Literaturtipps: Highlights auf dem Buchmarkt

Okay, Islands Postillen überschlugen sich mit Lob: "ergreifend", "wunderschön" - "das beste Krisenbuch überhaupt". Autor Oskarsson darf sich jetzt "Träger des Isländischen Literaturpreises" nennen. Bei einer gerade mal 300.000 Menschen zählenden Nation (so viele Einwohner hat auch Bielefeld) ist eine solche Auszeichnung anscheinend nur begrenzt aussagekräftig - auch wenn die Isländer bekannt sind für ihre Liebe zur Literatur. Seit ein paar Jahren sind sie das auch für einen Finanzkollaps. Als 2008 alles zusammenkrachte, alle Banken verstaatlicht wurden, arbeitete Oskarsson als Büroangestellter in einem isländischen Geldhaus. Was er erlebte, verarbeitete er zu "Bankster". Fesselnd ist das Vorwort. Es besteht aus sechs kurzen Telefonaten, in denen Banker Markus und sein Vater alles zu begreifen versuchen: dass ihr wohlstandsverliebtes Island auf die Pleite zusteuert, dass Markus gekündigt wird. Doch das war's mit der Handlung. Markus stürzt in einen selbstmitleidigen Tagebuch-Gedankenstrom. Was seine Freundin Harpa genauso nervt wie den Leser. Das nächste erwähnenswerte Ereignis findet sich auf Seite 157. Man muss wohl selbst Isländer mit verletzter Krisenseele sein, um diese träge literarische Verzweiflung "wunderschön" finden zu können.

Punk rules, o.k.? Na ja - bei The Clash streiten sich noch heute viele Musikkritiker ob sie tatsächlich eine Punkband waren. Auch das offizielle Bandbuch mit vielen Interviews, Texten und Kommentaren der Bandmitglieder gibt zu diesem Punkt keine endgültige Antwort. Aber spannend zu lesen ist trotzdem was Joe Strummer und seine Kollegen über die damalige Musikszene - und ihre eigene Rolle - berichteten. So erfahren wir einiges über die politische Stoßrichtung der Band - und natürlich über das Weltbild der Protagonisten. Auch über das Umfeld von den Sex Pistols bis zu den Buzzcocks gibt es interessante Details. Aber Vorsicht: Das Buch ist eine Art Patchwork subjektiver Meinungsäußerungen und weit entfernt von einer stringenten Analyse! Wer eine chronologische Darstellung der Bandgeschichte sucht, wird enttäuscht.

Man nehme deutschsprachige Dichter von A wie Achternbusch bis Z wie Zweig. Darunter mische man Versatzstücke des Märchens vom Rotkäppchen und rühre alles kräftig durcheinander. Heraus kommen Parodien auf die Literatenszene von Dada bis zur Gegenwart, auf die deutsch-deutschen Verhältnisse und auf den Geschlechtsverkehr. Zumindest wenn Peter Wawerzinek am Kochtopf steht. Sein Talent für diese Art der Dichtung hat er in den vergangenen drei Jahrzehnten entwickelt. Das Ergebnis, "Wawerzineks Raubzüge durch die deutsche Literatur", ist eine Dichterschlacht der Moderne: bitterböse und derbe Texte, die er den imitierten Dichtern in den Mund schiebt. Besonders gelungen ist die beiliegende CD. Sie zeugt von Wawerzineks Können als Stegreifpoet und Stimmenimitator.

Das Leben kann schon ziemlich aufregend sein: Alfred Wegener war Grönland-Forscher, Heißluftballonfahrer, Urheber der Theorie der auseinanderdriftenden Kontinentalplatten. Jo Lendle hat sich also einen dankbaren Stoff für seinen Wissenschaftsroman ausgesucht. Aber nicht jeder macht daraus ein so packendes Buch. Sprachlich elegant, mit feinem Humor und Freude an farbigen Details erzählt er den Weg des Wissenschaftlers, der 1930 mit nur 50 Jahren im Polareis umkommt. Mit viel Empathie zeichnet Lendle nach, wie Wegener wegen seiner Theorie zur Entstehung der Kontinente von den Wissenschaftlern seiner Zeit verhöhnt wurde und trotzdem nie aufgab. Und er beschreibt sehr anrührend, dass auch die Liebe seiner jungen Familie Wegener nicht von seiner letzten Fahrt ins ewige Eis abhalten konnte.