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Merken   Drucken   01.09.2011, 18:30 Schriftgröße: AAA

Mittendrin statt nur dabei: So beherrschen Sie den Flurfunk

Was in der Firma wirklich wichtig ist, erfahren Sie nicht per Hausmitteilung. Sondern unter der Hand. von Karin Prummer, Hamburg
Ach, Sie haben gar nicht mitbekommen, dass gerade neue Bürostühle vergeben wurden? Schade, jetzt sind alle weg. Und dass das neue Produkt ein grandioser Flop wird, hat Ihnen auch keiner gesagt? Aber der Streit, den der Chef gerade mit seiner Assistentin ... ach, davon wussten Sie auch nichts? Dann sind Sie schlecht verdrahtet. Ein kaum angesteuerter Knotenpunkt in den Informationsbahnen, die Ihre Firma durchziehen.
Die laufen ja bekanntlich ganz anders als die "Berichtet an"-Pfeile in den offiziellen Firmenorganigrammen. Mehr als 70 Prozent der Informationen über unser Unternehmen stammen aus informellen Kanälen, zeigt eine Studie des Center for Workforce Development.
Die unsichtbaren Bahnen bilden ein wirres Netz mit vielen Zentren. Sie transportieren wichtige Infos und Geschwätz. Sie überspringen Abteilungen und Hierarchien: Am meisten weiß nicht der Chef, sondern wer am besten vernetzt ist. Und das sind nicht immer die, von denen man es vermuten würde, sagt der Psychologe und Unternehmensberater Winfried Berner.
Zwar verläuft das Netz in jedem Unternehmen anders. Ein paar Knotenpunkte lassen sich aber immer finden, sagt Wolf-Bertram von Bismarck. Er hat über informelle Kommunikation promoviert und war unter anderem Personalchef bei Puma und Fielmann. Und wenn Sie diese neuralgischen Punkte erst einmal kennen, steht Ihrem Aufstieg in der Infohierarchie eigentlich nichts mehr im Weg.
"Wenn ich als Personalleiter in die Kaffeeküche komme, wird es sehr schnell still", sagt von Bismarck. Und das liege nicht an ihm persönlich: "Als Chef ist man automatisch von bestimmten Infos abgeschnitten." Mit dem frisch gekürten Bereichsleiter trinkt eben keiner mehr ein Bier. Wie viel Chefs von der Basis erfahren, hängt von der Firmenkultur ab, und die ist schwer zu steuern. Gefährlich wird es für Chefs, die nicht mitbekommen, wer die Meinungsführer sind, sagt Berner. "Die finden Sie meist nicht bei den Ehrgeizlingen."
Fragen Sie sich: Auf wen hören Ihre Mitarbeiter mehr als auf Sie? Vor wem haben Sie bei einer Präsentation Angst? Stellen Sie sich mit diesen Kollegen gut und weihen Sie sie früh in neue Ideen ein: Was sie gut finden, ist in der Regel mehrheitsfähig. Grund zur Sorge besteht, wenn die Mitarbeiter viel und böse auf den Fluren reden: Das kann bedeuten, dass sie sich schlecht informiert fühlen.
Sie sind die heimlichen Chefs, die wichtigsten Knotenpunkte, an denen viele Informationsbahnen zusammenlaufen. "Autonom, selbstbewusst und konstruktiv" sind Meinungsführer meist, sagt Berner. Wer sie geschickt fragt, bekommt verlässliche Ratschläge, Tipps und Einschätzungen. Diese Kollegen müssten Sie also längst kennen - oder schleunigst kennenlernen. Aber wer neu ist, muss sie erst einmal finden: Es kann die Chefsekretärin sein, der Betriebsrat oder auch der ältere Kollege, der eigentlich weit unten in der Rangordnung steht. Er oder sie zeichnet sich nicht nur dadurch aus, dass er oder sie immer das Neueste weiß, sagt Berner, sondern auch: durch Leistung und Integrität. Daraus entsteht Anerkennung.
Oft arbeiten Meinungsführer in einer unteren oder mittleren Hierarchieebene, sind schon länger im Unternehmen, Leistungsträger, streben aber keine große Karriere an. Sie können es sich also leisten, zu widersprechen. "Sekretärinnen sind oft weitaus einflussreicher, als Außenstehende vermuten", sagt Berner. Sie lesen die Post des Chefs, wissen, mit wem er spricht, führen vielleicht sogar Protokoll, und ein Stück Autorität färbt auf sie ab. Berner machte einmal eine Sekretärin zur Projektleiterin. Er hatte sie als eine der Meinungsführerinnen in dem Unternehmen identifiziert, das er gerade beriet.
Von der Grundstimmung her stehen Meinungsführer eher in Opposition zu den Mächtigen. Aber es kann dem Chef gelingen, sie für sich und seine Ideen zu gewinnen, wenn er sich nicht plump einschleimt: Das merkt ein Meinungsführer sofort. Speist er diese Info ins Netz, kann das für den Chef schlecht ausgehen.
Wo sich Menschen treffen, fließen die Informationen. Ein Hoch also auf die Teeküche, die Raucherecke, den Betriebssport. Kluge Chefs schaffen solche Treffpunkte, an denen das Unternehmen zusammenwachsen kann. Was alle Raucher freuen wird, die sich zunehmend geächtet fühlen: Von Bismarck hält nichts davon, sie in immer hässlichere Kabuffs zu verdrängen. "Dann geht etwas verloren", sagt der Personaler.
Firmen brauchen Orte, an denen sich Menschen aus verschiedenen Abteilungen begegnen - die wissen oft so wenig voneinander, als würden sie auf verschiedenen Planeten ackern. Ein guter Chef stellt sich auch mal dazu und geht in die Kantine. Wenn er weiß, zu wem er sich setzen kann, ohne dass die Gespräche verstummen, kann er auch Neuigkeiten streuen, die er nicht offiziell verkünden will. Wenn also der Chef plötzlich neben Ihnen auftaucht - nicht fliehen, vielleicht will er Ihnen etwas verraten.
Liegt doch auf der Hand: Wer etwas erfahren will, hängt sich an die größten Klatscher und Tratscher ran. Richtig? Falsch. Plappertaschen sind schlecht vernetzt, sagt von Bismarck. Wenn Kollegen oder Abteilungen im Ruf stehen, immer heiße Gerüchte auf Lager zu haben, heißt das im Umkehrschluss: Zuverlässige Informationen finden Sie dort nicht.
Sie wollen also mehr mitbekommen? Dann legen Sie erst mal das schlechte Gewissen ab, wenn Sie etwas länger in der Kaffeeküche verharren. Nehmen Sie sich auf dem Gang die Zeit für ein "Hallo, wie geht's?", anstatt sich demonstrativ in ein Dokument zu vertiefen. Gehen Sie mit den richtigen Kollegen essen.
Was immer noch nicht alle begriffen haben: Spontane, informelle Kommunikation ist wichtig für das Unternehmen. Das bestätigte auch von Bismarcks Studie anhand von 46 Firmen. "Oft", sagt er, "laufen Gespräche so ab: 'Wie war's in Spanien?' 'Och, schön! Apropos Spanien, der Mitarbeiter unserer spanischen Niederlassung hat da so eine Idee ...'" Und schon ist ein neues Projekt angestoßen.
Schlechte Nachricht für Frauen: Manche Informationsdrehscheiben bleiben ihnen versperrt - jedenfalls wenn man Telekom-Personalvorstand Thomas Sattelberger glaubt. Über Karrieren werde oft "beim Pinkeln" entschieden, sagte er kürzlich. Eine in mehrfacher Hinsicht verstörende Vorstellung.
  • FTD.de, 01.09.2011
    © 2011 Financial Times Deutschland,
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