Tag überrascht

Mit der Preis-Verleihung ging am Dienstag der European Newspaper Congress in Wien zu Ende. Bei den Design-Preisen wurde auch der KURIER ausgezeichnet.

img
Was haben erfolgreiche Zeitungsredaktionen gemeinsam? Was ist bei ihnen anders als bei den anderen? - "Sie machen ihr Produkt mit Leidenschaft", sagt Ricardo Miguel Oliveira, der Chefredakteur der als beste europäische Lokalzeitung ausgezeichneten Diário de Notícias. "Mein Team und ich praktizieren Journalismus, der auf Kreativität zurückgreift, um die Leser jeden Tag überraschen zu können. Journalismus, wo die Titelseiten für sich sprechen. Journalismus ohne vorgefertigte Ideen." Der Diário sei eine "Informationsturbine: Wir warten nicht auf Ereignisse, wir ergreifen selbst die Initiative". Anders könne die Zeitung, die in Madeira einer großen - staatlich subventionierten - Konkurrenz ausgesetzt ist, nicht bestehen: "Wir müssen glaubhaft wirken".

Auf die Kraft der Leidenschaft - und des Neuen - setzten auch die Eigentümer der schottischen Zeitung The Sunday Herald, als sie im Vorjahr beschlossen, die wirtschaftlich angeschlagene Tageszeitung nicht einzustellen, sondern in ein wöchentlich erscheinendes Nachrichtenmagazin umzuwandeln. "Ein radikaler Plan", so Chefredakteur Richard Walker, "aber er ist aufgegangen". Durch die Umstellung habe man zwar ein Viertel der Leserschaft verloren, dafür aber auch viele neue Leser gewonnen: "Unsere Inhalte und die neue Verpackung waren offenbar stark genug". Das Sonntagfrüh erscheinende Magazin habe weniger Seiten als die Tageszeitung, dafür sei es optisch schöner, auf hochwertigerem Papier gedruckt. Walker: "Wir konzentrieren uns auf gute, harte Reportagen, Analysen und ein dramatisches Design".

Die eigenen, gründlich recherchierten Storys stünden absolut im Vordergrund, für aktuelle Nachrichten gebe es andere Medien. Der Preis wurde von einem Pfund auf 1,30 Pfund erhöht: "Das schien uns im Bereich des Vertretbaren".

Dem Zeitgeist gefolgt ist die Frankfurter Rundschau, die für die beste iPad-Applikation einer Tageszeitung ausgezeichnet wurde. Zwar seien, so Chefredakteur Rouven Schellenberger, anknüpfend an Richard Walker, Magazine am besten geeignet fürs iPad, aber man habe sich ohne Zögern auch dafür entschieden: "Wir waren und sind davon überzeugt, dass die Leute nicht nur im Druckprodukt, sondern auch digital lange Texte zu lesen bereit sind. Natürlich gute Texte in außergewöhnlicher Präsentation." Die iPad-Version sei nicht ident mit der Druckversion: "Wir sehen uns als Best-of-Version der Zeitung. Unsere iPad-Redaktion ist bei den Zeitungs-Redaktionssitzungen dabei, muss aber eine eigene Gewichtung der Geschichten finden. So, dass am Ende ein eigenes Produkt herauskommt". Redaktionsschluss für die iPad-Rundschau ist üblicherweise um 22 Uhr, bei Bedarf - etwa bei Fußballspielen - kann er nach hinten verlegt werden.

Für herausragende gestalterische Leistungen wurden auch einige Designs des KURIER mit insgesamt drei Awards of Excellence bedacht. Darunter vier Cover der "Immo"-Beilage, das Freizeit -Cover im Spider-Man-Look und ein Award in der Kategorie Visualisierung für die Aufbereitung des Themas Steuerhinterziehung. Für das Design-Team nahm Creative Director Helge Schalk die Auszeichnungen entgegen. 219 Zeitungen aus 27 Ländern nahmen teil.

Es sind jedes Jahr zwei interessante Tage, wenn die innovativsten Zeitungsleute Europas nach Wien kommen: Da werden neue Layout-Konzepte vorgestellt, Internet-Versionen von Printmedien präsentiert und es wird viel darüber diskutiert, wer in Zukunft die Oberhand haben wird - Print oder Digital.
Darüber war man sich auch am Vormittag des ersten Kongresstages uneinig, in dem es um die Chancen ging, die Tablet-Computer wie das I-Pad bieten. Alfredo Trivino, Gestalter der ersten exklusiven I-Pad-Zeitung "The Daily" aus dem Hause Murdoch, hob die vielfältigen Möglichkeiten hervor: "Man kann zugleich einen authentischen Content und ein kommerzielles visuelles Erlebnis liefern."

Der deutsche Zeitungsdesiger Norbert Küpper skizzierte die aktuellsten Trends in der Zeitungsbranche: Erstens werden die Formate kleiner. Zweitens die Geschichten in den Zeitungen wieder länger. Und drittens wird die visuelle Komponente bei den Zeitungen immer wichtiger. Küpper: "Der Trend zu größeren Bildern ist eindeutig, ebenso jener zu monothematischen Seiten." Die Leser wollen Hintergrundinformation, Analysen und Reportagen lesen: "Die schnellen Nachrichten holen sie sich aus Internet und Fernsehen."
Innovation Einen strikten Qualitätskurs fährt die dänische Tageszeitung Politiken , die mit dem European Newspaper Award als beste Tageszeitung ausgezeichnet wurde. Designchef Søren Nyeland: "Unser Motto heißt Innovation, Innovation, Innovation. Immer Neues ausprobieren, die besten Reportage- und Feature-Fotografen anheuern." Ein Grund für den Erfolg der Zeitung, die "etwas kosten muss, weil sie Qualität bietet", sei, dass sich das Team viel Zeit fürs visuelle Denken nehme: "Sie wissen ja: Gott liegt im Detail".