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31.08.2011, 11:31
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Rückversicherung:
Anlagenotstand bei Risiko-Großhändlern
Weil die Niedrigzinsen und die Zweifel an vielen Staatsanleihen die Rückversicherer beunruhigen, legt die Branche so konservativ an wie möglich. Doch sichere Anlagen bringen kaum mehr als die Inflationsrate ein. Deutlich höhere Preise für Rückdeckungen wären die Antwort, doch die sind schwer durchzusetzen.
von Herbert Fromme
Vor zehn Jahren waren sie einfach sprachlos. Wie in jedem Jahr trafen sich Anfang September 2001 mehr als 1000 Manager von Rückversicherern sowie ihrer Kunden aus Assekuranz, Industrie und Beratungsfirmen. Bei ihrem Welttreffen in Monte Carlo wollten sie eigentlich über die Verträge für 2002 reden - und mussten dort vor den Fernsehschirmen ohnmächtig mit ansehen, wie Terroristen gekaperte Flugzeuge in die Türme des World Trade Centers steuerten.
Der 11. September 2001 veränderte die Branche. Mitarbeiter einer ganzen Reihe von Unternehmen aus der Versicherungswirtschaft waren unter den 2982 Todesopfern der Attacken. Versicherer sahen sich Terrorrisiken gegenüber, die sie glaubten, kaum schultern zu können. Und der 11. September 2001 sorgte dafür, dass die bereits vorher spürbaren, leisen Preiserhöhungen für Industrie- und Rückversicherungsrisiken zu einer massiven Welle wurden, die fast zehn Jahre lang für auskömmliche Preise sorgte.
Beim diesjährigen Treffen in Monte Carlo, das in zehn Tagen beginnt, werden andere Themen dominieren. Eines ist die Hurrikan-Saison in den USA. Der tropische Sturm Irene hat mit seiner Zerstörungskraft bewiesen, welche klimabedingten Risiken die Rückversicherer in den Büchern haben.
Sturmschäden bringen die Rückversicherer nicht aus dem Gleichgewicht, Verluste aus Kapitalanlagen schon
Doch Sorgen haben die Unternehmen deshalb nicht - sie haben ihre Deckungen gut kalkuliert und können auch mit Milliardenschäden fertig werden. Im Gegenteil, Großschäden führen in der Regel zu Preissteigerungen - die braucht die Branche dringend. Versicherer gehen nur selten pleite, weil Schäden zu hoch sind. Das ist bei hohen Verlusten aus den Kapitalanlagen anders.
Deshalb wiegt die Wirkung der Finanzkrise auf die Branche auch in der aktuellen Lage viel schwerer. Bislang sind die Rückversicherer mit der 2008 virulent gewordenen Krise gut fertig geworden. "Die Branche hat Deckung gewährt und Schäden bezahlt", sagt Chris Klein, Direktor beim Rückversicherungsmakler Guy Carpenter. Ihre Kapitalbasis, die 2008 angegriffen wurde, hatten die Rückversicherer schon Ende 2009 wieder vollständig aufgebaut.
Doch langsam spüren die Großhändler des Risikoschutzes, wie auch an ihnen die Finanzkrise zehrt. Die direkten Einschläge können sie verkraften.
Munich Re musste im Halbjahresergebnis 2010 insgesamt 703 Mio. Euro auf griechische Staatsanleihen abschreiben. Der Verlust wurde zum Teil von Kunden getragen, zum Teil vom Finanzamt - im Ergebnis betrug die Belastung 125 Mio. Euro. Da schlug das Erdbeben in Japan ganz anders zu Buche. Dafür muss der Konzern nach heutiger Schätzung 1,5 Mrd. Euro aufbringen.
Beim Rivalen
Swiss Re waren die direkten Folgen der Finanzkrise 2011 noch kleiner, auch andere Rückversicherer konnten Belastungen aus Bondabschreibungen gut verdauen.
Dennoch machen sich die Chefs der Rückversicherer große Sorgen. Sie leiden unter den Niedrigzinsen, die sie für Staatsanleihen und verwandte Papiere wie Pfandbriefe erhalten, scheuen aber aus Risikogesichtspunkten die Anlage in Aktien oder anderen Papieren mit größeren Chancen.
Die Schwergewichte der Rückversicherung haben gute Gründe, konservativ anzulegen. Sie verkaufen den Erstversicherern wie Signal Iduna oder
Zurich ein zerbrechliches Produkt: das Vertrauen, dass sie im Schadensfall auch wirklich zahlen und so eine mögliche Pleite des Erstversicherers verhindern.
Wer als Rückversicherer viel in Aktien angelegt hat, die nach einem Erdbeben in Japan oder einem schweren Sturm in den USA auf Talfahrt gehen, kann ein Problem bekommen. Er muss gleichzeitig Schäden zahlen und mit Anlageverlusten fertig werden. Andererseits: Wer nur ganz sicher investiert, erhält als Rückversicherer auf die Milliarden an angelegten Geldern bei Neuinvestitionen kaum mehr als die Inflationsrate.
Teil 2: Warum höhere Preise nur schwer durchzusetzen sind
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FTD.de, 31.08.2011
© 2011 Financial Times Deutschland,
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