Sonntag, 22. Mai 2011

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Thema: Wiener Festwochen 2011

Mundruczós große Gewalt- und Kitschorgie

Etwas zu viel gewollt: "Es ist nicht leicht, ein Gott zu sein" bei den Festwochen. Die Momente, die am wenigsten auszuhalten sind, zeigt er natürlich in Nahaufnahme.

Letztes Update am 19.05.2011, 17:54

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snuff dreh Snuff-Dreh: Das Mädchen (Diána Magdolna Kiss) weiß, dass sich hinter der Plane (li. hinten) Furchtbares abspielt.
Eine Frau, die kopfüber in die Toilette gesteckt wird; ein Rücken, der mit kochendem Wasser übergossen wird, bis die Haut platzt; eine Frau, lebendig begraben; ein Genick, das bricht. Aufgenommen mit Handkamera, projiziert auf jene Plastikplane, hinter der die Scheußlichkeiten stattfinden, die Angst- und Schmerzensschreie übertönt mit Heavy Metal.
Später wird im Publikum nach Ersatz für die getötete Pornodarstellerin gesucht. Da muss man sich schon gut zureden, dass das hier alles nur Theater ist, und ist froh über die Erkenntnis: Österreicherinnen sind zu teuer ...

Der ungarische Filme- und Theatermacher Kornél Mundruczó kam mit "Nehéz istennek lenni - Es ist nicht leicht, ein Gott zu sein" zu den Wiener Festwochen . Die Geschichte, die er auf den Ladeflächen zweier Lastwagen erzählt, ist so einfach wie wahr, wie furchtbar.
Eine Handvoll Prostituierter soll im Niemandsland zwischen armem Osten und goldenem Westen einen - wie sie glauben - Sexfilm drehen (und, wenn sie grad nicht dran sind, gefixelte Gucci-Jeans für die Mariahilfer Straße nähen). Tatsächlich spielen sie ihre
letzte Rolle in einem Snuff-Movie.


Bekannt provokant

So weit, so Mundruczós bekannte Anprangerung moderner Sklaverei, Entrechtung und Erniedrigung des Individuums. Und wie gewohnt hat der Provokateur zu allem Schrecken ein paar Gags auf Lager, formiert etwa Täter und Opfer zum Musikensemble, das "What the World Needs Now Is Love" oder "Something's Gotten Hold of my Heart" singt. Als wär' diese Realfiktion nur ein Hardcore-"Hair".

Mundruczós große Gewalt- und Kitschorgie. Und wie gesagt: Alles nur Theater.
Das ist zum Lachen. Bis es einem im Hals stecken bleibt. Die Schauspieler rund um Mundruczós Lieblingsdarstellerin Orsi Tóth gestalten ihre Rollen, die Sehnsuchtsmomente wie das Zufügen und Erleiden aller erdenklicher Qualen, beängstigend lebensnah, bezwingend gut.

Der Titel des Abends ist einem Science-Fiction-Roman aus dem Jahr 1964 der russischen Brüder Arkadij und Boris Strugatzki entliehen. Wie bei ihnen kommt es auf der Bühne zur finalen Konfrontation zweier Alphamänner.


EU-Politiker

Zwischen dem Snuff-Regisseur, der das alles nur macht, um seinem Vater, einem strukturkonservativen, doch tochtervergewaltigenden E U-Politiker eine reinzuwürgen. Und dem Arzt, der die Mädchen betreut. Er wurde von einem fernen Planeten als Beobachter geschickt, schafft es aber nicht, seine gottgleiche Distanz zu den Gräueln zu wahren.
Das war zu viel "gewollt".

Dieser verquaste Überbau zur Basis verwirrte sogar die Mundruczó-geschulten Zuschauer in der Remise Erdberg. Am Ende gab's noch einen Film. Von Mundruczó selbst. Wie er seelenruhig mit einem Boot durchs Schilf gleitet.

KURIER-Wertung: **** von *****

Letztes Update am 19.05.2011, 17:54

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Artikel vom 19.05.2011 16:00 | KURIER | Michaela Mottinger | « zurück zu KULTUR


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